Der Fischer und seine Frau.

[140] Dicht an der großen See, ich weiß nicht mehr wo? wohnten ein Fischer und seine Frau in einer schmutzigen armseligen Fischhütte, von verfaultem Schilfrohr, in welcher weder Bett noch Stuhl war, und sie konnten sich doch nicht darin regen noch rühren.

Den ganzen Tag ging der Fischer auf den Fischfang, von dem alle beide lebten.

Einsmals hatte der Fischer einen großen Butt1 gefangene – so groß, und zog ihn aus dem Wasser heraus.

Der Butt sagt zu ihm: »Laß mich los Fischer, du sollst dir auch was wünschen, das will ich dir geben. Ich bin kein ordentlicher Butt, sondern ein verwünschter Prinz.«

»Nun da lauf nur wieder hin ins Wasser,« sagte der Fischer, und trug ihn wieder zum Wasser. »Butts die sprechen können, mag ich so nicht haben. – Na! nun bist du wieder drinn!«[141]

»Nun Fischer, wünsche dir etwas, sagte der Butt.« Der Fischer aber wußte eben nichts, was er sich wünschen sollte, denn er hatte ein zufriedenes Herz, und darum hatte er Alles und meinte, er brauche ja nichts.

Als er nun nach Hause kam zu seiner Frau, da erzählt er ihr, er hätte einen Butt gefangen, den wäre ein verwünschter Prinz gewesen, und hätt ihn sehr gebeten, ihn wieder ins Wasser zu setzen, und dafür sollt er sich auch denn etwas wünschen.

»Nu Mann, was hast du dir denn gewünscht?« fragt die Frau. – »Habe nichts gewünscht, antwortet der Mann, was sollt ich denn wünschen?«

»O du heillos dummer Mann, fährt ihn die Frau an, das ist sehr schlimm! du bist und bleibst ein armer Tropf. Geh gleich, und ruf den Butt, und wünsch dir ein klein artiges Häuslein, damit wir aus dem schmierigen Hundeloch heraus kommen.«

»Ne Frau, das geht nicht,« sagt der Mann, und kraut sich hinter den Ohren; das nimmt der Butt übel. Aber die Frau sprach: »Geh! du Stock! – – Da wirds eben was haben? – Geh nur, der Butt wird dirs schon geben.«

Da mußte der Mann gehen, weil es die Frau also haben wollte, aber er ging mit Angst.

Als er an die See kam, sah sie gelb und grün. Der Fischer aber stellte sich ans Ufer und sagte:


»Mandje! Mandje! Timpe te

Butje! Butje! in der See,

reck den Kopf mal in die Höh'

meine Frau die Marzebill

nicht so will als ich wohl will.«


Er hatte seinen Spruch kaum hergesprochen, da reckte der Butt seinen Kopf aus dem Wasser hervor, und fragte:

»Was will sie denn?«[142]

»Sie will gern ein klein artiges Häuschen, und will nicht mehr in der alten Schmierhütte wohnen,« sagte der Fischer.

»Geh nur hin, sagte der Butt, sie ist schon darinnen.«

Der Mann ging hin, und fand seine Frau in der Thür eines netten Häuschens mit hübschen Stuben und Kammern, und mit einer hübschen Küche. Und hinter dem Hause war ein Hof mit Hühnern und Enten, und hinter dem Hofe war ein Garten, da standen Bäume darinnen, und grüner Waaren gar viel.

»Sieh Mann! sagte die Frau, ist es denn nun nicht viel besser?«

»Na! sagte der Mann, da wollen wir denn auch recht vergnügt darin leben!«

»Ih, sprach die Frau, das wollen wir erst noch sehen!«

Nach etwa ein acht oder vierzehn Tagen, spricht die Frau:

»In dem kleinen Lumpending von Häuschen wird mirs zu eng. Es ist alles zu klein; ich will ein groß steinern Schloß haben. Geh zum Butt, er soll uns ein groß steinern Schloß schaffen!«

»Ach Frau, spricht der Mann, es ist ja so hübsch in dem Häuschen. Ich mag nicht gern zum Butt hingehen, er möchte recht böse werden.«

»Kikel Kakel! spricht die Frau. Geh du nur hin; der Butt kann das schon geben, und gibt es gern. Geh du nur!«

»Da ging der Mann, weil es die Frau haben wollte, wieder zum Butt hin, aber das Herz war ihm so schwer. Und als er an den See kam, war das Wasser zwar still und ruhig, aber violet und grau und dunkelblau.«

Der Fischer trat ans Ufer und sprach:[143]


»Mandje! Mandje! Timpe te

Butje! Butje! in der See,

reck den Kopf mal in die Höh,

meine Frau die Marzebill,

nicht so will als ich wohl will.«


»Nun was will sie denn?« fragte der Butt.

»Ach ich trau mirs nicht zu sagen, und bin ganz betrübt; – Ein großes steinernes Schloß will sie haben.«

»Geh nur hin, sagt der Butt; sie ist schon im Schlosse.«

Da ging der Mann hin, und traf die Frau vor einem großen prächtigen Palast. »Sieh Mann, was das alles nun wunderschön ist,« sagte die Frau, und ging mit ihm ins Schloß hinein, und wies ihm die vielen Bedienten, die blanken mit Gold getäfelten Wände, die goldenen Stühle und Tische, die großen wunderschönen Spiegel und Gemälde, von welchen sie beide nichts verstanden, und die ihnen dennoch gefielen, und den großen Garten, der über eine halbe Meile lang und breit war, und hinten war ein großer Wald daran, mit Hirschen, Rehen, Rephühnern und anderm Gewild, und in den Ställen auf dem Hofe waren die schönsten Pferde.

»Nun dahier auf dem schönen Schlosse wollen wir doch gewiß bleiben,« sagte der Mann.

»Das wollen wir erst uns bedenken, und es beschlafen,« sagte die Frau, die schon wieder neue Wünsche bei sich im Herzen trug.

»Mann, sagt sie am andern Morgen, geh hin zum Butt; ich muß König werden, über alles Land weit und breit umher!«

»Ach Frau, wozu wollen wir König werden? spricht der Mann. Wir habens hier so gut. Ich mag nicht König sein, und der Butt wird nun einmal gewiß böse.«

»Paperlapap, sagte die Frau; geh du nur hin!«[144]

Da ging der Mann zum Butt, aber mit gar schwermüthigem und betrübtem Herzen, und die See war ganz schwarz, und das Wasser wallte und brudelte von unten auf, gleich als wäre es unwillig und mürrisch.

Der Mann sprach wieder:


»Mandje! Mandje! Timpe te

Butje! Butje! in der See,

reck den Kopf mal in die Höh,

meine Frau die Marzebill

will nicht so, als ich wohl will.«


»Na? was will sie denn?« fragt der Butt.

»Ach, sagt der Mann, nun will sie gar König werden.«

»Na! geh nur hin, sie ist es schon;« sprach der Butt.

Und als der Mann zum Palast kam, waren dort viele Soldaten, und viel Trompeter und Pauker, und die Frau saß auf einem hohen Thron von purem lauterm Gold, und der Thron war mit Edelsteinen besetzt. Und zu den beiden Seiten des Thrones standen die vornehmen Hofleute, Herren und Frauen und Mädchen wunderschön, die ihr alle mußten aufwarten, sie aber hatte eine goldene Krone auf, und befahl allen zusammen.

»Bist du denn nun König, Frau?« fragte der Fischer.

»Ja das bin ich nun, sagte sie, das siehst du ja!«

Da sahe sie der Mann eine Weile an und sagte: »Frau, das steht dir recht schön, wenn du König bist. Aber nun wollen wir auch nichts mehr wünschen.«

»Nein Mann! das König sein dauert mir schon viel zu lange, ich muß nun auch Kaiser werden!«

»Ach das kann ja der Butt nicht! – ich mags ihm nicht sagen.«

Aber die Frau wollt es haben, und da mußte der Mann zum Butt gehn, zumal da sie nun gar König war.[145]

Und die See wallte, und ein kahler rauher Wind fuhr drüber hin; das Wasser war schwarz und dick, und der Fischer hatte das Herz nicht, den Butt zu rufen, denn er meinte, nachdem der Butt so viel geschenkt hätte, sei die neue Forderung gar unverschämt. Aber weil er sich fürchtete vor seiner Frau, zumal da sie ihm als König recht majestätisch hatte ausgesehen, sprach er doch seinen Spruch:


»Mandje! Mandje! Timpe te,

Butje! Butje! in der See,

reck den Kopf mal in die Höh,

meine Frau die Marzebill

nicht so will als ich wohl will.«


»Nun? was will sie denn?« fragt der Butt.

»Ach! sagte der Fischer, nun will sie gar Kaiser werden!«

»Geh nur hin, sagt der Butt, sie ist das schon.«

Und da traf sie der Mann viel herrlicher und prächtiger und viel gewaltiger als gestern, und standen um ihren Thron große Riesen, so groß und hoch wie ein Thurm, und kleine Zwerge, so klein als ein kleiner Finger, und Fürsten und Grafen und Herren, die ihr unterthänig waren, standen vor ihrem Thron.

»Frau, sagte der Mann, bist du nun Kaiser?«

»Ja, sagte sie, das bin ich nun.«

Und dem Manne gefiel sie abermal in ihrer Majestät und Pracht und Gewalt, und er sahe sie sich so recht an und sagte: »Frau, das läßt dir so schön, wenn du Kaiser bist!«

»Was ist das eben, sprach sie; ich muß nun auch Papst werden!«

»Frau, sagt der Mann, das geht ja nicht gut; das kann der Butt gewiß nicht!«[146]

»Snake nicht! sagt die Frau. Ich will nun absolut Papst werden, und wenn der Butt kann Kaiser machen, kann er auch Papst machen.«

Da ging der Mann zitternd und bebend hin an den Strand. Die Knie wollten ihm einbrechen, und er konnte die Glieder nicht still halten. Der Wind sauste; das Wasser war wie kochend und schlug himmelhohe Wellen, der Himmel war dunkel überzogen, und an den Seiten blutroth, und es war, als wollte ein schwer Gewitter losbrechen, mit Sturm und Krachen.

Aber der Mann fürchtete die Frau mehr, als Sturm und Meeresgebrause und Gewitter, und sprach:


»Mandje! Mandje! Timpe te,

Butje! Butje! in der See,

reck den Kopf mal in die Höh!

Meine Frau die Marzebill,

nicht so will, als ich wohl will.«


»Nun? was will sie denn?« fragt der Butt.

»Ach nun will meine Frau auch Papst werden,« sagte er.

»Geh nur hin, sagt der Butt, sie ist es schon.«

Da traf sie der Mann auf einem Thron, der reichte bis zum Himmel, und sie hatte drei herrliche Kronen auf, und vornehme geistliche Herren standen um ihren Thron, demüthig und mit niedergeschlagenen Augen, und große Wachskerzen brannten in zwei Reihen in ihrem Saal.

»Frau, bist du nun Papst?« fragt der Mann.

»Ja freilich bin ichs,« sagte sie.

»Nun, sagte der Mann, nun sei zufrieden. Weiter kannst du nun doch nichts werden, denn du bist ja nun Alles.« Sie aber[147] meinte, das ließe sich erst noch überlegen. Und sie überlegte denn, aber sie fand nichts mehr für ihre Gierigkeit, bis die Sonne aufging. Da wollte sie denn auch Sonne und Mond auf- und untergehn lassen, und wollte der liebe Gott werden, und der Mann sollte deshalb hingehen zum Butt. Und als der Mann nicht wollte, ward sie ganz grimmig, und riß sich ihr Leibchen auf, und wollte mit Gewalt werden wie der liebe Gott, obwohl der Mann sagte, das könne ja der Butt nicht, denn er sei ja lange so hoch und mächtig nicht als der liebe Gott. Aber das half nichts, weil sie einmal vor Hochmuth ganz verrückt war geworden, und der Mann mußte zum Butt hin. Aber der Himmel war ganz finster, der Sturm heulte grausig, und zerknickte die stärksten Bäume, die Schiffe wurden wie Strohhalme umher gejagt, und die leuchtenden Blitze und die krachenden Donner waren furchtbar, und die Wogen gingen thurmhoch und hatten weiße Kronen von Schaum. Bebend ging der Mann hin und sprach:


»Mandje! Mandje! Timpe te

Butje! Butje! in der See,

reck den Kopf mal in die Höh,

meine Frau die Marzebill,

nicht so will als ich wohl will.«


»Nun was will sie denn noch?« fragt der Butt.

»Ach sie will werden als der liebe Gott.«

»Geh nur hin, sagte der Butt; sie sitzt schon wieder in der Schlammhütte.«

Da fand sie der Mann denn wirklich, schluchzend und heulend. Und der sanfte Mann wurde auf einmal grimmig, und schalt sie: »du schändliches hochmüthiges Thier, nun hast du es. Weil du in deiner Gier nicht konntest genug bekommen und nicht hoch genug hinauf kommen, hast du Alles verloren!« – Aber die Frau[148] schämte und grämte sich, und hatte das Befehlen und das Sprechen verloren. Hätt sie jetzt das kleine Häuschen gehabt, wie wär sie so glücklich gewesen. Der Mann ging zwar hin und rief den Butt, weil die Frau so sehr jammerte und flehete, und wollte nur das kleine Häuschen wieder haben, aber der Butt war nicht mehr zu Hause.

Und der Mann wurde recht tollköpfig, und ging heimlich davon, und ließ die Frau in der Schlammhütte, und darin mußte sie bleiben all ihr lebenlang.

So gehts denn oft!

1

Das ist gewißlich der Heilgebutt gewesen, der 400 Pfund schwer wird, und zu den Schollen oder Plattfischen gehört, welche aussehen, als wären sie breit und platt gedrückt. Nur ist unser Butt hier ein Prinz oder noch mehr.

Quelle:
Johann Andreas Christian Löhr: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, anmuthig und lehrhaftig [1–]2. Band 1, Leipzig [ca. 1819/20], S. 140-149.
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