Meisterstücke dreier kunstreichen Brüder.

[179] In einem Dorfe in Frankreich lebt ein Mann noch jetzt, wenn er nicht schon vor 2 oder 300, oder gar vor 1000 Jahren gestorben ist, welches ich nicht wissen kann, der heißt oder hieß Simonett oder Simonchen, oder auch nur Monchen, und erst da er fünf Frauen gehabt hatte, bekam er mit der fünften 3 Kinder auf einmal, und also Drillinge, und zwar lauter Söhne.

Die Drillinge wuchsen lustig und frisch hinauf, und wußten wie Frühstück, Mittags- und Abendbrot schmeckte, denn sie waren gar nicht krank im oder am Magen.

Nun! dachte der Vater, da ihr denn so tüchtig und manierlich appetitlich essen könnt, so muß doch ein rechter Geist und Verstand in euch stecken.

Er nahm die Jungen vor, nachdem sie gehörig groß waren, und sagte:

»Hört einmal ihr großen Bengel; ihr seht ein, daß ich nicht ewig leben kann. Sterben muß Jeder einmal. Und es muß Jeder von euch in die Welt hinaus, und soll sich etwas versuchen, und etwas lernen und umsehen; – das ist sehr nöthig; denn sonst bleibt[180] ihr dumm und tölpisch, und wißt nicht wie ihr einen Bissen Brot erwerben sollt, obwohl ihr wißt wo's Maul ist, da man ihn hinein steckt. – Seht ihr das auch ein, ihr großen Schlingel?«

»O ja! Herzvater, so viel sehen wir schon ein!« antworteten sie alle drei.

»Nun paßt weiter auf, sprach der Vater, und merkt fein auf meine Worte. Das bischen Hütte was ich habe, der kleine Kräzgarten, und die paar Ackerchen Feld, die werden keinen fett machen, wenn sie in drei Theile gehen, und keiner von Euch könnte davon eine Maus nebenbei ernähren. Seht! Hört! und merkt auf! Ich habe gedacht, ich will euch auf ein Jahr in die Welt senden, und wenn ihr dann wieder kommt, soll der Häuschen, Höfchen und Ländchen bekommen, welcher das meiste gelernt hat. Seid ihr das alle zufrieden?«

»Ja, ja! Herzvater ja! das sind wir zufrieden!« sprachen die Söhne.

Somit zogen die Drillinge hinaus in die weite Welt, so weit, so weit, als man in einem Jahre kommen kann, und sahen vieler, vieler tausend Herren Länder und Städte, und versuchten sich etwas, und lernten gar wundersame und künstliche Dinge.

Nach einem Jahre waren sie denn alle glücklich wieder nach Haus gekommen, wohl um des Vaters Gebot zu ehren, oder vielleicht, – ich aber weiß es nicht, – der Mutter Töpfe zu beschnüffeln, denn auf der Reise setzt es oft schmale Bissen.

Nun das versteht sich, daß Vater und Mutter ihnen um den Hals fielen, als sie ankamen, und die Söhne fielen den Aeltern wieder um den Hals. –

Nun Kinderchen, herzliebe Kinderchen, sprach der entzückte Vater, sagt an, was ihr auf euren Reisen für Kunststücke gelernt habt.[181]

»Ich bin ein Barbier geworden,« sagte der erste.

»Ich bin ein Hufschmidt geworden,« sagte der zweite.

»Ich bin ein Fechter geworden,« sagte der dritte.

Nun das ist ja recht sehr schön und löblich, sprach der Vater, weil er doch auch etwas sagen mußte; es kommt nur darauf an, ob ihr auch eure Sachen alle ordentlich gründlich – zu verstehen, so aus dem rechten gründlichen Grunde meine ich, gelernt habt?

»Ja, Vater, ja gewiß, gewiß und fürwahr, aus dem allergründlichsten Grund haben wirs gelernt, das könnt Ihr nur glauben!« sprachen die Söhne.

»Na! sprach der Vater, wer seine Sachen am besten kann, der solls Hüttchen und Feldchen haben.«

Indem sie so davon sprachen, kommt daher gelaufen Herr Lampe, der Haase, im vollen schnellen Rennen. Der Barbier hat seinen Scheerbeutel sogleich bei der Hand, nimmt ihn unter den Arm und ist schneller und flinker als das Häslein; läuft dem Häslein nach, und ob es wohl so fix rennt als ein Haas laufen kann, hat ihm doch der Barbirer im Mitlauf das Bärtlein eingeseift, und so glatt und scharmant und so rein geputzt, als obs Häslein auf dem Stuhl ihm still gesessen hätte, und hätte die Serviette vorgethan gehabt.

»Hm! sagt der Vater, gar höchlich verwundert, du wirst das Hüttchen wohl erlangen.«

»Hm! sagt der Schmidt, das wollen wir sehen;« und so eben kam ein Reuter im vollem Gallop mit seinem Pferde daher. – Der Schmidt mit Hammer und Zange hinter dem galloppirenden Pferde drein, reißt demselben die Hufeisen ab, und legt dafür neue auf, ohne daß dem Gallop oder dem Pferde oder dem Reuter im mindesten ein Aufenthalt und Nachtheil geschieht.

»Nun, sagt der Vater, da mag der Henker wählen oder entscheiden. Das ist mir zu hoch und zu fein! – Da weiß ich nun nicht – – –«[182]

Lächelnd hatte der Fechter dabei gestanden, und nach dem Himmel hinauf gesehen. Eben brach eine Gewitterwolke los, mit gewaltigem Platzregen. Mein Fechter nicht faul, sondern flink aus dem Hause hinaus, und schwingt sein Fechterschwert so um sich herum, und so hin und her, daß ihm kein einziger Regentropfen etwas anhaben konnte. Der Gewitterregen war vorüber, und der Fechter war ganz trocken.

»Na! da seh einer Gottes Wunder, sagte der Vater, da machts mit einander selbst aus, wers Hüttchen haben soll.«

Wo Liebe und Friede im Herzen wohnen, da sind solche Sachen leicht ausgemacht. Die Brüder fielen sich um den Hals, und sagten, wir bleiben beisammen. Und da sie so gewaltig kunstreich waren, so fehlte es ihnen ja nicht an Nahrung. Der eine barbierte, der andere beschlug die Pferde, der dritte gab Unterricht im Fechten, und alle jungen Offiziere und Studenten nahmen Stunde bei ihm, und Alle hatten zu leben.

So wars!

Quelle:
Johann Andreas Christian Löhr: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, anmuthig und lehrhaftig [1–]2. Band 1, Leipzig [ca. 1819/20], S. 179-183.
Lizenz:
Kategorien: