Esels Glück.


Esels Glück

[210] Eine Königin hatte zwar Alles, indem sie Königin war, aber keine Kinder, und das verbitterte ihr all ihr Glück und Herrlichkeit, und sie dachte, sie hätte so eigentlich gar Nichts. – Da plagte und plackte sie denn den Himmel mit ihren Bitten so lange, bis sie ein Kind bekam, aber das Kind war ein klein artig Eselein, mit gar seinen langen Oehrlein. Da entsetzte sich die Königin, und wollte das niedliche Thierchen ins Wasser werfen lassen; aber der König verbot das alles Ernstes, denn das Eselein gefiel ihm aus der Maßen wohl, und er dachte: es ist doch immer mein Sohn, obwohl es ein wahrer Esel ist, und meinte, was einmal der Himmel hätte bescheert, das müsse man halten der Ehren werth. Und darauf er: klärte er vor allen Großen seines Hofs öffentlich, der Esel sollte sein Thronfolger werden; denn er mochte wohl denken, wenn Löwen und Tiger und Stiere auf Thronen gesessen haben, warum nicht zuweilen auch ein Esel?

Den Großen des Reichs schien das Ding zwar bedenklich, allein sie behielten das bei sich, und rühmten den königlichen Gedanken des Königs – denn weil der Gedanke von dem König kam, so mußte er auch königlich sein, – und übrigens wären die großen Herren am Hofe ja recht klein geworden, hätte sie sie der König von seinem Hofe gejagt.[211]

Also wurde der kleine Eselprinz aufgezogen und wohl gepflegt, und die Ohren wuchsen ihm hübsch hoch und gerade hinauf, und die Schneider hatten mit ihm keine Noth, denn seine tüchtige Haut war sein Kleidchen.

Und bald ward das Eselein am ganzen Hofe beliebt, denn es machte tausend poßirliche und kurzweilige Sprünge, und spielte mit aller Welt, die am Hofe war, und wenn Musik, welche es gar sehr liebte, an Ball- und Festtagen gemacht wurde, so tanzte es darnach gar manierlich und verwunderlich.

Das Eselein ging zu einem berühmten Spielmann in der Nachbarschaft, der oft am Hofe aufgespielt hatte, und sprach: »Mein Spielmann, ich möcht' deine Kunst wohl lernen, und die Laute auch so gut schlagen können, als du, und ich wollte dirs wohl gut lohnen.«

»Ach liebes Junkherrlein, sprach der Spielmann, das möcht ein schwer Ding sein, denn Eure Fingerchen sind nicht so allerdings dazu gemacht, und die Saiten möchtens nicht aushalten.« Aber das Eselein ließ nicht ab, und der Spielmann nahms in die Lehre, zumal weil es doch ein Prinz war, und es war so fleißig und aufmerksam und so anstellig, daß es in kurzer Zeit dem Meister fast gleich kam, und daß es am Hofe aufspielte, und sich Alle verwunderten, und bei sich sprachen: »Wer hätts denn gedacht, daß ein Esel könnte die Laute schlagen lernen?« – Er konnts aber.

Einsmals ging er nachdenksamlich spazieren, kam an einen Brunnen, und sahe seine traurige Gestalt, und ward, weil er so unmenschlich aussahe, auch unmenschlich betrübt, und aus Betrübniß zog er hinein in die Welt, obwohl er leicht wissen konnte, daß er deshalb nicht aufhörte, ein Esel zu sein. – Er zog hinein in die weite Welt, und nahm seine Laute und einen treuen Gesellen mit; – er zog dahin und dorthin, und sähe viel Esel und anderes Gethier, und noch sonst viel und mancherlei, und kam zuletzt in ein[212] Reich, wo ein alter König regierte, der eine wunderschöne Tochter hatte, und ein recht braver und lieber Mann war.

»Hier wollen wir bleiben, lieber Geselle,« sprach der Esel, und klopfte ans Schloßthor, stark und immer stärker; aber es that ihm Niemand auf, weil man nicht wußte, obs ein Esel von Stand und Range war, welcher da klopfte; – denn die andern gelten nichts.

Als nun nicht aufgethan ward, spielte er lustig und traurig, lieblich und bekümmerlich die Laute mit seinen Füßen.

Da lief der Thürhüter zum König, und sprach: »da ist vor dem Schloßthor ein wundersamlicher Esel, der Einlaß begehrt, und die Laute wunderlieblich schlägt.«

»Ei, sprach der König, laßt mir den Spielmann nur flugs herein.« So kam er denn hinein, und ließ mit seiner Laute sich hören, und alle lachten über den Lautenisten, und verwunderten sich doch auch über ihn.

Das Eselein sollte nun aber auch gespeist werden – nämlich, wohl verstanden, unser Eselein sollte nicht gespeist oder gegessen werden, und zu einer guten Mahlzeit und Fleischbrühe dienen, sondern er selbst sollte eine gute Mahlzeit halten. So hieß man es denn sich zu den Knechten und Dienstvolk setzen, und essen; aber das wollte es nicht, und sagte, das schicke sich nicht für seinen Rang. »Nun hieß es, so setze dich denn zu den Kriegsleuten.« – Aber das Eselein wurde gar böse und zornig wie ein Leu, und sprach: »das sind ja doch auch nur Knechte, Sackerlot! Ihr denkt wohl, ich sei nur so ein gemeiner Müller- oder Stallesel? da irrt Ihr gar sehr; ich bin gar ein vornehmer Esel; nämlich ein Prinzenesel oder Eselprinz, und wenn Euch das noch nicht deutlich genug ist, so wißt daß ich ein Prinz und ein Esel zugleich bin, und also neben dem König sitzen muß, denn es schmeckt mir nur an königlicher Tafel.« – Und damit schlug er hinten aus, und schrie: »Yah, hah, hah, Yah!«[213]

»So solls denn auch sein,« sprach der König, dem der lustige und anmuthige Esel gefiel; und er saß neben dem König, und aß und trank mit ihm.

Das Eselein blieb eine feine Weile am Hofe, nur wurde es jeden Tag trübseliger, das machte, der Esel hatte die wunderschöne Prinzessin gar lieb gewonnen, dachte aber sie würde ja doch keinen Esel zum Gemahl nehmen, und darin dachte er nicht eselsdumm, sondern eselsklug. – Ih nun! dafür wars denn auch kein gemeiner gewöhnlicher Kakesel, sondern ein vornehmer Esel; – denn je vornehmer der Esel, desto klüger, und mancher Esel ist schon deshalb grundklug, weil er sich vornehm und gelehrt stellt, wenn ers auch grade nicht ist.

So trat er denn vor den König mit traurig gesenkten Ohren, und niederhängendem Kopfe, und begehrte seinen Urlaub.

Der König sprach: »Ach was ist dir denn, du lieber Esel? du siehst ja so sauer wie ein Essigtopf; was willst du denn haben? Du weißt ja daß ich dich nicht lassen kann, weil ich dich so lieb habe. Willst du Gold? – willst du Silber? – willst du Kostbarkeit und Edelgestein? willst du mein halbes Reich? ich will dirs ja herzlich gern geben.«

Aber der Esel sprach: »Nein, nein! Nein, nein!« und schüttelte mit dem Kopfe kläglich dazu.

Der König hatte doch etwas gemerkt, und sprach: »ich möchte dich gar zu gern behalten, und fröhlich und guter Dinge sehn. Möchtest du denn wohl gar mein Töchterlein wollen haben?«

Da sagte seufzend der Esel: »Ja, ja! Yah, ja! das möcht ich so gern.«

»Nun so sollst du es denn haben, sprach der König; denn er dachte in seinem Herzen, 's ist doch fürwahr einerlei, ob meine Tochter diesen Esel bekommt oder einen andern; denn Esel ist Esel.«[214]

Der Esel wurde lustig und guter Dinge, und es wurde eine große und prächtige Hochzeit gehalten.

Als nun der Esel mit der Prinzessin in der Hochzeitskammer war, legte er die Eselshaut ab, und wurde ein stattlicher jugendlicher Prinz, welches der König sogleich erfuhr, weil er einen alten treuen Diener sich in der Brautkammer hinter den Tapeten hatte verstecken lassen.

Der Diener hatte erzählt was sich begeben hätte, und rieth nun in der nächsten Nacht, wenn der Esel seine Haut wieder ablegte, dieselbe ins Feuer, zu werfen und zu verbrennen, um der Eselei ein Ende zu machen.

So geschah es, und der Esel wurde und blieb nun ein ordentlicher Mensch, und die Prinzessin hatte ihn gar lieb, weil er so fein und schön war, und so manierliche Sitten hatte.

Ei nun, das ist keine Kunst. Wenn man einmal die Kunst gelernt hat die Eselsbaut abzulegen, so lernt man auch wohl die, alsdann ein ordentlicher Mensch zu werden.

Aber es ist doch nur ein wahrhaftiges Mährchen.

Quelle:
Johann Andreas Christian Löhr: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, anmuthig und lehrhaftig [1–]2. Band 1, Leipzig [ca. 1819/20], S. 210-215.
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