Mailied

[231] Paradiesisch umgestaltet

Prangt die Flur in goldnem Glanz;

Freude jubelt; Liebe waltet;

Auf, beginnt den Maientanz!

In des Forsts geheimer Dichte

Girrt und flötet Minnelaut;

Unterm Grün im Abendlichte,

Kosen Bräutigam und Braut.


Bäll' und Opern freun den Städter,

Assembleen die Städterin:

Uns entzückt der Frühlingsäther,

Uns der Haine Baldachin!

Krönt der frohen Weisheit Becher;

Horcht der Wipfel Silberschall;

Webt verschwiegne Blätterdächer;

Ruht auf Moos' am Wasserfall!
[232]

Mit des Sinngrüns blauen Klocken

Schmückt der holden Jungfraun Haar;

Tanzt, beweht von Blütenflocken,

Wallt im Zwielicht Paar und Paar.

Heute Kuß auf Kuß der Trauten,

Jüngling! die sich dir ergab:

Viel, ach! viel der Zähren thauten

Schon auf junger Bräute Grab.

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 231-233.
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