II.

Die erste Spur

[364] Es war am nächsten Sonntag. Der Gottesdienst ging zu Ende, und die Kirchgänger traten auf den Kirchhof heraus, um den gewohnten Umgang durch die Gräber zu halten und dabei die Neuigkeiten der vergangenen Woche zu besprechen. Die Stadt hat ihre Kränzchen und Brunnenversammlungen, das Dorf seine Spinnstuben und Gottesackermeetings, auf welchen Mann und Weib, Alt und Jung Gelegenheit findet, sich auszusprechen über Alles, was das Herz bedrückt oder die Neugierde befriedigt.

Zweierlei beschäftigte heute die Zungen ganz besonders: die Rückkehr des Bachfrieder und der seltene Umstand, daß der Feldbauer nicht in der Kirche gewesen war. Daß Beides im engen Zusammenhange stand, wußte man bereits, nur hielt man eine eingehende Erörterung für nothwendig, aus welchem Grunde sich ein zahlreicher Kreis von Zuhörern um Baldrian versammelte, welcher an der Kirchmauer lehnte und mit wunderbaren Gestikulationen sein Erlebniß erzählte.

»Ja, es war nur drei Minut'n vorher, da hat ihn mein Bauer einen Knirps genannt und er ist ganz still dazu gewes'n, und jetzt auf einmal kommt er über den Feldbauer wie Simson über die Pharisäer, oder wie die Leut' und das Dorf zur damalig'n Zeit geheiß'n hat. Das war grad wie wenn die Bulldogg' über die Maus geräth, da giebt's weder Widerstand noch Rettung, sie wird einfach zu Tod' gebiss'n und dann aufgefress'n.«

»Hat sich denn der Feldhof net gewehrt?«

»Gewehrt? Wo denkt Ihr denn hin? Gewollt hat er's vielleicht, aber er ist ja gar net dazu gekommen, denn der Frieder ist so unverhofft und schnell über ihn hergefall'n und hat auf ihm geleg'n wie der Ambos auf der Mück', daß er nur ein wenig mit den Beinen wackeln konnt', weiter nix.«

In seinem Eifer gab der gute Baldrian der Sache etwas mehr Farbe, als unumgänglich nöthig war.

»Ihr hättet nur das Gesicht seh'n soll'n, auf dem die Peitsch' gearbeitet hat, wie das Graupelwetter auf dem Dach. Da ist Hieb auf Hieb und Schlag auf Schlag 'kommen, und die Schwiel', die ich hier über die Nas' herüber hab, hat mehr als hundert Prozent getrag'n. Der Feldbauer hat nachher auch gar net daran gedacht, sich nochmals an uns zu vergreif'n, sondern ist langsam aufgekrabbelt und dem Schimmel nachgehinkt, als wir davonfuhr'n.«

»Also darum kommt er net in die Kirch', weil ihm das Gesicht gezeichnet ist. Ihm ist ganz recht ge scheh'n, und nun wird er wohl net mehr so prahlig thun mit seiner Körperstärk', da er den Meister gefund'n hat.«

»Er mag sich nur auch ferner fein hübsch in Acht nehmen vor dem Frieder; den hab' ich in den paar Tag'n ganz genugsam kennen gelernt! Er ist so gut und fromm wie ein Lamm, aber wenn man ihn bei der Gall' angreift, so mag man nur immer schnell die Flucht ergreif'n. Ihr solltet nur 'mal seh'n, wie lieb und lind er ist! Die Mutter hat er stets beim Kopf, und den Vater trägt er auf den Händ'n. Dazu greift er wacker an, wo's nur immer Arbeit giebt, und nämlich wie, das ist die Sach'! Im Hof, da lag ein Klotz, der Bretter geben sollt'; drei Männer konnt'n[364] ihn kaum erschlepp'n; er aber hat ihn aufgenommen und vor's Thor geschafft, als ob's ein Schaufelstiel sei oder so 'was Aehnlich's. Den Stier nimmt er bei den Hörnern und drückt ihn zu Bod'n, daß er sich net zu rühren vermag. Und bei dieser Gütigkeit und Stärk' ist er gelehrt und geschickt, daß man sich nur wundern muß. Er hat nach Maschinen geschrieb'n und nach andern Dingen, von denen Unsereiner net 'mal den Namen kennt, und dem Bauer einen Plan über den Feldbau vorgelegt, nach dem das Land grad um die Hälft' mehr bringen muß als früher.«

»Ja, klug ist er und geschickt dazu, sonst hätt' er ja gar net die Un'versität überstanden. Das Dorf hat noch niemals einen Student'n gehabt, und wir müss'n also stolz auf den Frieder sein, der bewies'n hat, daß es bei uns auch Leut' giebt, die net auf den Kopf gefall'n sind. Wie er heut die Orgel gespielt hat, so 'was Schön's ist hier noch gar nimmer gehört word'n; der Kantor ist das reine Nix geg'n ihn. Seht, dort kommen sie Beid' vom Chor herab!«

Frieder wurde von allen seinen Bekannten, denen er bisher noch nicht begegnet war, mit Enthusiasmus begrüßt; er hielt sich aber nicht lang bei ihnen auf, sondern schritt dem stillen Winkel zu, wo sich die gelösten Grabstätten der Bachbauern befanden. Der Platz war von tief herabzweigenden Trauerweiden beschattet, unter denen eine Steinbank stand, deren Sitz mit weichem Moos bekleidet war. Als er die Zweige auseinanderschlug, fiel sein Blick auf ein Mädchen, welches hier gesessen hatte und sich jetzt in halber Verlegenheit erhob.

Er hatte sie schon in der Kirche bemerkt und sich von ihrer Erscheinung seltsam ergriffen gefühlt. Ihre hohe, volle Gestalt war nicht mit dem hier in der Gegend üblichen, sondern mit dem jenseits der Grenze getragenen Festtagsgewande bekleidet. Der kurze, roth und schwarz gestreifte Rock ließ einen kleinen und doch kräftig gebauten Fuß frei; um die enge Taille spannte sich eine seidene Schürze, deren zierlicher Schnitt es verrieth, daß sie nicht für den gewöhnlichen Gebrauch gefertigt sei; unter dem dunklen Jäckchen blickte das sammetne Mieder hervor, dessen Ausschnitt verrätherisch das feingefältete, blüthenweiße Hemde frei gab, welches sich in feiner Krause um den schönen Hals legte und eine wundervolle Büste leicht verhüllte. Von dem unbedeckten Kopfe hingen die mit einer einfachen Feldskabiose geschmückten, reichen Haare in zwei langen, dicken Zöpfen bis weit über die Hüften herab, und die feinen Händchen, welche jetzt das Gesangbuch umschlossen, schienen sich noch nie mit gröberer Hausarbeit beschäftigt zu haben. Wer ihr in das Gesicht[365] blickte, hatte keine Zeit, sich bei der Betrachtung der einzelnen Theile desselben aufzuhalten, sondern fühlte sich sofort gefangen von dem Ausdrucke der Sanftmuth und Herzensgüte, welcher über ihm ausgebreitet lag.

»Grüß Gott,« antwortete sie auf seinen Gruß und schlug die langen, verlegenen Wimpern langsam empor, die sich aber sofort wieder über das große, tiefblaue Auge senkten.

»Sei net bös über die Störung, die ich Dir bereitet hab'!« bat er. »Ich hab' net gewußt, daß Wer hier ist. Soll ich gehn?«

»Nein, bleib nur; denn ich bin's ja, die weich'n muß!«

Sie schlug ihr Auge mit einem wie um Verzeihung bittenden Blicke wieder halb empor, und es war ihm, als müsse er die feinen Lider vollends heben, um dieses wunderbare Auge ganz und voll zu erblicken.

»Warum mußt' denn weich'n? Bitt', sag' es mir!«

»Weil dieser Ort net mir gehört, sondern Dir.«

»So kennst' mich wohl?«

»Ich sah Dich gestern nach der Stadt reit'n, als ich auf dem Feld' war, und die Magd sagt' Deinen Namen.«

»So darf ich wohl auch wiss'n, wie der Dein'ge lautet?«

»Martha.«

»Martha?« wiederholte er, selbst nicht wissend, ob freudig oder schmerzlich überrascht. »So bist' wohl gar die Martha vom Feldhof?«

»Ja.«

Das eine Wörtchen kam nur langsam und in einem Tone über ihre zögernden Lippen, als müsse sie um Gnade flehen, daß sie die Tochter des Feldbauern sei. Er aber trat näher und ergriff ihre Hand.

»So bin ich Dir unendlich viel Dank schuldig für die große Lieb und Barmherzigkeit, die Du dem Vater und der Mutter erzeigt hast, Martha. Der liebe Gott mag's lohnen, wir können's net! Warum bist' dieser Tag' net zu uns hereingekommen?«

Sie schwieg.

»Darf ich's net wiss'n?«

»Ich kann's net sag'n!«

»Und eine Ausred' magst' auch net mach'n, denn das wär' eine Lüg', und dazu bist zu brav und stolz, net wahr? Aber lass' gut sein, Martha; ich weiß doch, was Du net sag'n willst! Der Vater hat Dir's verbot'n. Ist's so oder anders?«

Sie nickte nur mit dem Kopfe, blickte aber jetzt voll und groß zu ihm empor mit einem Blicke, in welchem er eine hinter der Verlegenheit verborgene Anklage zu lesen meinte.

»Hätt' ich gewußt, was ich heut' nun weiß,« entschuldigte er sich daher unwillkürlich, »so wär' der Angriff des Feldbauern net in der Weis' abgewehrt word'n, wie es geschehen ist. Aber, sag, hat er Dir net schon auch vorher verbot'n, nach dem Bachhof zu geh'n?«

»Ja.«

»Schaust', Martha, was ich mein'? Und dennoch bist herüber'gangen! Warum bleibst' alleweil' jetzt davon? Die Mutter hat immer groß' Sehnen nach Dir, und Du kannst ihr große Freud' bereit'n, wenn Du bald 'mal vorsprech' nmagst. Darf ich ihr sag'n, daß Du kommen willst?«

»Ich weiß' noch net!«

»So weiß ich jetzt, warum! Als ich net daheim war, hast' den Bachhof besucht, nun ich aber nach Haus' 'kommen bin, bleibst hinweg. Ich allein bin Schuld; Du magst mich net leid'n. Leb' wohl, Martha; das thut mir weh!«

Er ließ die Hand fahren und wandte sich zum Gehen.

»Frieder!«

Er drehte sich wieder zu ihr herum.

»So hab' ich's net gemeint! Deine Eltern sind mir net gram, daß mein Vater solche Feindschaft hegt, denn ich kann ja nix dafür; von Dir aber hab ich net gewußt, ob auch Du so denkst wie sie; darum wollt' ich erst sehen, ob ich auch darf vor Dir.«

Er legte seine Hand auf die ihrige und entgegnete in beinahe leisem Tone:

»Das ist nur die halbe Offenheit! Ich bat Dich, zu kommen, und dennoch gabst' zur Antwort: ›Ich weiß noch net!‹ Fürcht'st Dich vor mir, Martha?«

Jetzt zuckte ein rasches Lächeln um ihren Mund, zwischen dessen Lippen die kleinen Zähne hervorblitzten, und ihr Blick traf den seinen mit voller Aufrichtigkeit.

»Ja, beinah' ganz sehr.«

»Warum?«

»Du bist der Mächtigst' weit und breit und dazu hast' so viel Gelehrsamkeit studirt. Soll man sich da net vor Dir fürcht'n?«

»Wenn das nix Anders bringt als Furcht und Scheu, so wollt' ich, daß ich net so mächtig wär' und ungeschickt dazu. Soll das so sein, Martha?«

»O nein, Frieder! Bleib, wie Du bist!«

»Aber dann wirst' Dich auch ferner fürcht'n?«

»Ich werd' mir die Angst abgewöhnen. Ich hab' mir den Mann, der den Vater geschlag'n hat, ganz anders vorgestellt, recht wüst, rauh und hart, net so sanft und freundlich, wie Du bist. Sag den Eltern, daß ich kommen werd'!«

»Hab' Dank! Nun geh ich gern, denn ich weiß, daß ich Dich wiederseh'.«

»Nein, laß mich gehn und bleib! Du kamst zum Bruder, der hier unten liegt; das ist ein fromm' und heilig Recht, das ich Dir net verkürz'n darf!«

Sie reichte ihm die Hand und ging. Er bog die Zweige, welche sich hinter ihr geschlossen hatten, wieder auseinander und blickte ihr heimlich nach. An der Ecke der Kirche wandte sie sich einmal um, willenlos und ohne Absicht, wie man von einem innern Impuls getrieben wird, der sich gegen jede Aufsicht sträubt. Er bemerkte es und sah mit einem stillen, innigen Lächeln vor sich nieder.

»Das ist also die Martha, von der die Eltern so viel Lieb's und Gut's erzähl'n! Ich hab' das All's gern geglaubt, doch nun ich sie geseh'n und gesproch'n hab', weiß ich, daß sie noch mehr und noch viel besser ist. So weit ich auch gewes'n bin, eine solche Schönheit mit solcher Herzenseig'nschaft gepaart, hab' ich net gesehn, und hier auf dem abgeschied'n Dorf hätt' ich's gar nimmermehr gesucht!«

Noch immer stand er und schaute nach der Ecke, hinter welcher sie verschwunden war.

»Und welch' einen Vater hat dies englische Gemüth! Wär ich ihr vorher begegnet, so hätt' er keine solche Lehr' erhalt'n, die gleich auf ein- für allemal berechnet war. Freilich etwas zu stark bin ich dabei gekommen, das mag sein, aber der Grimm über den Waldkönig war da, und den Vater, der so viel erduldet hat, laß ich net verhöhnen und net schlag'n. Wer das beginnt, darf net auf Nachsicht rechnen. Ja, sie hat Recht, ich bin sanft und freundlich, aber es gibt einen Punkt in mir, den man net anstoß'n darf, das ist die Lieb' zu Vater und Mutter und all den andern Meinen. Daher ist dem Waldkönig die größte Rach' geschwor'n, denn er hat den Punkt am Stärk'sten angefaßt. Ich weiß, daß ich ihn find', ich weiß, daß ich ihn ergreif', die Ahnung sagt es mir. Der Vater hat es falsch gemacht, denn er hat alle Welt wiss'n lass'n, daß er nach ihm jagt. Von mir aber soll's Niemand erfahr'n, was ich thu, selbst die Eltern net, denn sie würd'n große Sorg' und Angst um mich empfind'n, daß es mir so geht wie dem Franz, der nun hier unter dem Hügel liegt. Aber er ist net todt, er ist net gestorb'n, sondern er lebt noch; er ist wieder erwacht in mir und wird den Mordblender zur Vergeltung bringen!«

Er brach einen kleinen Zweig von dem Lebensbaum, der auf dem Grabe stand, und steckte ihn an den Hut.

»Das ist die Kokard', der ich dien'; sie kommt net eher von ihrem Platz herunter, als bis meine Aufgab' erfüllt ist!«

Er verließ den Kirchhof und ging nach Hause, wo das Mittagsmahl schon seiner wartete. Nach demselben verließ er den Hof wieder, um sich in den Wald zu begeben. Er brauchte einige Spannhölzer für die Wagen und hatte vom Förster den Auftrag erhalten, sich die passenden Eichen- oder Buchenstämmchen auszusuchen und zu bezeichnen.

Im Freien angekommen, schlug er unwillkürlich einen Umweg ein, um den Feldhof zu vermeiden, welcher eine Strecke vor dem Dorfe lag. Droben auf der Höhe, wo das Buschwerk begann, kamen ihm Schritte entgegen. Der Nahende war kein Andrer als der Feldbauer. Als er Frieder erkannte, blieb er mitten auf dem Pfade stehen. Sein Gesicht trug noch die vollständigen Spuren der Züchtigung, die er von dem Jüngling erhalten hatte. Sie entstellten ihn mehr als bis zur Häßlichkeit, so daß sein Wegbleiben von der Kirche gar nicht zu verwundern war. Es mußte eine sehr dringliche Angelegenheit sein, die ihn in den Wald geführt hatte.

»Weich aus, Bub',« kommandirte er; »heut geht's anders als vorher!«

»Ja, heut weich' ich aus, aber net weil Ihr's gebietet, sondern aus ganz andrem Grund.«

»Den Grund, den kennt man schon! Leut' unvermuthet überfall'n, das kann Jeder, aber wenn er off'n angeredet wird, da geht nur ein Lump und Feigling auf die Seit'.«

Frieder trat ruhig auf ihn zu, legte ihm die Hand schwer auf die Schulter und sah ihm mit blitzenden Augen in das blauroth angeschwollene Gesicht. Es lag dabei Etwas in ihm, was der Bauer[366] nicht zu definiren vermochte, ihn aber abhielt, den allerdings auch nur vielleicht beabsichtigten Kampf zu beginnen.

»Feldbauer, Ihr habt wohl kein Verständniß für noch andre und viel bess're Gründ', weg'n denen man einer Rauferei ausweicht. Und was den Lump und Feigling betrifft, so kann nur ein solcher es unternehmen, einem Blinden, der sich net zu wehr'n vermag, die Peitsch' anzubieten. Das muß ich Euch sag'n, und nun gehabt Euch wohl!«

Der Bauer schob die Tabakspfeife, welche er bisher im Mund behalten hatte, schnell in die Tasche und faßte ihn am Arme.

»Ihr habt noch mehr verdient als die Peitsch', Ihr alle Beid'. Nimm Dich nur in Acht, daß Du dem Waldkönig net auch in die Hand geräthst, sonst wirst mich gar nimmer lang mehr sehn. Hier hast' den Trumpf drauf!«

Er schlug mit der Faust nach dem Gesicht Frieders, dieser aber parirte den Hieb und faßte dann die beiden Arme des Gegners mit einer Gewalt, daß dieser einen Laut des Schmerzes ausstieß.

»Feldbauer, ich hab Euch schon gezeichnet, und Ihr wißt ganz genau, daß ich mich net vor Euch fürcht'. Darum werd' ich Euch aus dem Weg gehn, so gut ich kann, denn der Klügst' gibt nach. Erhebt Ihr aber den Arm nur noch ein einzig Mal geg'n mich, so schlag' ich hin, wo sich's gehört, und dann seid Ihr kaput!«[367]

Er ließ ihn los, um seinen Weg fortzusetzen. Die Ruhe des Waldes gab seiner Stimmung schon nach kurzer Zeit das verlorene Gleichgewicht wieder, und der Groll wich den freundlichen Regungen, welche die Begegnung mit Martha in ihm zurückgelassen hatte.

Den Blick nachdenklich zur Erde gesenkt, gewahrte er plötzlich eine Ringelnatter, welche sich quer über denselben schlängelte. Er folgte ihr zwischen die Büsche, um sie zu ergreifen, doch machte das hohe Haidekraut ihm dies so schwierig, daß sie ihm zwischen einigen Steinen entkam, welche einen jener Witterstöcke bilden, die man häufig in auf felsigem Boden stehenden Wäldern findet. Er hob den ziemlich schweren Granit in die Höhe und gewahrte – nicht die Natter, sondern einen Zettel, welcher auf dem plattgedrückten Boden lag. Auch ohne ihn aufzunehmen, konnte er deutlich die mit Bleistift geschriebenen Worte lesen: »Beim alten Stollen um 12.«

Was war das? Er untersuchte den seltsamen Fund. Das Papier war weiß und sauber, als käme es erst aus dem Laden, und da der Boden hier ziemlich feucht war, so konnte es nur seit erst kurzer Zeit hier liegen. Er brachte den Zettel an seinen Ort zurück, gab dem Steine genau die frühere Lage und warf dann einen forschenden Blick auf die Umgebung.

Nur einige Schritte von ihm entfernt hatte der Stößer eine Taube zerrissen, die Federn lagen auf dem Boden zerstreut und einige von ihnen in der unmittelbaren Nähe des Steines. Diese Letzteren waren im Gebrauch gewesen, wie sich gleich beim ersten Blicke zeigte: es hatte Jemand die Tabakspfeife mit ihnen gereinigt, wie sich aus dem Geruche erkennen ließ.

»Der Feldbauer!« stieg es in Frieder auf, und sofort folgte eine andere Ahnung, die ihm das Blut in die Schläfen trieb, so daß er es dort vernehmbar pulsiren fühlte. »Nimm Dich nur in Acht, daß Du dem Waldkönig net auch in die Hand geräthst, sonst wirst mich gar nimmer lang mehr sehn,« klang es ihm auf einmal wieder in das Ohr und – – –

Er hatte keine Zeit, den Gedanken auszudenken; ein leises Rascheln ließ sich aus der Richtung des Pfades her vernehmen, und er hatte kaum Zeit, sich unter einem jungen Tannenwuchs zu verbergen, so trat ein Mann zwischen den Büschen hervor, hob den Stein ein wenig, warf einen Blick auf den Zettel und verschwand dann so schnell, wie er gekommen war.

»Es ist so, wie ich dacht',« flüsterte Frieder in höchster Erregung. »Der König hat den Bestellort hier. Ich bleib da und wart', wer kommt!«

Er versteckte sich so unter dem dichten Tannicht, daß er nicht bemerkt werden, aber selbst den Stein und seine Umgebung genau überblicken konnte. Er brauchte nicht lange zu warten, denn schon nach Kurzem wiederholte sich dieselbe Scene, und nach Verlauf von einigen Stunden hatte er neunzehn Personen gezählt, welche den Stein entfernt und den Zettel gelesen hatten. Die Meisten waren ihm fremd; aus seinem Dorfe befanden sich nur Einige darunter, und diese Wenigen waren sämmtlich als mißtrauenerregende Charaktere bekannt. Zwischen dem Erscheinen der Einzelnen lagen fast regelmäßig zehn Minuten, und nicht ein einziges Mal geschah es, daß Zwei zugleich erschienen, auch kamen und gingen sie nicht aus und nach derselben Richtung, sondern diese Richtung wurde immer rundum nach den Himmelsgegenden eingehalten. Die Leute waren[379] allem Anscheine nach höchst pünktlich und wohl disziplinirt, und der ganze Modus schien darauf berechnet zu sein, ein Zusammentreffen streng zwischen ihnen zu vermeiden, damit nicht Einer den Andern erkenne.

Aus Besorgniß, sich zu verrathen, verließ Frieder sein Versteck nicht eher, als bis die Dämmerung hereingebrochen war. Dann schlich er sich mit unhörbaren Bewegungen fort und erreichte unter Anwendung der größten Vorsicht das offene Feld.

Zu Hause angekommen theilte er den Eltern nicht das Mindeste von der Entdeckung mit, zu welcher ihn die unschuldige Ringelnatter geführt hatte. Er suchte so gleichgiltig wie möglich zu erscheinen und ging nach dem Abendessen, um jede Gelegenheit zu einem verräterischen Worte zu vermeiden, in die Schenke, aus welcher er erst nach einigen Stunden heimkehrte.

Eben wollte er die Pforte öffnen, als diese von innen aufgezogen wurde.

»Gut' Nacht, Bachbäu'rin!« hörte er grüßen.

»Gut' Nacht, Marthe. Laß Dich ja bald wieder blick'n!«

Das Mädchen trat auf die Straße und blieb hier stehen, trotzdem die Pforte sich hinter ihr geschlossen hatte. Sie wandte ihr Gesicht das Dorf hinauf, grad wie Jemand, der zwar Niemand erwartet, aber durch einen geheimnißvollen Rapport immer in der Richtung des Gegenstandes seiner Gedanken gehalten wird.

»Martha!« erklang es da neben ihr; »erwart'st Wen hier auf der Straß'?«

»Frieder! Wie hast' mich doch erschreckt!«

»Warst' bei den Eltern drin?«

»Ja. Nun siehst', daß ich bereits angefangen hab', die Furcht vor Dir zu überwind'n!«

»Wird's auch vollständig gelingen?«

»Das kommt nicht blos auf mich, sondern noch vielmehr auf Dich an.«

»Wie so?«

»Das kannst' Dir wohl net denk'n?«

»Vielleicht! hör', Martha, ich werd' immer so zu Dir sein, daß die Furcht völlig verschwindet. Darf ich?«

»Ja.«

»Und kommst' bald wieder her?«

»Sobald ich Zeit dazu find'.«

»Das machst' sehr recht. Nun gut' Nacht, Martha!«

»Gut' Nacht? Hast wohl sehr eilig?«

»Nein; aber ich mag Dich net gern stör'n.«

»Mich stör'n? Worin?«

»Hast' net vorhin den Schatz erwartet?«

»Frieder!«

»Oder bist' allein im Dorf?«

»Ja, ganz allein, heut und all'zeit. Ich hab' Niemand gesucht und also auch Niemand gefund'n, zu dem ich gehn und mit ihm plaudern möcht, als nur Deine Eltern Frieder. Willst' das glauben?«

»Dir glaub ich All's, und wenn es noch so unglaublich klingt! Darf ich mitgeh'n bis hinaus zum Feldhof?«

»Ja.«

»So komm!«

Sie schritten neben einander und ohne sich zu berühren oder ein Wort zu sprechen, dem Hofe zu. Es war Beiden genug, daß sie bei einander waren. Er konnte nicht ablassen, wieder und immer wieder in ihr schönes Angesicht zu blicken, welches im Mondlicht so zart und feenhaft aus der leichten Hülle blickte, die sie um den Kopf geschlungen hatte. Und sie konnte, wenngleich verstohlen, kein Auge verwenden von der mannhaften Gestalt, welche sich mit so rüstigen und zugleich eleganten Bewegungen an ihrer Seite hielt. Es war ihr, als könne sie so mit ihm gehen fort und immerfort, von einem Ort, von einem Erdtheile zum andern, weit über die Erde hinaus bis in den Himmel hinein, der mit ihm doppelte Seligkeit bieten müsse.

Unweit des Feldhofes blieben sie unter dem Schatten der Erlen, welche die Ufer des Baches bestanden, stehen.

»Hat Dein Vater net gefragt, wohin du gehst, Martha?«

»Nein. Er geht des Abends stets punkt Acht zur Ruh und schläft dann so fest und gern, daß er auch in der dringendsten Sach' net geweckt werd'n darf. Drum weiß er net, ob ich bleib' oder geh'.«

»Aber die Mutter darf's wiss'n?«

»Ja, und sie hat ihre Freud' daran, wenn ich sag', ich geh zu Euch. Sie hat die Dein'ge nur wenig getroff'n, aber sie hält gar große Stück' auf sie und kann gar net begreif'n, warum der Vater so groß'n Haß auf Euch geworf'n hat.«

»Das kannst' erfahr'n: Er hat meine Mutter net bekommen und kann darum sie und den Vater net leid'n. Ich bin ihm heut im Wald begegnet, und er hat mich verschimpft und mit mir raufen woll'n.«

»Hast' mitgethan, Frieder?« frug sie mit ängstlicher Schnelle.

»Nein. Ich hab' an Dich gedacht, den Schlag abgewehrt und bin dann fortgeeilt.«

»Frieder, willst' mir 'was versprech'n?«

»Ja, wenn sich's mit meiner Ehr' verträgt.«

»Bitt', geh ihm aus dem Weg; thu mir's zu lieb!«

»Ich werd's thun; das hab' ich um Deinetwill'n ihm heut schon gesagt. Ich kann mir denk'n, daß Ihr gar Viel zu erduld'n habt, und will Euch net noch größern Gram bereit'n.«

»Ach ja, Frieder, wenn Du wüßtest, wie der Vater ist! So hart, so finster, so ganz ohne Herz und Gemüth! Ich sag' nur wenig, und das Wen'ge sogar würd' ich verschweig'n, wenn's mein rechter Vater wär. Ich war noch jung, kaum aus der Schul', als er kam und die Mutter zur Frau begehrt'. Ich konnt ihn net ersehn und meinen todt'n Vater net vergess'n; darum hab ich geweint und gefleht, aber es hat nix geholf'n, denn der Oheim hat die Mutter gezwungen, ja zu sag'n.«

»Gezwung'n? hat er das Recht und die Macht dazu?«

»Das Recht wohl net, aber die Macht. Er ist ein großer Kaufmann drüb'n über der Grenz', und der Feldbauer ist oft kommen und hat große Rechnung mit ihm gehabt und viel Geld von ihm empfangen. Wir hab'n seit dem Tode des Vaters bei ihm gewohnt und ich bin grad' wie das Kind gewes'n, bis mich der Bauer fragt', ob ich nun auch 'mal seine Tochter sein möcht'. Ich hab' mich gesträubt und die Mutter auch, der Oheim aber hat gemeint, er geh' zu Grund', wenn sie's net thu'. Der Bauer hat ihn in der Hand gehabt, weshalb, das weiß ich heut noch net, und um den Oheim zu errett'n, ist sie endlich mitgegangen. Jetzt nun hat sie nix als Gram und Thränen, und ich bin so angst, daß sie's net verwind'n kann. Frieder, ich hab in meinem ganzen Leb'n noch niemals Wem ein Leid gethan, aber den Vater, den Feldbauer, den – den – den hass' ich; ja ich hass' ihn, denn er kommt mir net anders vor als wie der böse Geist, dem die Mutter und ich verschrieb'n sind, damit er uns statt Glück und Fried'n nur Gram und Qual bereit'!«

Sie gab sich ihren so lang zurückgehaltenen Gefühlen hin und merkte kaum, daß sie offener sprach, als es vorher ihre Absicht gewesen war. Ihre Worte hatten für Frieder einen geradezu kostbaren Werth, auch abgesehen von dem rückhaltslosen Vertrauen zu ihm, welches sie so deutlich bekundeten. Er ließ sie aussprechen, dann versuchte er den besten Trost, den er einem Charakter wie dem ihrigen zu geben vermochte.

»Weißt', Martha, daß auch die bösest' Sach' eine gute Seit' besitzt?«

»So wird gesagt, Frieder, aber bitt', such' mir die gute Seit'!«

»Die seh' ich ganz genau; sie steht vor mir.«

Sie blickte ihn fragend an.

»Wie so?«

»Du bist's ja selber! Schau, wenn ein großes Leid ins Herz herniedersteigt, so bleibts net leer und hohl, sondern es wächst in der Seel' ein Kristall nach dem andern und leuchtet hinauf und hinaus. Es sprieß'n tausend Blumen auf, die net verwelk'n und vergeh'n; aus jede Thrän' wird eine Perl, und jeder Pulsschlag wirft einen Diamant hervor. Der Pflug der Leid'n thut dem Acker weh, aber die Ernt' ist unsagbar reich und köstlich. Sie wächst und reift verborg'n und tritt zu Tag', wenn die Lieb' beginnt, den Strahl auf sie zu werf'n. Wer solch ein Herz besitz'n darf, der gibt's net hin für Millionen, denn jeder Blick, den es durch's Auge wirft, jedes Wort, das es durch die Lippen spricht, und jede That, die es mit der Hand beginnt, ist fromm und rein wie der Gedank', der in ihm wohnt. Da ist net eine Spur von Falschheit, Trug und Täuschung, da gibt es nix von Tand und Flitterwerk, das nur die Leerheit deckt und zur Verachtung führt, sondern All's ist echt und wahr und lauter. Gib mir dies Herz oder all'n Reichthum, alle Macht und Ehr' der Welt, ich nehm' es fest und laß mirs nimmer rauben. Auch bei Dir ist das Leid früh eingekehrt, und Du hast bisher nur die schlimme Seit' erkannt; ich aber sah die reiche Ernt' schon kommen und preis' unendlich glücklich den, dess' Aug' den Sonnenstrahl Dir spend'n darf!«

»Frieder!«

Sie sprach nur dies eine Wort, aber der Athemzug, der es durch ihre Lippen trug, kam aus der tiefsten Tiefe ihres Innern und klang so voll und lang, als wolle er ihm ihre ganze Seele entgegenhauchen. Sie legte ihr tief gesenktes Köpfchen an den nahen Erlenstamm. Er sah es nicht, er hörte es nicht, nur sein Herz sagte ihm, daß sie weine. Das war jene stille, innerliche Weise, in der sie auch den häuslichen Kummer so lange Zeit hindurch[380] getragen hatte. Er ließ sie gewähren, bis sie das Köpfchen hob und ihm langsam die Hand entgegenstreckte.

»Leb wohl, Frieder. Ich darf net wieder zu Euch kommen!«

»Warum net?«

»Ich bin so klein, so gar nix werth; die Perl' und der Demant ist mir versagt!«

»Denkst' wirklich?«

»Ja, wahrhaftig!«

Da zog es ihm mit Macht die Hände empor, die er segnend auf ihr Haupt legte.

»O, bleib so klein und gering, dann bist' so groß und herrlich! Aber wiederkommen mußt', sonst weiß ich net, was ich beginn'. Willst', Martha?«

Der Ton dieser Bitte klang so unwiderstehlich und ihr eigenes Herz mahnte so dringlich; sie nickte zustimmend.

»Wenn Du gebiet'st, so muß ich folg'n, Frieder. Gut' Nacht!«

»Gut' Nacht!« –

Als er nach Hause kam, empfing ihn die Mutter mit sanftem Vorwurf.

»Warum kommst' so spät, Frieder? Die Marthe war da; 'konnt'st auch 'mal mit ihr sprech'n!«

»Laß gut sein, Mutter; sie wird Euch schon wieder besuch'n. Dann bleib ich zu Haus'.«

Sie gingen schlafen. Frieder wartete, bis es im Hause ruhig war, dann nahm er aus dem Sekretär ein Etui, in welchem ein Revolver lag. Er lud ihn vorsichtig und steckte ihn dann zu sich.

»Die Büchs' paßt net zu solchem Gang, das lehrt die Geschicht' mit dem Vater. Ich nehm' hier diese Waff'; sie ist leicht zu führ'n und wird mich net verlass'n, wenn ich sie brauchen muß. O Martha, was bist' doch für ein armes, armes Kind! Ich glaub', wenn der Zweig von meinem Hut herunter ist, so hast' den Vater verlor'n. Aber sie soll nimmer erfahr'n, daß sie ihn selber verrath'n hat. Wie kommt der Feldbauer zu der Rechnung mit dem Kaufmann drüb'n und zu dem vielen Geld? Wie ist derselbe in seine Händ, gerath'n, daß er ihm sogar die Schwäg'rin und die Nicht' verkauf'n muß? Warum geht der Bauer stets punkt Acht schlafen und ist dann selbst im Nothfall net zu sprech'n? Feldbauer, ich geh Dir aus dem Weg, aber den Waldkönig, den darf und muß ich such'n; hab Acht, daß ich net Dich dabei ertapp'! Wärst' besser mit der Frau und mit dem Kind, so könnt'st vielleicht noch Gnad erhalt'n trotz dem blinden Vater; so aber hast' die Nachsicht ganz verscherzt und magst uns erlös'n von der Rach' und die Deinen von dem Unheil das Du über sie gebracht hast!«

Er verließ leise den Hof und schritt dem Walde in der Richtung des alten Stollen zu. Im freien Felde benutzte er jeden Strauch und jede andere Gelegenheit zur Deckung, um nicht gesehen zu werden, und im Forste spannte er seine Sinne auf das Höchste an, jede Begegnung zu vermeiden. Beim leisesten Geräusch trat er hinter einen Stamm, bis er die Ueberzeugung hegte, daß er ohne Sorge weiter gehen könne. So kam er nur langsam vorwärts, und es war bereits Mitternacht, als er die Taubgesteinshalde erreichte, auf deren Plateau der Stollen gemündet hatte.

Diese Mündung war verbaut und verschüttet worden und so dicht von Gebüsch und Dornzeug umwachsen, daß ohne Säge oder Axt unmöglich zu ihr zu gelangen war.

»Hier sind sie net. Sie brauch'n ein Versteck; das ist der Stoll'n, und weil sie hier net hineingelangen können, so muß der Eingang weiter ob'n sein!«

Er folgte der Richtung des unterirdischen Ganges und kam an eine Stelle, wo die Decke desselben eingebrochen war. Die dadurch entstandene trichterförmige Vertiefung war ihm von früher sehr wohl bekannt, und er wußte ganz genau, daß das nachgestürzte Land keine in den Stollen führende Oeffnung frei gelassen hatte. Doch war keine Stelle so wie diese zum Versteck geeignet, und die menschliche Hand konnte ja nachgeholfen haben, um dasselbe so sicher wie möglich zu machen.

Um den Rand des Trichters zog sich ein üppiges Hasel- und Pulverholzgesträuch, in welches er sich verbarg. Es war die höchste Zeit gewesen, denn kaum hatte er sich am Boden in eine bequeme Lage gebracht, so raschelte es ihm gegenüber und eine Gestalt trat[381] aus dem Dickicht, deren Gesicht mit einer dunkeln Maske verhüllt war. Nachdem sie die Umgebung aufmerksam gemustert hatte, stieg sie die steile Böschung hinab und verschwand in dem unten herrschenden Dunkel, welches der seitwärts über den Bäumen stehende Mond nicht zu erhellen vermochte. Ihr folgte bald eine zweite, eine dritte, und es konnte noch nicht ein Uhr geschlagen haben, so hatte er wieder Neunzehn gezählt wie am Nachmittage.

Jetzt herrschte eine Weile tiefe Stille ringsumher; dann begann es sich unten wieder zu regen; Einer nach dem Andern stiegen die Männer aus dem Dunkel empor, der Erste als Führer und Lauscher ohne Last, die Andern aber alle mit schweren Paketen beladen, den Knotenstock in der Faust, das Messer an der Seite und die Büchse nach vorn über den Nacken gehängt. Nur einen Augenblick lang blitzte hinter dem Letzten ein Lichtstrahl auf, welcher aus dem Stollen kam, dann war es wieder finster.

Als die Schritte der Schmuggler verschollen waren, erhob sich Frieder. Er hatte für heut genug gesehen und mußte für jetzt von allem Weiteren absehen, da die Untersuchung des Trichters nur am Tage vorgenommen werden konnte.

»Waldkönig, Deine Herrschaft neigt sich zum End'. Dein größter Find ist hinter Dir her, und Du entgehst ihm net, denn der Zweig am Hut bringt ihm Glück und Schutz!«

Dieselbe Vorsicht wie vorher anwendend, kehrte er in das Dorf und zum Bachhof zurück. – – –

Quelle:
Der Waldkönig. Eine Erzählung aus dem Erzgebirge von Karl May. In: All-Deutschland! 3. Jg. 1879. Heft 11–16. Stuttgart (1879). Nr. 24, S. 379-382.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Waldkönig
Der Waldkönig - Erzählungen aus den Jahren 1879 und 1880 (Reprint der Karl-May-Gesellschaft)

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon