Das heilige Feuer

[9] Auf das Feuer mit dem goldnen Strahle

Heftet sich in tiefer Mitternacht

Schlummerlos das Auge der Vestale,

Die der Göttin ewig Licht bewacht.


Wenn sie schlummerte, wenn sie entschliefe,

Wenn erstürbe die versäumte Glut,

Eingesargt in Glut, und Grabestiefe

Würde sie, wo Staub und Moder ruht.


Eine Flamme zittert mir im Busen,

Lodert warm zu jeder Zeit und Frist,

Die, entzündet durch den Hauch der Musen,

Ihnen ein beständig Opfer ist.
[9]

Und ich hüte sie mit heilger Scheue,

Daß sie brenne rein und ungekränkt;

Denn ich weiß, es wird der ungetreue

Wächter lebend in die Gruft versenkt.


Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 9-10.
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