Eilfter Gesang.
Das Jahr 1812.

[248] Frühlingsbotschaft.1 – Einmarsch der Armeen. – Gottesdienst. – Amtliche Rehabilitation des seligen Jacek Soplica. – Gervasius' und Protasius' Gespräche deuten auf eine baldige Beendigung des Processes hin. – Der Uhlane mit seinem Mädchen. – Entscheidung des Streites wegen Mutz und Falk. – So versammeln sich denn die Gäste zum Festmahl. – Die verlobten Paare werden den Feldherrn vorgestellt.


Du Jahr! wer dich gesehen einst in uns'rem Land!

Du wirst noch heut' vom Volk das Erntejahr genannt.

Und vom Soldaten das Kriegsjahr; die Mähr' der Alten erneut

Dich gern noch jetzt; das Lied, es singt von dir noch heut'.

Längst warst du durch ein Wunder des Himmels kundgethan,

Und ein dumpf Gerücht ging dir im Volk voran.

Die Lithauer überkam, sobald sich dein Lenz erhellt,

Ein seltsam dunkles Ahnen, wie vor dem Ende der Welt,

Irgend eine Erwartung, so bang und doch so lieb.


Als man zum ersten Mal das Vieh auf die Weide trieb,

Sah man, daß es, obgleich verhungert und abgezehrt,

Sich an die Wintersaat, die grünende, nicht gekehrt:

Es hat sich nur hingelegt, den Kopf geneigt, und laut

Gebrüllt, – oder am Rest des Winterfutters gekaut.


Die Bauern auch, die pflügend das Frühlingsfeld durchzieh'n,

Sie freuen sich nicht, wie sonst, daß endlich der Winter dahin;[249]

Sie singen keine Lieder, arbeiten matt und träge,

Als wenn ihnen Saat und Ernte gar nicht im Sinne läge;

Halten die Ochsen und Klepper beim Eggen immer zurück,

Und schauen nach Westen hin, schauernd, mit bangem Blick,

Als zöge aus jener Ferne irgend ein Wunder daher –

Und bangend sehen sie der Vögel Wiederkehr.


Denn schon kam der Storch zur heimischen Fichte wieder,

Entfaltet das Heroldsbanner des Frühlings: sein weiß Gefieder;

Ihm folgen die Schwalben, fliegen schreiend durch die Räume,

Besetzen in langen Schaaren der Wasser Ufersäume,

Und graben aus starrer Scholle Klümpchen für's Nest. – Im düstern

Gebüsche hört man Abends Waldschnepfenzüge flüstern,

Sieht wilde Gänse brausend über dem Walde schwärmen,

Dann matt auf's Futter stürzen unter lautem Lärmen.

Aus dunkler Himmelstiefe tönt immer der Kraniche Klagen, –

Die Wächter der Nacht vernehmen's, da schauern sie und fragen:

Was brach denn für ein Tumult im fliegenden Reiche aus?

Was für ein Sturmwind treibt so früh die Vögel hinaus?


Da siehe: neue Schaaren! Brachvögel, scheint es, Finken,

Gimpel und Staare: Schwärme von Büschen und Fähnlein blinken

Hell auf den Höhen ringsum, – jetzt stürzen sie in's Gefilde:

Reiter! – Die Trachten! die Waffen! Seltsam neue Gebilde!

Heerschaar auf Heerschaar – inmitten strömen durch alle Straßen,

Wie geschmolzener Schnee, erzstarrende Heeresmassen –

Schwarz wimmelt der Wald von Mützen, die Bajonnete glänzen, –

Und Fußvolk, wie Ameisen, ohne Zahl und Grenzen!


Alles nach Norden! Als käme mit den Vögeln zugleich

Das Volk auch her zu uns, aus fernem Sonnenreich,

Von dunklem Trieb gedrängt, von unbegreiflicher Macht!


Rosse, Menschen, Kanonen, Adler – Tag und Nacht

Strömt's hin! Am Himmel hie und da ein Feuerschein,

Die Erde bebt – zur Rechten, zur Linken blitzt es drein![250]

Krieg! Krieg! Kein Winkel in Lithauen, wohin sein Donner nicht schallt!

Der Bauer, der da nistet im finstern, wilden Wald,

Deß Ahnen und Eltern hier geboren sind und begraben,

Ohn' über die Grenzen des Waldes hinausgeblickt zu haben,

Dem keine andern Stimmen Himmel und Erde erfüllen,

Als droben der Stürme Toben und drunten der Bestien Brüllen,

Der keine Gäste außer den Waldgenossen gekannt:

Jetzt sieht er den Himmel glüh'n von wundersamem Brand, –

Es kracht im Wald – was war's? die Kugel von einem Geschütz,

Vom Schlachtfeld verirrt: im Dickicht bricht sie sich Bahn, wie der Blitz,

Äste und Stämme zerschmetternd. Der Graubart Ur, betäubt

Erzittert er im Moos, – die lange Mähne gesträubt,

Erhebt er sich auf den Vordertatzen – schüttelt den Bart,

Staunt, welche Glut er plötzlich zwischen den Klötzen gewahrt:

Eine verirrte Granate wirbelt dahin in den Forsten –

Braust, pfeift – und, wie ein Donner krachend, ist sie geborsten!

Der Ur erschrickt – zum ersten Male, seit er lebt,

Und flieht dahin, wo tiefstes Dickicht ihn begräbt.


Kampf! – Wo denn? fragt der Jüngling; fort will er in's Getümmel,

Greift zur Waffe; – die Frauen erheben die Hände zum Himmel,

Und weinend rufen sie, Alle des Sieges sicher schon:

»Mit Napoleon Gott – mit uns Napoleon!«


O Frühling! Wer dich bei uns geseh'n in jener Zeit!

Denkwürdiger Frühling des Krieges, Frühling der Fruchtbarkeit!

O Frühling, wer dich gesehen, voll üppiger Blüthen hangend,

Voll Garben und Grün – und hell von Menschenschaaren prangend,

Reich an Begebenheiten, voll Hoffnungen im Schoos!

Du stehst vor mir noch heut', du Traumbild, schön und groß!

In Knechtschaft geboren, als Säugling schon in Ketten gebannt,

Hab' ich im Leben nur Einen solchen Frühling gekannt!


Soplicowo war hart am großen Fahrweg gelegen,

Auf dem sich die beiden Feldherrn vom Niemen herbewegen:[251]

Prinz Joseph und der König von Westphalen, Jerôme. –

Schon ist von Grodno bis Slonim Lithau'n vom Heeresstrom

Bedeckt: da wird vom König dreitägige Rast befohlen.

Aber, trotz der Erschöpfung, beklagen sich die Polen,

Hier säumen zu müssen; sie möchten Zeit und Weg verkürzen,

Um sich, so rasch wie möglich, auf die Russen zu stürzen.


Der Stab des Prinzen hielt im nahen Städtchen an.

In Soplicowo lagern vierzigtausend Mann,

Und, Jeder mit seinem Stab, die Generale Dombrowski,

Kniaziewiez, Malachowski, Giedrojc und Grabowski.


Spät war's, als sie gekommen; so nimmt denn Jedermann

Quartier im Schloß, im Haus, – wo Einer eben kann.

Nachdem die Wachen bezogen und alle Befehle ertheilt,

War Alles, müd' vom Marsch, zur Ruh' in die Zimmer geeilt.

Nacht wird's – und Alles ruht: Haus, Lager und Gefilde;

Die Patrouillen nur streifen, wie irrende Schattengebilde,

Glimmende Lagerfeuer blinken da und dort,

Und die Reihen der Posten rufen das Losungswort.


Alles schläft: der Hausherr, die Feldherrn, die Soldaten.

Nur der Wojski muß des süßen Schlafs entrathen.

Denn für morgen will er ein Festmahl vorbereiten,

Das soll den Ruhm der Soplica's begründen für ewige Zeiten.

Ein Festmahl, würdig der theuern, längstersehnten Gäste,

Entsprechend zugleich des Tages hochfeierlichem Feste,

Denn morgen ist Kirchenfeiertag und Familienfeier,

Verloben sich doch morgen drei Damen und drei Freier. –

Dombrowski aber hatte ein polnisches Mahl begehrt.


Der Wojski steht als Meister mit fünf Köchen am Heerd,

Die warb er in letzter Stunde von den Nachbarn an.

Als Koch hat er ein weißes Vortuch umgethan,

Dazu eine Schlafmütze über den Kopf gezogen,

Die Ärmel heraufgeschürzt bis an die Ellenbogen.

Auch seine Fliegenklappe hält er in der Hand,[252]

Mit der er gierig Geschmeiß vom Leckerbissen bannt,

Setzt' mit der Linken auf das saubere Augenglas,

Zog ein Buch aus dem Busen, enthüllt's, schlug's auf und las.


Das Buch heißt: »Der vollkommene Koch«2 – und es enthält

Die polnischen Specialitäten, ausführlich dargestellt.

Der Graf zu Tenczyn gab darnach in früherer Zeit

In Welschland jene Bankette, von deren Herrlichkeit

Papst Urban der Achte mit Bewunderung sprach.3

Karl Radziwill-Herzbruder gab ebenfalls darnach

Zu Ehren seines Gastes, des Königs Stanislaus,

In Nieswiez jenen vielbesprochenen großen Schmaus,

Den heute noch die Sage des Lithauer Volkes preist.


Was nun der Wojski herausliest, erfaßt und machen heißt,

Das vollbringen sofort die Köche mit kundigem Geist.

Wie fliegt die Arbeit! Von fünfzig Messern tönt der Tisch,

Schwarz, wie die Teufel, tummeln sich die Jungen frisch,

Die bringen Holz herbei, die Kübel mit Milch und Wein,

Gleich strömt's in Kasserolen, Pfannen und Töpfe hinein,

Aufwallt der Dampf; zwei Jungen sitzen am Feuer und rühren

Die Glut mit Bälgen auf; man gießt, sie noch mehr zu schüren,

Auf Wojski's Befehl, geschmolzene Butter drüber aus –

Ein erlaubter Luxus in vermögendem Haus. –

Die Küchenjungen werfen dürres Reisig in's Feuer,

Man steckt an die Spieße Braten, mächtig, ungeheuer,

Rindfleisch und Eberrücken, Ziemer von Hirschen und Rehen;

Dort rupft man Haufen Geflügel, daß rings die Federn wehen,

Birkhähne, Auerhähne; auch Hennen wohl, – obschon

Nicht viele: denn seit jener Expedition,

Die Sack Dobrzynski beim Einritt gegen sie unternommen,

War ja Soschja's ganze Wirthschaft umgekommen;

Nicht für ein Medicament ließ Sack auch nur ein Stück!

Seitdem kehrte die Blüthe der Vögel nicht zurück:

Und einst war Soplicowo an Federvieh unvergleichlich! –

Fleischsorten aller Art gab es im Übrigen reichlich:

Alles war ausgenützt: Fleischbänke, Wälder und Haus,[253]

Die Nachbarn, nah' und fern; – fürwahr, von solchem Schmaus

Ließ sich sagen: es blieb nur die Milch der Vögel aus.

Zwei Dinge, die bei gastlichen Hausherrn stets in Gunst,

Verbinden sich bei den Soplica's: die Fülle und die Kunst.


Mariä Verkündigung, der festliche Tag, erstand:

Es war ein herrlicher Morgen. Rings um der Erde Rand

Schloß sich der reine Himmel, wie ein hangendes Meer,

Tief eingewölbt, still ruhend. Aus seiner Tiefe her

Glänzen noch einige Sterne, wie Perlen vom Meeresgrund;

Auffliegt ein weißes Wölkchen einsam am Himmelsrund,

Taucht seine Flügel in's Blau, den schwindenden Fittigen gleich

Des Schutzengels, der, festgehalten im irdischen Reich

Von nächtlichem Menschengebet, zu lange unten geweilt,

Und nun zurück zu seinen Himmelsbrüdern eilt.


Die letzten Sterne verschwanden – erloschen im Äthergrund,

Und mitten auf der Stirne erblaßt das Himmelsrund.

Die rechte Schläfe, die auf dem Schattenpfühl geruht,

Ist noch gebräunt, die linke erröthet in wachsender Glut;

Darüber erschließt sich der Umkreis, wie ein breites Lid,

Daß man das Weiße des Auges in der Mitte sieht,

Augapfel sieht man und Iris: und aus der Wimpern Kranze

Schießt nun der Strahl, umschwingt die Wölbung in blitzendem Glanze,

Und bleibt in der Wolke hangen wie eine goldne Lanze.

Auf diesen Schuß, dieses Zeichen, bricht Feuer aus dem Raum,

Es kreuzen sich tausend Raketen von einem zum andern Saum:

Und das Auge der Sonne geht aus! Noch schlummertrunken blickt es,

Blinzelt, zittert, mit den strahlenden Wimpern nickt es,

In sieben Farben zugleich erglänzt's im blauen Reich,

Saphirfarben, rubinroth und topasgelb zugleich,

Bis es nun durchsichtig, krystallgleich weithin loht,

Hell wird's, wie ein Brillant, zum Schlusse feuerroth,

Groß wie der Mond, den Raum durchflimmernd wie die Sterne:

So zieht die einsame Sonne durch die unendliche Ferne.


Heut' hat sich das Volk von Lithauen noch vor Tageshelle

Aus allen Dörfern im Umkreis versammelt bei der Kapelle,[254]

Als würd' ihm heute irgend ein neues Wunder kund.

Theils war es Frömmigkeit, – doch war auch mit ein Grund

Die Neugier: Nach Soplicowo, das haben Alle vernommen,

Sollen die Generale heut' zur Andacht kommen,

Jene berühmten Führer der polnischen Legionen,

Deren Namen sie kannten und ehrten gleich Schutzpatronen,

Deren Elend und Irren, deren Züge und Schlachten,

Sie als das Evangelium des Lithauer Volks betrachten.


Schon sind ein paar Officiere und viele Soldaten da.

Das Volk umrang sie und schaute, kaum glaubt' es, was es sah:

Landsleute in Monturen! Erstaunt betrachtet man Jeden:

Frei sind sie! und in Waffen! man hört sie polnisch reden!


Die Messe beginnt; nicht faßt das ganze Menschengewimmel

Die kleine Kapelle. Das Volk kniet unter freiem Himmel,

Entblößten Haupts blickt Alles in die Thür der Kapelle.

Das Haar der Lithauer, blond oder weiß: in gold'ner Helle

Erblinkt's nun, wie ein Ährenfeld im Sommerflor.

Es blüht auch manch geschmückter Mädchenkopf hervor,

Mit Pfauenaugen und Blumen geputzt, – als Schmuck der Zöpfe

Wallen Bänder herab: inmitten der Männerköpfe

Wie Radnelken im Korn, wie der Cyanen Blau.

Die bunte knieende Schaar bedeckt die grüne Au,

Und alle Köpfe neigen sich bei des Glöckleins Schallen,

Wie von des Windes Wehen die Ähren niederwallen.


Heut' bringen die Bäuerinnen an der Jungfrau Altar

Die erste Gabe des Frühlings, frische Sträußchen, dar.

Alles ringsum verzieren Bouquets und Kränzchen und Bänder:

Das Bild und den Altar, selbst Glockenthurm und Geländer.

Zuweilen fühlt man ein Lüftchen, das her vom Osten geht,

Die Blumen abreißt und auf's Haupt der Knieenden sät,

Und wie aus dem Weihrauchkessel Düfte herüberweht.


Und als in der Kirche Messe und Predigt zu Ende war,

Trat heraus, an der Spitze der ganzen versammelten Schaar[255]

Der Kämmerer, – seit Kurzem Marschall der Conföderirten,4

Zu dem ihn die Stände des Kreises einstimmig proclamirten.

Er trägt Wojewoden-Ornat: den Zupan, in Gold gestickt,

Den Kontusz aus Gros-de-Tours, mit Fransen und Gürtel geschmückt,

Die Karabelle, – der Knauf belegt mit Schlangenfell;

Am Halse eine brillantne Nadel, groß und hell;

Die weiße Conföderatka schmückt ein Busch von theuern

Kleinen Federn, lauter Schöpfe von weißen Reihern; –

Büsche wie dieser gehören nur zu Festornaten,

Jedes einzelne Federchen kostet einen Dukaten. –

Auf einen Hügel steigt er, ihn umdrängen dicht

Die Bauern und Soldaten; er beginnt und spricht:


»Brüder! der Priester verkündete euch von der Kanzel soeben

Die Freiheit, die der Kaiser der Krone wiedergegeben,

Und jetzt dem Fürstenthum Lithauen und der ganzen Nation

Wiedergiebt; auch der Regierung Beschlüsse vernahmt ihr schon,

Und die den großen Reichstag berufende Proclamation.

Ich habe nur einige Worte an das Volk zu richten,

Um etwas betreffs der Familie der Soplica's zu schlichten,

Der hiesigen Herren.


Hier weiß gewiß noch alle Welt,

Was da der selige Jacek Soplica angestellt.

Wißt ihr aber Alle von seinem sündigen Treiben,

Sie mögen auch seine Verdienste nicht länger verborgen bleiben.

Anwesend sind allhier die Führer unsrer Heere,

Von denen ich Alles gehört, was ich euch nun erkläre.

Dieser Jacek starb nicht in Rom, wie man erzählt,

Er hat nur andres Leben und Namen und Stand erwählt,

Und was er an Gott und Heimat Böses je vollbracht,

Durch heiligen Wandel und große Thaten gut gemacht.


Als bei Hohenlinden Richepanse5 nach großem Verluste

Sich schon zum Rückzug entschlossen, weil er gar nicht wußte,

Daß Kniaziewicz herannaht, um ihm Entsatz zu bringen:

Hat Jacek, Robak genannt, ihm mitten durch Speere und Klingen[256]

Von Kniaziewicz Briefe des Inhalts zugestellt,

Daß unser Heer dem Feinde in den Rücken fällt.

Er hat dann, als die Unsern nach Spanien gekommen,

Als uns're Uhlanen die Schanzen von Sommosierra genommen,6

An Kozietulski's Seite im Feld zwei Wunden bekommen;

Ist dann mit geheimen Befehlen als Emissär gereist,

Um aller Orten zu forschen in der Menschen Geist,

Sie zu sammeln, zu einen in geheimem Bund.

Dann kam er, in Soplicowo, auf heimatlichem Grund,

Als er den Aufstand betrieb, bei einem Einritt um's Leben.

Von seinem Hintritt wurde in Warschau Nachricht gegeben

Gerade im Augenblick, als Kaiser Napoleon

Für frühere Heldenthaten ihm als verdienten Lohn

Verlieh'n das Officierskreuz der Ehrenlegion.


Alles dies nun erwägend, was zu erwägen galt,

Mach' ich, der Repräsentant der Wojewoden-Gewalt,

Kraft meines Marschallstabs euch Folgendes bekannt:

Daß durch des Kaisers Gnade, wie durch Verdienste um's Land

Jacek nun ausgetilgt den Makel der Ehrlosigkeit,

Der Ehre wieder theilhaft ward und eingereiht

In die Zahl der treuen und wahren Patrioten.

Wer also jemals der Familie des Todten

Die alte, getilgte Schuld noch vorzuwerfen wagt,

Verfällt für solchen Vorwurf, wie das Statut besagt,

Gravis notae maculae – im klaren Wortlaut steht,

Daß miles wie scartabellus7 die Strafe auf sich lädt,

Der eines edelgeborenen Mannes Ehre schmäht;

Und weil jetzt Gleichheit herrscht, so bindet Artikel drei

Auch Bürger und Bauer – Niemand ist von der Weisung frei.

Der Gerichtsfrohn verkündigt dieses Marschallsdecret,

Der Schreiber fügt's in die Akten der Generalität.


Um noch auf's Kreuz der Ehrenlegion zu kommen:

So ist, weil es zu spät kam, der Ehre nichts benommen.

Giebt's ihm keinen Schmuck mehr für sein Leben ab,

So dien' es zum Gedächtniß: ich häng' es auf sein Grab,[257]

Drei Tage häng' es hier; dann find' es seine Stelle

Als Weihgeschenk für die heil'ge Jungfrau in der Kapelle.«


Spricht's und nimmt den Orden aus dem Futteral,

Und hängt ihn an's schlichte Kreuzchen über dem Grabesmal:

Es war ein weißes Sternkreuz, an rother Cocarde hangend,

Mit einer goldenen Krone, in hellem Glanze prangend;

Die Strahlen des Sternes funkeln im Sonnenlicht ringsum,

Als der letzte Abglanz von Jacek's irdischem Ruhm,

Während das ganze Volk zum Angelusgebet

Hinkniet und für den Sünder die ewige Ruh' erfleht.

Der Richter durchschreitet die Reihen der Bauern und der Gäste,

Lädt Alle nach Soplicowo, zum Mahl, zum heit'ren Feste.


Zwei Greise setzten sich dort vor'm Haus auf's Bänkchen hin,

Jeder hat eine Kanne voll Meth an seinen Knie'n;

Sie blicken in den Garten, wo, mitten im Mohn, am Beet,

Wie eine Sonnenblume, ein junger Uhlane steht,

In blitzendem Kolpak, mit Goldblech und Hahnenfeder geschmückt.

Und neben ihm ein Mägdlein, das ihm in's Antlitz blickt

Mit blauen Veilchenaugen: sie selbst in grünem Gewand,

Wie eine Raute am Erdreich. – Absichtlich weggewandt,

Pflücken die Mädchen Blumen, um nicht hinzuhören,

Um nicht die traute Zwiesprach der Liebenden zu stören.


Die Alten aber trinken, traktiren sich freundlich und froh

Aus der Borkendose, und plaudern dabei also:


»Ja, ja, mein Protäschen«, sagt Schließer Gervasius,

»Ja, ja, mein Gerväschen«, sagt Frohn Protasius,

»So ist's! Ja, ja!« wiederholen mehrmals Beide vereint

Und schütteln im Takt die Köpfe; – und Protasius meint:

»Ja, freilich, unser Proceß schließt seltsam, wie es scheint,

Doch ist's nicht ohne Beispiel: ich weiß von Processen,

Die unsern Streit noch weit übertroffen an Excessen,

Und doch hat der Ehecontract dann alle Nöthe geendigt!

So hat sich Lopot mit den Borzdobohaty's verständigt,[258]

Die Krepsztul's mit den Kupsc, Putrament mit Pikturno,

Mackiewicz mit den Odyniec und mit den Kwilecki Turno.

Was sag' ich! Polen und Lithauen lebten in ärgerem Streit,

Als jener, der die Soplica's mit den Horeszko entzweit!

Bis Königin Jadwiga schließlich zur Einsicht kam,8

Und die Affaire ohne Gericht ein Ende nahm.

Ist nur ein Fräulein oder eine Wittwe zur Hand,

Dann ist's schon gut, dann kommt schon ein Compromiß zu Stand.

Am längsten dauert's mit der katholischen Geistlichkeit,

Auch bei naher Verwandtschaft währt es lange Zeit,

Denn da giebt's keine Ehen, zu endigen den Streit.

Drum bringt man Polen und Russen gar so schwer zusammen,

Die ja von Lech und Rus, zwei leiblichen Brüdern, stammen.

Drum hat sich's zwischen den Kreuzherrn und Lithauen fortgesponnen

In ewig langen Processen, – bis Jagiello gewonnen.

Endlich die Dominikaner mit Rymsza! Vor den Gerichten

Pendirte der Proceß und ließ sich lang nicht schlichten,

Schließlich gewann der Klostersyndikus, Pater Dymsza, –

Daher kommt auch das Sprichwort: Gott ist größer, als Rymsza.

Ich aber mache den Zusatz« (hier trank er ihm zu), »daß besser

Der Meth sei, liebster Schließer, als das Federmesser.«


»Wahr! wahr!« versetzt darauf Gervasius gerührt,

»Wundersam hat das Schicksal uns're Krone geführt,

Und unser Lithauen! Sind ja, wie zwei Gatten, Eins!

Gott eint sie, der Teufel trennt sie – Gott Sein's, der Teufel Sein's!

Ach, Bruder Protäschen! Daß uns'ren Augen dies bescheert!

Daß diese Kronleut' wieder bei uns eingekehrt!

Ich hab' mit ihnen zusammen gedient, vor vielen Jahren;

Ich weiß noch: was das tüchtige Conföderaten waren!

Hätt' er den Tag erlebt, der Truchseß, mein seliger Herr! –

O Jacek! Jacek! – Aber was soll heut' das Geplärr!

Sehen wir heute Lithauen sich mit Polen vereinen,

Ist Alles ja ausgeglichen, Alles ist im Reinen!«


»Und,« sagt Protas, »die Soschja! ist's doch auch wunderbar!

Jetzt nimmt sie unsern Thaddäus; und vor einem Jahr[259]

Ließ uns das ein Omen, ein Zeichen des Himmels, erkennen!«

»Fräulein Sophie!« unterbricht Gervas, »muß man sie nennen;

Sie ist kein kleines Ding mehr, das hat schon keinen Sinn!

Auch stammt sie von Magnaten – des Truchseß Enkelin!«


»Also, es war ein prophetisch Zeichen für ihr Leben,«

Fährt Jener fort, »es hat sich vor meinen Augen begeben.

Vor einem Jahr, da saß hier an einem Feiertag

Unser Gesinde beim Meth; sieh' da: mit Einem Schlag

Fallen zwei Spatzen vom Dach und raufen voller Zorn;

Zwei alte Männchen, – das Eine, Jüngere, war vorn

Ein Wenig grau, das And're schwarz. Den Hof entlang

Balgt denn das Paar und purzelt, daß es im Staub versank:

Wir sehen zu, indessen flüstern unsre Leute:

›Der Schwarze sei uns Horeszko, und Soplica der Zweite.‹«

War nun der Graue im Vortheil, schrie'n sie: »Soplica soll leben!

Pfui, Memme Horeszko!« Wollt' sich aber der Schwarze erheben,

So hieß es: »Ei Soplica! mußt dich zusammennehmen!

Nicht dem Magnaten weichen! Deß muß sich ein Schlachcic schämen!

So schauten wir lachend, wer den Andern überwindet:

Als Soschja, die mit den kleinen Kämpfern Mitleid empfindet,

Hinläuft und sie mit dem Händchen bedeckt. Das grimme Toben

Währte noch in der Hand fort, daß die Federn stoben –

Ein solcher Ingrimm steckte in dem kleinen Gelichter.

Die alten Weiber machen bedeutungsvolle Gesichter.

Seh'n Soschja an und flüstern: Ihr sei es gewiß beschieden,

Zwei längst entzweite Häuser zu einigen in Frieden. –

Heut' seh' ich, daß die Weiber die richtige Deutung trafen;

Zwar, das ist richtig, damals dachte man an den Grafen,

Und nicht an Thaddäus.«


Und Gervas versetzt darauf:

»Wer mag die Welt ergründen, gar seltsam ist ihr Lauf.

Auch ich will Euch etwas sagen, was kein Wunder zwar,

Wie jenes Omen, aber dennoch wunderbar.

Ich wollt' sie ja früher in einem Löffel Wasser ertränken,

Diese Soplica's; doch den Thaddäus, – könnt Ihr's denken? –[260]

Hatt' ich seit seiner Kindheit ganz unsäglich lieb.

Ich sah, wie er die Buben immer zu Paaren trieb,

So oft er raufte. Also, kam er auf's Schloß: sogleich

Hetzt' ich ihn allemal zu einem verwegenen Streich.

Alles ist ihm gelungen, sei es vom Thurm die Tauben,

Sei's von der höchsten Fichte ein Krähennest zu rauben,

Sei's von der Eiche die Mistel, Alles that er gern

Und konnt' es. Und ich dacht' mir: Unter glücklichem Stern

Ist Der geboren! Wenn er nur kein Soplica wär'! –

Und er, wer hätt' es gedacht? wird nun mein Schloßherr! Er,

Der Gatte Fräulein Sophie's, meiner Gebieterin!«


Hier halten sie inne, und trinken mit nachdenklichem Sinn;

Nur diesen kurzen Ausruf hört man hie und da:

»Ja, Herr Gervasius, ja!« – »Ja, Herr Protasius, ja!«


Der Vorraum stößt an die Küche; Rauchwolken ungeheuer

Entwallen den offenen Fenstern, wie von gewaltigem Feuer,

Und wie ein weißes Täubchen, blinkt aus dem Rauch empor

Die Mütze des Küchenmeisters: der Wojski schaut hervor,

Steckt den Kopf durch's Fenster über die Köpfe der Alten,

Lauscht schweigend, während die Beiden ihre Zwiesprach halten –

Reicht ihnen dann ein Untertäßchen voll Biscuit,

Und sagt: »Ein kleiner Imbiß! würzt euren Meth damit!

Und ich erzähl' euch ein Histörchen, wundersam,

Von einem Streit, der schließlich ein blutiges Ende nahm;

Wie Rejtan im Naliboker Gehölze Jagden hielt,

Und was er dem Herzog von Nassau für einen Streich gespielt.

Er hätt' ihm bald das Leben gekostet, dieser Streich,

Ich hab' die Herrn versöhnt – wie: das erzähl' ich gleich.«

Jetzt aber kommen die Köche dazwischen mit der Frage,

Wem er den Tafelaufsatz zu stellen übertrage.


So mußt' er fort. – Die Alten stärken sich mit Meth,

Und blicken dann wieder sinnend auf jenes Gartenbeet,

An dem der schlanke Uhlane mit dem Mägdlein stand.

Mit der Linken ergriff er eben ihre Hand, –[261]

Die Rechte hing in der Binde, denn der junge Mann

War verwundet, – und so sprach er das Mädchen an:

»Sophie, das wirst du mir durchaus noch sagen müssen,

Eh' wir die Ringe wechseln, denn das muß ich wissen.

Hätt' ich im vorigen Winter dein Wort auch leicht bekommen,

Was hat's zu sagen? Damals hab' ich's nicht angenommen;

Ein solch erzwungen Wort, was sollt' es mir auch frommen?

Du weißt: in Soplicowo hab' ich zu jener Zeit

Nur kurz verweilt – und bin nicht von solcher Eitelkeit,

Um mir einzubilden, wie die hohlen Gecken,

Daß schon mein Blick genügt hat, dir Liebe zu erwecken.

Ich wollt' durch ein Verdienst erringen deine Huld,

Und währt' es noch so lang', ich trüg' es in Geduld.

Jetzt bist du gütig genug, dein Wort auf's Neu zu geben:

Durch welch' Verdienst vermöcht' ich drauf Anspruch zu erheben?

Sag', nimmst du mich vielleicht – nicht weil es dein Herz befiehlt,

Nur weil dir Oheim und Tante diesen Bund empfiehlt:

Aber die Ehe, Soschja, ist eine gewichtige Sache,

Frag' dein Herz! und daß dich kein Ansehn irre mache!

Ob auch die Tante berede, ob auch der Oheim wüthe –

Fühlst du vielleicht für mich nichts Anderes, als Güte,

Dann sei diese Verlobung vorläufig aufgeschoben;

Ich will dich nicht binden, Soschja, wir können uns später verloben.

Zumal man gestern Abends mir den Befehl ertheilt,

In Lithauen zu bleiben, bis meine Wunden geheilt,

Als Instructor im hiesigen Regiment. Was glaubt

Meine geliebte Soschja?«


Soschja erhebt das Haupt,

Und sagt, indem sie schüchtern ihm in's Auge blickt:

»Was einst gescheh'n, das ist mir jetzt schon fast entrückt:

Ich weiß es, Alle wünschten, ich nähme Euch zum Mann,

Und ich schließ' mich immer dem Willen Gottes an,

Dem Willen älterer Menschen.« Und die Äuglein gesenkt,

Fügt sie hinzu: »Vor Eurer Abfahrt, wenn Ihr noch denkt,

Als Pater Robak verschied in jener stürmischen Nacht,

Sah ich, daß Euch der Abschied das Herz gar schwer gemacht:[262]

Ihr hattet Thränen im Aug'; die Thränen – daß ich's Euch sage,

Drangen mir bis in's Herz; ich glaub' seit jenem Tage

Daß Ihr mich wirklich lieb habt; und so oft ich hernach

Gebete für Euer Heil und Wohlergehen sprach,

Sah ich Euch immer vor mir mit diesen Thränen steh'n,

Und hab' sie groß leuchtend in Euren Augen geseh'n.

Später nahm mich die Kämm'rerin nach Wilno mit,

Dort war ich den ganzen Winter, – aber auf Schritt und Tritt

Sehnt' ich mich her in's Stübchen, wo Ihr zur Abendzeit

Mir damals zuerst begegnet und später geschieden seid.

Und die Erinn'rung an Euch, ich weiß nicht, wie es kam,

Hat, wie ein im Herbst gepflanzter Setzling, wundersam

Den Winter hindurch in meinem Herzen fortgetrieben,

Daß ich, wie gesagt, mich immer nach jenem lieben

Stübchen sehnte – dort sollt' ich Euch wiederseh'n:

So raunte mir etwas zu, und so ist's auch gescheh'n.

Da mir's im Sinn lag, führt' ich auch öfter Euren Namen

Im Mund; – es war zu Wilno, im Fasching; – die jungen Damen

Sagten, ich wär' verliebt – nun ja, gesteh' ich's ein:

Lieb' ich wen, so könnt nur Ihr Derjenige sein.«

Thaddäus, von solchem Liebeszeichen hoch entzückt,

Hat ihren Arm ergriffen, sie an sich gedrückt;

Und Beide gingen nun fort, in's Frauengemach, in's Stüblein,

Wo er vor zehn Jahren gespielt als munt'res Büblein.


Jetzt weilt dort der Notar in wunderbarem Putz,

Läuft da herum und macht sich seiner Braut zu Nutz,

Reicht ihr Büchsen und Fläschchen, Siegelring und Kette,

Schminkpflästerchen und Puder für die Toilette;

Fröhlich, triumphirend blickt er auf seine Braut.

Diese beendet den Putz, sitzt vor dem Spiegel und schaut:

Die Göttinnen der Schönheit frägt sie um Hilf' und Rath; –

Die Kammerfrauen müh'n sich sorgsam um ihren Staat,

Die frischen die Locken auf, das Eisen in der Hand,

Andere ordnen knieend die Falbeln am Gewand.


Wie so der Notar sich freut mit seinem künftigen Weibe,

Klopft ihm ein Küchenjunge an die Fensterscheibe:[263]

»Ein Hase!« – Aus dem Gestrüppe huscht' er über die Wiese

Und sprang dann in den Garten in's grünende Gemüse.

Dort sitzt er, dürft' sich leicht aufscheuchen und fangen lassen,

Stünden die Hunde am Wechsel, um ihm aufzupassen. –

Am Halsband zerrt der Assessor den Falk, – in vollem Putz

Läuft hinter ihm der Notar und ruft nach seinem Mutz.

Der Wojski läßt mit den Hunden Beide am Zaune warten,

Er selbst mit seiner Klappe begiebt sich in den Garten,

Stampft, pfeift und klatscht, und schreckt das Thier ganz fürchterlich.

Die Jäger halten die Hunde an den Ringen bei sich,

Zeigen mit dem Finger, wo der Hase sitzt,

Und schmatzen leise; – die Hunde halten die Ohren gespitzt,

Schnüffeln umher, und zittern, ungeduldig erregt, –

Zwei Pfeilen gleich, auf Eine Bogensehne gelegt.

Da schrie der Wojski: »Hussah!« Der Hase huscht heraus,

In's Feld, die Hunde nach, und stürzen gradeaus,

Mutz und Falk auf Einmal, wie zwei Vogelschwingen,

Von beiden Seiten auf's Wild, und ihre Gebisse dringen,

Wie Krallen, in seinen Rücken: ein Stöhnen entfährt dem Armen,

Wie einem neugebor'nen Kindlein, – zum Erbarmen!

Die Jäger rennen hin, todt liegt er an der Stell',

Und Mutz und Falk zerzausen ihm am Bauch das Fell.


Die Jäger streicheln die Hunde, der Wojski zog gemach

Sein Jägermesser hervor, schnitt ab die Läufe, und sprach:

»Jeder der Hunde kriegt heut' zum Lohn ein gleiches Stück,

Denn gleich sind sie an Ruhm und gleich an Siegerglück,

Gleich an Arbeit und Leistung, gleich in flinkem Satz,

Werth ist Pac des Palastes, werth der Palast des Pac:

Werth ist die Meute der Jäger, werth sind die Jäger der Meute.

Der lange heiße Streit, beschlossen ist er heute.

Ich, als euer erwählter Schiedsrichter, ich entscheide:

Keiner ist unterlegen, gewonnen habt ihr Beide!

Ich gebe die Pfänder zurück, mög' Jeder das Seine behalten,

Und ihr unterzeichnet den Frieden.« Auf diese Worte des Alten,

Seh'n sie sich an, mit leuchtenden Blicken, – und in Frieden

Vereinigen sich die Hände, die so lang geschieden.
[264]

»Ich wettete,« sagt der Notar, »ein wohlgeschirrtes Pferd,

Und hab' auch schriftlich vor dem Landschaftsgericht erklärt,

Daß ich den Ring als Faustpfand leg' in des Richters Hand.

Zurück kann ich's nicht nehmen, das eingesetzte Pfand,

So laßt mich zur Erinnerung den Ring Euch dediciren,

Herr Wojski! Mögt Ihr Euren Namen eingraviren,

Oder auch der Hreczecha Wappen, wie Ihr wollt.

Ein glatter Karneol ist's und elf-karatiges Gold. –

Die Uhlanen nahmen zur Kavallerie den Renner,

Doch blieb mir das Geschirr: hoch lobt es jeder Kenner,

Als dauerhaft, bequem, und schön wie ein Joujou:

Ein schmales, türkisch-kosakisches Sättelchen, – dazu

Vorn eine Kugel, die von theuren Steinen blitzt,

Ein Pölsterchen aus Damast, – wie sich's da wonnig sitzt!

Und springst du auf den Bogen, so schmiegst du dich so nett

In diesen weichen Flaum, wie in's bequeme Bett.

Und wenn du galoppirst,« – hier spreizte der Notar,

Der, wie man weiß, ein großer Freund von Gesten war,

Die Füße auseinander, wie um zu Pferd zu steigen,

Und wiegte sich dann langsam, um den Galopp zu zeigen –

»Und wenn du galoppirst: nach allen Seiten fährt

Ein Glanz von der Schabracke, als flösse Gold vom Pferd,

Denn das Leder ist dicht mit Gold gesprenkelt, die Bügel

Breit, aus vergoldetem Silber, – hell schimmern Halfter und Zügel

Von Perlenmutterknöpfen; am Brustriem' angeschnallt

Hängt ein lichter Mond, in der Lelivagestalt,

Der Gestalt des Neumonds. – Dies ganze Prachtgeräth,

Im Kampfe von Podhajce, wie die Sage geht,

Einem hohen türkischen Schlachcic abgenommen,

Sollst du, Assessor, als Zeichen meiner Achtung bekommen.«


Worauf denn, froh der Gabe, der Assessor erklärt:

»Halsbänder, die mir einstmals der Fürst Sanguszko verehrt,

Setzt' ich zum Pfand: an Schönheit groß, und groß an Werth,

Golden, mit gold'nen Ringen, mit Schlangenfell belegt;

Dazu eine seidene Leine, die Aller Staunen erregt,

Durch die gewirkte Arbeit, durch ihren leuchtenden Stein.[265]

Das alles sollt' ein Erbtheil meiner Kinder sein:

Kinder erhoff' ich – du weißt ja, heut' vermähl' ich mich;

Doch bitt' ich ganz gehorsamst: gestatte, daß ich dich

Damit zum Dank beschenke – es sei dir, lieber Notar,

Erinn'rung an den Streit, der nun so lange Jahr'

Getobt, und ehrenvoll für Beide ward entschieden

Am heutigen Tage. – Eintracht blüh' zwischen uns und Frieden.«

Sie kehrten in's Haus zurück, zu melden zu Aller Nutz:

Beendigt sei die Fehde zwischen Falk und Mutz.


Es ging eine Sage, der Wojski hätte den Hasen im Haus

Aufgefüttert, und ließ ihn später heimlich hinaus,

Um durch den leichtesten Sieg zu enden allen Streit.

Vollführte aber das Stückchen in solcher Heimlichkeit,

Daß ganz Soplicowo dupirt war. Erst nach mehreren Jahren

Ließ sich der Küchenjunge ein Wort darüber entfahren,

Auf daß Notar und Assessor wieder einmal streiten.

Aber vergebens sucht er die Mären zu verbreiten,

Die ja den braven Hunden Ruhm und Ehre rauben:

Der Wojski leugnet's, und Niemand schenkt dem Jungen Glauben.


Schon sind die Gäste versammelt im Schloß, im großen Saal,

Steh'n plaudernd um den Tisch und warten auf das Mahl.

Jetzt tritt der Richter ein, in Wojewodentracht,

Und hat auch Herrn Thaddäus und Soschja mitgebracht.

Thaddäus geht auf die Feldherrn zu und salutirt,

Indem er mit der Linken die Schläfe leicht berührt.

Soschja tritt zu den Gästen, tief gesenkten Blicks,

Die Wangen in hellen Flammen, und grüßt mit einem Knix.

Frau Telimene hat sie so lieblich knixen gelehrt.

Sie trägt ein Kränzchen im Haar, wie's für die Braut gehört,

Im Übrigen aber immer noch dieselbe Tracht,

In der sie in der Kapelle ihr Gärbchen dargebracht.

Nun schnitt sie ein zweites Gärbchen, reicht jetzt der ganzen Schaar

Mit der Rechten daraus Blumen und Gräser dar

Und richtet mit der Linken die blitzende Sichel im Haar.

Jeder der Feldherrn nimmt, mit einem Handkuß, das Grün,

Soschja knixt im Kreis, und ihre Wangen glüh'n.
[266]

Und General Kniaziewicz nimmt nun die junge Dirn'

Unter die Arme, küßt sie väterlich auf die Stirn,

Hebt sie in die Höh' und stellt sie auf den Tisch.

»Bravo!« ruft Alles und klatscht. – Wie sie so hold und frisch,

So stattlich dasteht, faßt es Alle mit Zaubermacht,

Und namentlich entzückt die schlichte Lithauer Tracht.

Denn auf diese Feldherren, die, von der Heimat verbannt,

Ihr Leben lang im Elend geirrt von Land zu Land,

Wirkte die Nationaltracht gar reizvoll, wunderbar:

Jeder erinnerte sich an seine jungen Jahr',

An's erste Liebesgetändel: also mit Thränen beinah'

Umdrängen sie den Tisch und steh'n betrachtend da.

Die bitten, sie möchte aufschau'n, sie wollten die Augen sehen,

Jene: es mög' ihr gefallen, sich herumzudrehen;

Soschja dreht sich um, bedeckt sich aber aus Scham

Die Augen mit den Händen. Der junge Bräutigam,

Thaddäus, rieb sich die Hände und blickte fröhlich drein.


Mocht' ihr die Tracht von Jemand angerathen sein,

Oder war's Instinct, – denn instinktiv erräth

Ein Mädchen immer, was ihr zu Gesichte steht:

Genug, Frau Telimene hat heut' zum ersten Mal

Sie wegen Starrsinns gescholten: sie sträubte sich gegen die Wahl

Eines modernen Putzes, – bis sie durch Thränen erzielt,

Daß sie die Lithauer Volkstracht weiter anbehielt:


Ein kurzes Kleid auf weißem langem Untergewand,

Das Kleid aus grünem Camelot mit Rosabesatz am Rand,

Ein grünes Mieder, vom Busen bis an den Hals hinan

Mit Rosabändern geschnürt, der Busen schmiegt sich dran,

Wie die Knospe an's Blatt, und wallt darunter leis'.

Des Hemdes Ärmel leuchten von den Schultern weiß,

Wie helle Schmetterlingsflügel zum Fluge ausgestreckt, –

Ausgekerbt an der Hand, mit einer Schleife besteckt.

Der Hals ist auch von schmaler Chemisette eng umwunden,

Der Kragen mit einer Rosaschleife festgebunden,

Die Ohrringe sind kunstvoll aus Kirschkernen geschnitzt,[267]

Sack hat daran gezeigt, was er für Kunst besitzt;

Zwei Herzchen waren's mit Pfeil und Flamme, ihr geweiht

Vom jungen Sack Dobrzynski in seiner Werbezeit; –

Zwei Bernsteinschnüre hängen vom Kragen über's Mieder,

Die Bänder der Zöpfe wallen über die Schultern nieder,

Um die Schläfen ein Kranz von grünem Rosmarin,

Über der Stirne aber trägt sie, als Schnitterin,

Die krumme Sichel, soeben im Grase blankgemäht,

Hell, wie auf Diana's Stirn der silberne Neumond steht.


Alles klatscht und lobt. Da zog ein Officier

Ein Portefeuille aus der Tasche mit vielen Päckchen Papier,

Hat's gleich entfaltet, den Bleistift gespitzt, im Mund benetzt,

Blickt nun auf Soschja und zeichnet. – Kaum hat er angesetzt,

Bemerkt der Richter die Blättchen und kennt den Zeichner gleich:

Zwar die Oberstmontur, die Epauletten, so reich,

Die kühne Uhlanenmiene, das spanische Bärtelein,

Der schwärzere Schnurrbart, verändern sein Aussehn ungemein;

Doch hat ihn der Richter erkannt: »Nun, gnädigster Graf, wie geht's?

Selbst Eure Patronentasche entbehrt nicht des Malergeräths?«

Es war in der That der Graf, seit Kurzem erst Soldat –

Weil er aber ein sehr bedeutend Vermögen hat,

Auf seine Kosten ein Reiterregiment gestellt,

Und gleich im ersten Gefecht sich ausgezeichnet im Feld,

Hat ihn der Kaiser heute zum Obersten ernannt:

Der Richter begrüßt ihn, wünscht ihm Glück zum neuen Stand,

Er aber hört nicht zu und zeichnet unverwandt.


Indessen erscheint das zweite von den verlobten Paaren:

Der Assessor – – einst der treue Diener des Czaren,

Heute Napoleons; Gensdarmen commandirt er, –

Zwar erst seit zwanzig Stunden: aber schon stolzirt er

In seiner blauen Montur, dem polnischen Aufschlag vorn,

Und schleppt den krummen Säbel und klirrt mit seinem Sporn.

Ihm zur Seite schreitet sein Fräulein Braut bedächtig:

Thekla, des Wojski Tochter, aufgeputzt gar prächtig; –

Denn Telimenen verließ er schon vor langer Zeit,[268]

Und ihr, der argen Kokette, zum Trutz und Herzeleid

Hat er nun sein Herz der Wojskitochter geweiht.

Das Fräulein ist nicht zu jung, – wohl schon in mittleren Jahren,

Doch eine gesetzte Person, als Wirthin wohlerfahren,

Und reich an Mitgift; denn zum Erbgut, das ihr gehört,

Hat ihr des Richters Güte noch ein Sümmchen bescheert.


Man wartet' auf's dritte Paar, das immer noch nicht er schien;

Der Richter wird ungeduldig und schickt die Diener hin:

Sie bringen zur Antwort, daß der dritte Bräutigam,

Der Herr Notar, beim Jagen um seinen Eh'ring kam,

Jetzt sucht er ihn auf der Wiese; und seine Dame weilt

Noch immerfort beim Putztisch; obwohl sie sich selbst beeilt,

Obwohl die Dienerinnen alle helfend zur Hand:

Sie kommt mit der Toilette durchaus nicht zu Stand;

Vier Uhr wird's jedenfalls, eh' sie das Werk vollbracht.

1

Ein russischer Historiker beschreibt in ähnlicher Weise die Ahnungen und Vorgefühle des russischen Volkes vor dem Kriege von 1812.

2

Ein jetzt sehr seltenes Buch, vor mehr als hundert Jahren von Stefan Czerniecki herausgegeben.

3

Jene römische Gesandschaft (der Polen an den heil. Stuhl) wurde oft beschrieben und gemalt. In der Vorrede zum »Vollkommenen Koch« heißt es: »Diese Legation war für alle Herrschaften des Westens ein Gegenstand der Bewunderung: in ihr trat sowohl die unendliche Weisheit des Herrn (Ossolinski), wie der Glanz des Hauses und der Reichthum des Tisches hervor, – so daß einer der römischen Herzoge sagte: Jetzt ist Rom glücklich, da es einen solchen Gefangenen hat«. NB. Czerniecki selbst war Ossolinski's Koch.

4

Nach dem Einmarsch der französischen und polnischen Armeen schloß man in Lithauen Conföderationen nach Wojewodschaften, und wählte Landboten für den Reichstag.

5

Bekanntlich hat bei Hohenlinden ein polnischen Corps unter der Führung des Generals Kniaziewicz den Sieg entschieden. (Vgl. )

6

Im spanischen Feldzug 1808 stießen die Franzosen im Kampfe bei Sommosierra auf ungeahnte Schwierigkeiten. Die Position der Spanier wurde schließlich als für die Kavallerie, wenigstens von der Front, unangreifbar erklärt. Als das Napoleon gemeldet wurde, gerieth er in großen Zorn und rief schließlich dem Major von Ségur zu: »Gehen Sie! Lassen Sie die Polen vorrücken!« Diese stürzten sich auch sofort, unter der Führung des Kozietulski, auf den Feind. Die Schwadron wurde furchtbar decimirt, Kozietulski's Mantel war von Kugeln ganz durchlöchert, aber der Angriff gelang, und die Polen durften sich wohl des Löwenantheils an dem endlich errungenen Siege rühmen. (d.Ü.)

7

»Scartabellus« ein verdorbener lateinischer Ausdruck dunklen Ursprungs, der in poln. Akten vorkommt und soviel als Briefadel, hier wohl Adel überhaupt bedeutet. Manche leiten es von »ex carta bellans« her. (d.Ü.)

8

Königin Jadwiga von Polen vermählte sich 1386 mit Jagiello, dem Großfürsten von Lithauen, und ermöglichte so die Vereinigung beider Länder. (d.Ü.)

Quelle:
Mickiewicz, Adam: Herr Thaddäus oder der letzte Einritt in Lithauen. In: Poetische Werke, Leipzig 1882, Band 1, S. 248-269.
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