473. Die Kindbetterin.

[315] Die alte Wartfrau Lottjen in Husum erzählte gern und mit festem Glauben, daß zu ihrer Urgroßmutter einmal mitten in der Nacht ein Unnererschen gekommen sei und sie flehentlich gebeten habe, mit ihm zu kommen und seiner Frau in ihren Kindesnöten beizustehen; er wolle sie nach geleisteter Hilfe sicher wieder nach Hause geleiten. Die Urgroßmutter, von dem Bitten des Kleinen gerührt, stand auf und ging mit ihm. Er führte sie darauf aus dem Hause zu einem hohlen Baume, und durch denselben stiegen sie hinab über eine enge, lange und dunkle Treppe. So kamen sie endlich in der Wohnung der Unterirdischen an, wo die Kleinen sie mit Angst erwartet hatten; denn es war die Königin, die der Hilfe bedurfte. Die Entbindung ward glücklich beendigt. Da brachte der Führer der Frau sie in eine Kammer, wo eine Menge Hobelspäne lagen, und hieß sie davon so viel in ihre Schürze füllen, als sie wollte. Die Frau zögerte anfangs; aber der Kleine ermunterte sie und sie nahm endlich eine Schürze voll davon; dann ließ sie sich wieder über die lange Treppe und aus dem hohlen Baum hinauf auf die Erde bringen. Da war es noch Nacht; der Kleine verließ sie, und sie wanderte mit ihren Hobelspänen nach Hause. Je länger sie aber ging, desto schwerer ward ihr die Schürze, so daß sie, zu Hause angelangt, die Last kaum mehr tragen konnte; nachdem sie alles in die eine Ecke des Herdes geschüttet hatte, ging sie noch wieder zu Bett; als sie aber am andern Morgen aufstand, lag da pures Gold und Silber.[315]

In unsern Zeiten aber kommen die Untererschen nicht mehr zu den Menschen, seitdem der König von Dänemark im ganzen Königreich und den Herzogtümern die Löcher zustopfen ließ, woraus sie sonst hervorkamen, und allenthalben Wachen davor hinstellte.


Durch Storm. – Ähnlich, nur einfacher aus Sundewitt. Die Unterirdischen wohnen unter dem Pferdestall und bitten die Frau den Stall zu verlegen; dafür erhält sie viel Gold und Silber. Damit stimmt völlig eine Lauenburgische Erzählung aus Beidendorf und eine andere nordschleswigsche aus Stenderup im Kirchspiel Toftlund. Nach letzterer bewirkt die Unterirdische immer den Tod der Kälber, bis man auf ihre Bitte den Stall verlegte. – Aus Jordkirch: Die Frau erhält Hobelspäne, wirft sie weg, entdeckt aber nachher durch einen, der hangen geblieben, daß es Gold gewesen. Ihr Nachsuchen ist vergeblich. – Thiele, Danm. Folkes. 200 ff.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 315-316.
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Plattdeutsche Legenden und Märchen: aus: Karl Müllenhoffs Sammlung (1845): Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
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