Dritte Scene.

[206] Marduff. Oskar tritt aus dem Felsgemach, schließt es, zieht jedoch den Schlüssel nicht ab, weil er eben Marduffs Beschäftigung am Eingange bemerkt.


OSKAR.

Was schließest du die Thür? Wir gehn zurück,[206]

Ich hab' es nun gesehn. – Ha! Welch' ein Blick!

Was für Begier in deinen Augen?

MARDUFF.

Stemmt

Euch wie ihr wollt, 's ist eure letzte Stunde.

Ich schlag' euch todt!

OSKAR.

Mensch! Bist du rasend?

MARDUFF.

Ich

Kann's werden dr'um, hilft aber nichts! Für mich

Ist keine Wahl: es kam aus Yngurds Munde.

OSKAR sich abwendend.

O, ew'ger Gott! ich bin verloren.

MARDUFF.

Sprecht

Ein kurz Gebet, daß Ende wird. Mir springen

Die Adern schier, ich muß es kurz vollbringen,

Sonst weicht die Kraft, und ich vollbring' es schlecht,

Zu eurer Qual.[207]

OSKAR.

Oh, unglücksel'ger Knecht,

Selbst bete! denn der Herr der Herrscher rächt

Solch grausend Thun am todten Werkzeug mit.

Das Schwert, das in der Hand des Königs Nor

Verwandtes Leben frevelhaft zerschnitt,

Wie trocken auch und blank er's wieder rieb,

Zerfraß der Rost, und als er es erkor,

Mit Gan zu fechten, brach's bei'm ersten Hieb.

Wär' deine Seele Stahl, wie jenes Schwert,

Die That wird sich wie Rost d'ran feste setzen,

Wird das Gehirn dir aus dem Schädel ätzen,

Daß nichts, als das Gedächtniß, unversehrt

Wird bleiben, dich in's Grab zu peinigen.

Du kannst kein Huhn mehr sterben sehen, denn

Sein Zucken mahnt dich an das meine. Wenn

Dein Roß tief Odem holet unter dir,

Wird's deinem Ohr wie Todesröcheln klingen.

Dein Schlaf wird keine Ruh' mehr seyn; ein Ringen

Mit blutigen Gespenstern, die von mir

Das Leichenantlitz, riesenhaft vergrößert,[208]

Auf riesenhaftem Rumpfe tragen.

MARDUFF.

Mag's!

Laßt's kommen, wie es muß, die Zukunft bessert

Nichts an der Gegenwart. Macht fort, ich trag's

Nicht in mir länger. Dieses Königs Wille,

Stets ungeheuer wie er selber, läßt,

In mein Gehirn gewaltsam eingepreßt,

Für gar nichts Andres Raum darin, und droht

Es zu zersprengen. Betet kurz und stille.

OSKAR.

Ich will's für dich thun an des Höchsten Thron;

Denn Fuß an Fuß mir nach schickt dich der Tod.

MARDUFF.

Was? Mich? Der Tod? Mich?

OSKAR.

Ja. Tod ist dein Lohn

Für einen Mord, den du nicht kannst verhehlen.

MARDUFF wild lachend.

Ich kann nicht? Ha! Und hätten diese Mauern

Geheul und Thränen, Oskar zu bedauern,

Und jungen, Marduffs Noththat zu erzählen;[209]

Sie würden's nicht! Sie fallen ja mit euch.

OSKAR.

Sie fallen mit mir?

MARDUFF.

Ja. Ich breche gleich,

Sobald euch dieser Knorren nieder schlug,

Die Stützen ab, die dort die Decke tragen,

Und bin der erste, der sich selbst mit Fluch

Belastet, und die Burg erfüllt mit Klagen,

Daß ich's euch nicht gewehrt, den Gang zu wagen.

OSKAR.

Satanisch schlauer Fischer, der im Netz

Mein Leben fing! Entgingst du dem Gesetz,

Doch wird dich Yngurds Furcht nicht lang' verschonen.

MARDUFF.

Wie? Yngurds, der's gewollt?

OSKAR.

Ist's möglich, daß

Dummheit und List so nah beisammen wohnen?

Hat dir der König anvertrauet, was[210]

Mit Schmach ihn deckt, wenn du davon im Traum

Ein Wort verlierst – oh, Thor! dann hat die Erde

Für ihn und dich zusammen nicht mehr Raum,

Und du mußt weg, damit's nie ruchtbar werde.

MARDUFF halb vor sich.

Pest! Das hat Grund, das hab' ich nicht bedacht.

Doch – hilft er hin mir, wenn ich es vollbracht,

So thut er's auch, wenn ich es nicht gethan;

Ich weiß doch d'rum nun.- Betet! Ihr müßt dran!

OSKAR mit Kraft und Ergebung.

Nun denn, so komm, des Menschen höchste Macht,

Die, was er leiden muß, frei wollen kann –

Komm, daß der Geist Herr sei in Leibes Ketten.


Er kniet.


Und du dort, der verderben kann und retten,

Hör' auf das Flehn des Sterbenden: Bewahre,

Die mich gebar, daß nimmer sie erfahre,

Wie ich gestorben bin! Halt Yngurds Lauf,[211]

Den schrecklichen zum Abgrund, halt ihn auf,

Daß Menschengröße nicht auf deiner Erde

Der Ohnmacht Spott, ein Gräul der Tugend werde!

Stärk' Asla's Herz! Vergieb dem Mörder!


Er wendet sich abwärts von Marduff, deckt die Augen mit der Hand, und bietet, mit weit rückwärts gebognem Hals das Vorderhaupt dem Streiche dar.


Ende!

MARDUFF läßt die halbgehobene Waffe abgespannt wieder sinken.

Steht auf! Ich kann nicht. – Nehmt in beide Hände

Die Streitart hier! Wehrt euch! Verwundet mich,

Daß mich mein Blut nach eurem lüstern mache!

So bring' ich's nicht zu Ende.

OSKAR.

Feiger, fache

Den Muth mit deiner Furcht an, denk' an dich!

Was wird aus dir vor deines Meisters Rache?[212]

MARDUFF.

's ist schrecklich! Und ihr selbst – ihr mahnt mich d'ran?

Wollt ihr denn nicht mehr leben?

OSKAR.

Ob ich kann,

Das frage, Thor, der nie gelebt. Ich lebte

Nur Einen Augenblick in meinem Leben,

Und als des Lebens Wonne mich durchbebte,

War ich des Todes Hand schon übergeben.

Ihr zu entziehen, hab' ich mich vergangen,

Zur Erdengottheit wollt' ich mich erheben,

Frei über dem Gesetz, dem strengen, schweben,

Um frei, was es versagte, zu erlangen.

Der Sinne Trieb nahm meinen Sinn gefangen,

Und was ihr Tod nennt, giebt mir Freiheit wieder.

Rein aufwärts schweben, wie der Ton der Lieder,

Das will mein Geist. Erfülle sein Verlangen.

MARDUFF im Selbstgespräch.

Er hat's gewollt – gewollt? Wollt' ich's nicht auch?

Steht solch ein Wille fester, als der Rauch,[213]

Den meist das Feuer selbst, das ihn geboren,

Verwandelt und zertheilt und aufzehrt. Wer

Steht mir dafür, daß alles noch – ich wär',

Wenn sein Gemüth indeß gewankt, verloren –

Verloren, wenn er nur an Ort und Zeit

Was unrecht fänd'. – Nein, ich will Sicherheit.


Er eilt mit Kolben und Axt in der Hand nach der Thür rechts.


OSKAR.

Wo willst du hin?

MARDUFF.

Zum König. Bleibt bereit

Zum Tod, dem ich euch als Gefangnen spare,

Wenn ich am Herrn nicht andern Sinn gewahre.


Er geht rasch ab, und man hört ihn die Thür von außen verschließen und verriegeln.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 206-214.
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