5.

[164] Wenn ich ihn nur habe,

Wenn er mein nur ist,

Wenn mein Herz bis hin zum Grabe

Seine Treue nie vergißt:

Weiß ich nichts von Leide,

Fühle nichts, als Andacht, Lieb' und Freude.
[164]

Wenn ich ihn nur habe,

Lass' ich alles gern,

Folg' an meinem Wanderstabe

Treugesinnt nur meinem Herrn;

Lasse still die Andern

Breite, lichte, volle Straßen wandern.


Wenn ich ihn nur habe,

Schlaf' ich fröhlich ein,

Ewig wird zu süßer Labe

Seines Herzens Fluth mir seyn,

Die mit sanftem Zwingen

Alles wird erweichen und durchdringen.


Wenn ich ihn nur habe,

Hab' ich auch die Welt;

Selig, wie ein Himmelsknabe,

Der der Jungfrau Schleyer hält.

Hingesenkt im Schauen

Kann mir vor dem Irdischen nicht grauen.


Wo ich ihn nur habe,

Ist mein Vaterland;

Und es fällt mir jede Gabe

Wie ein Erbtheil in die Hand;

Längst vermißte Brüder

Find' ich nun in seinen Jüngern wieder.

Quelle:
Novalis: Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs. Band 1, Stuttgart 1960–1977, S. 164-165.
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