8.

[168] Weinen muß ich, immer weinen:

Möcht' er einmal nur erscheinen,

Einmal nur von Ferne mir.

Heilge Wehmuth! ewig währen

Meine Schmerzen, meine Zähren;

Gleich erstarren möcht' ich hier.


Ewig seh ich ihn nur leiden,

Ewig bittend ihn verscheiden.

O! daß dieses Herz nicht bricht,

Meine Augen sich nicht schließen.

Ganz in Thränen zu zerfließen,

Dieses Glück verdient' ich nicht.


Weint denn keiner nicht von allen?

Soll sein Name so verhallen?

Ist die Welt auf einmal todt?[168]

Werd' ich nie aus seinen Augen

Wieder Lieb' und Leben saugen?

Ist er nun auf ewig todt?


Todt, – was kann, was soll das heißen?

O! so sagt mir doch ihr Weisen,

Sagt mir diese Deutung an.

Er ist stumm, und alle schweigen,

Keiner kann auf Erden zeigen,

Wo mein Herz ihn finden kann.


Nirgend kann ich hier auf Erden

Jemals wieder glücklich werden,

Alles ist ein düstrer Traum.

Ich bin auch mit ihm verschieden,

Läg' ich doch mit ihm in Frieden

Schon im unterirdschen Raum.


Du, sein Vater und der meine,

Sammle du doch mein Gebeine

Zu dem seinigen nur bald.

Grün wird bald sein Hügel stehen

Und der Wind darüber wehen,

Und verwesen die Gestalt.


Wenn sie seine Liebe wüsten,

Alle Menschen würden Christen,

Ließen alles andre stehn;

Liebten alle nur den Einen,

Würden alle mit mir weinen

Und in bitterm Weh vergehn.

Quelle:
Novalis: Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs. Band 1, Stuttgart 1960–1977, S. 168-169.
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