Die 3. Scena.

[120] ABRA.

Sol dann nun diß die Judith sein,

Der Spiegel Keuscher Jugend,

Deß Frawenzimmers Licht vnd Schein,

Der Außzug aller Tugend?[120]

Nun solche Sinnen vnd Gedancken

Auch wollen wancken,

So muß ich nur gestehn, daß auff der gantzen Erden

Nichts eher alß ein Weib kan vnbestendig werden.

Du Morgenstern der Zucht, du Engelreines Bildt!

Was ists, daß du dahin zu Gaste gehen wilt,

Vnd zwar so gantz allein,

Wo Tyranney vnd Macht,

Wo Spiel, wo Wein vnd Nacht

Beysammen werden sein,

Die Feinde gutter Sitten,

Von denen Ehrbarkeit nie bleibet vnbestritten?

JUDITH.

Bin ich dir so vnbekandt?

Was mich reitzt dahin zu kommen, ist gewiß kein Frewdenfest,

Sondern GOTT vnd vnser Landt.

Welchem kan es vbel gehn, der sich nur auff Ihn verleßt?

ABRA.

Ich weiß es Fraw, du wirst nicht wancken,

Wirst bleiben für vnd für

Bey deinen Züchtigen Gedancken;

Jedoch dein grosser Feind, die Schönheit, geht mit dir.

JUDITH.

Sey nur getrost vnd komm zum Brunnen hier,

Wo ich gewohnet bin

Zu waschen mein Gesichte.

Es kennt ein jed'rer wol

Mein Ehrliches Gerüchte,

Das Ehrlich bleiben sol.

CHOR DER GEFANGENEN KÖNIGE.

Was machstu, falsches Glücke,

Wie greiffen deine Tücke

Auch hohe Zepter an!

Die Macht, in der wir waren,

Das Landt, die Starcken Scharen,

Sind andren vnterthan.

DER KÖNIG AUS LIBIEN.

Gantz Libien war meine,

Das stets mit heissem Scheine

Erwärmt der Hundes Stern.

EIN ANDERER.

Ich hatte die Phenicer.

EIN ANDERER.

Ich Euch, O Ihr Cilicer.

ALLE ZUGLEICH.

Jetzt hat vns Holofern.

In Eysen sein geschlagen

Vnd dannoch Cronen tragen,

Ist Leidt vnd Spott zu gleich.

Ach Holofern, die Sinnen,

Die selbst sich zähmen können,

Sind halbes Königreich.[121]

Wer ist sie, die hier gehet,

Vnd schöner für vns stehet

Alß Luna bey der Nacht?

O Blum vnd Licht der Jugend,

Die Keuschheit, Scham vnd Tugend

Wird vbel hier verwacht.

Doch wann die Götter wollen,

Auff die wir hoffen sollen,

So kan auch dieser Schein,

Der Glantz vns Freyheit bringen,

Den Wütterich bezwingen

Vnd vnser Rächer sein.

Ach Himmel! laß die Augen

Diß Freche Blutt außsaugen!

Gieb daß diß Güldne Haar

Zu Stricken müsse werden,

Vnd stürtze zu der Erden

Das Haupt der stoltzen Schaar!

Quelle:
Judith-Dramen des 16./17. Jahrhunderts. Berlin 1933, S. 120-122.
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