74. Hüte dich für vnnötiger trawrigkeit:

[152] O weh dem/ welcher ist mit trawrigkeit geplaget!

Er schläfet ohne schlaf/ er ruhet ohne ruh/

Er wachet mit verdruß/ vnd eilt zum grabe zu/

Er frisst sich selbst/ vnd weiss doch oft nicht/ was jhn naget.

O wol dem der in Gott nach frewd' vnd wonne jaget!

Er lebt in höchster lust/ jhm ist vor nichtes bang'/

Im spinnet Lachesis den Faden noch so lang.

Er ist an Gott vergnügt/ auf den er alles waget.

Drumb fass' ein frölich hertz'/ vnnd sey eins frischen muthes/

Treib' angst vnd trawren auß/ vnd thu dir selber gutes/

Frewd' ist des hertzens hertz' vnd stellet es zur ruh.

Was ist Melancholey? ein brunnenquell des zweifels

An Gottes gütigkeit: ein bett' vnd bad des teufels.

Sie stürtzt viel leut' in's grab vnnd dient doch nirgend zu.

Quelle:
Deutsche Literatur, Reihe Barock, Erg.-Bd., Leipzig 1939, S. 152.
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