Rübezahl fährt auff der Kutschen.

[47] Es hat mir ein vornehmer Mann des Raths von Greiffenberg durch einen andern glaubwürdigen Leipzischen Bürger erzehlen lassen / wie einmahl[47] zweene Wander-gesellen über das Gebürge gereiset seyn /welche in ziemlicher Armuth und Bedürfftigkeit begriffen gewesen / also / daß sie bald nicht gewust haben / bey weme sie sich erholen solten / oder einen Zehrpfennig erlangen. In deme sie also fortgehen /und mit dergleichen Gedancken schwanger und traurig seyn / siehe / da sehen sie für sich hin eine prächtige Kutsche fahren / wobey etliche Trabanten gewesen / und Lackeyen hinter her gelauffen. Aus diesem Gesichte nehmen sie ab / daß es ein reicher Herr seyn müste / der vor ihre Bedürfftigkeit vielleicht etliche Pfennige in seinem Beutel übrig habe: Lauffen auch in solchem Sinne alsbald hinzu / heben an zu betteln /und ihre Armuth vorzubringen. Wie sie solches begehren sehr demütig und beweglich angebrachte hatten / da springet ein vornehmer Herr aus der Kutschen / und schneidet einem iedweden mit dem Messer aus den nahe darbey stehenden Gesträuchen einen[48] Stab oder Stock ab / überreichet solchen entzeln / sprechende: Damit sollen sie vor dißmal vorlieb nehmen /sie würden schon sich hieran erholen / und auff die Beine kommen. Die beyden Kerl nehmen die übergebene Stäbe an / bedancken sich vor die lange weile /dürffen das schlecht vermeinte Geschencke nicht ausschlagen / theils vermöge der Ansehnligkeit des vornehmen Gebers / theils wegen die Obsicht der Trabanten. Immittelst steiget der Herrische Rübezahl wieder auff seine Kutsche / und läst geschwinde drauff fahren: Die beyden Wanderer aber zotteln auch / wie wohl langsam / hinter her: Fangen allgemählich an von ihren empfangenen Stäben zu schwatzen; Ja einer wird auch endlich unmuths darüber / und spricht zum andern: Ey was soll mir der Stock? Solchen hätte ich mir selber allhier können abschneiden / weil kein Mangel dran ist; Derselbige Herr[49] hätte uns leicht was bessers können verehren / als nur dieses bißgen Holtz.


Ligneus es princeps, qvia lignea munera donas:

Aurea si dederis, aureus esse potes.


kan ich gar schöne mit dem Ovveno allhier sagen. Und in dem warff er seinen geringschätzigen Stab aus Ungedult so weit weg / als er immer konte. Der ander Mitgesell aber sagte: Ey Bruder / warumb so arg? Ich will meinen Stab behalten / wer weis wozu er gut ist? auffs wenigste will ich ihn zum Gedächtnüß verwahren / damit ich sagen kan: daß ich einen Wanderstock von einem vornehmen Herrn in die Hand gegeben bekommen habe. Weiter will ich hiemit auch practiciren / was jrner Grieche haben will / wenn er gebeut: σοὐκ ἔξεςι ἄνα ξύλού βαδἰζειν: Und immittelst / solcher gepflogenen Reden gerathen sie vom Gebürge in die nechste Herberge. Da besahe der ander Geselle noch einmahl zur Verwunderung seinen[50] verehrtē Stock / und befand / daß er lauter gediegen Gold war. Wie solches der erste vernahm / wolte er daran participiren / und ein Theil dran haben / und sagt: Bruder halb! Der ander sprach: Nein Narre / warumb hastu deinen Stab nicht behalten? So hättestu eben so viel gehabt / als ich itzund. Hierüber lieff der abgewiesene Kautz und Ephimetheus wieder zu rücke / rennte daß ihm der Kopff gleichsam brannte / und gedachte seinen verworffenen Stab auch wieder zu finden: Aber umbsonst; Da ware Hoffnung und Mühe bey dem Ucaledoti verlohren. Doch gnung.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Des Rübezahls Anderen, und ganz frischer historischer Theil. Leipzig, Arnstadt 1671, S. 47-51.
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