Rübezahl verkauffet Schmincke.

[218] Es soll vor diesem eine hoffärtige Dame sich sehr nach einer hüpschen Farbe umbgethan haben / ihr grehmliches Angesichte damit zu betünchen: Sintemahl sie in ihrer heßlichen Larve so scheußlich und Bocken narbicht außgesehen / als wenn der Henger Erbsen auff sie gedroschen hätte. Zu dieser hochtrabenden Mütze war einsmals der Rübezahl in einer frembden / und zwar außländischen Artzts-Gestalt ins[218] Haus gekommen; und hatte ihr unter andern raritäten ein herrliches cosmeticum præsentiret / oder schmincke Kleister præsentiret; und zwar für wacker viel Geld / weil die dargeboten; Waare das Antlitz trefflich zieren und recommandiren könte; daß sie selben kaum glauben würde / und solches zwar beständig durch etliche Monaten; so ferne man sich nur einmal damit bestriche. Was geschicht? Das albere Weibes Stücke glaubet den Worten / bezahlet den Qvarck /und nach dem der qvacksalberisch Rübezahl weggewesen / beschmieret sich umb und umb im Angesichte; und wird hievon pechschwartz wie ein Mohr; behält auch diese Farbe ihr Lebelang / und vermag sie nicht wieder loß zu werden; sie mag es auch angreiffen wie sie wil. Sie soll aber unter andern unzehlbar Mitteln auch dieses practiciret haben; daß sie lange geschlaffen hoffende / es werde damit besser werden; Weil man spricht: ie länger[219] man schläffe / ie weisser wird man. Doch was von dieser Qvackeley zu halten /das kanstu nachschlagen in einer Weiber Philosophi; welche aus lauter Aberglauben bestehet / die ich possirlich erkläret / und auff das allerlächrigste wahr gemachet habe: Wie der günstigste und begierige Leser mit aller Lust durch alle Blätter desselben Tractats befinden wird. Es ist aber zumercken / daß solche Phy lose Vieh in unterschiedlichen centurien beruhe; durch welche ich alle und iede / ja etliche tausend gewöhnliche und närrische Weiber Fratzen expliciret /und hönisch verlachet habe. Und wird von diesem Opere das erste hundert benahmet: Philosophia colûs, oder phy lose vieh der Weiber. Das ander hundert heisse ich Gynoso-Phiam, oder der tieffsinnigen Frauen Lohica. Das dritte hundert wird tituliret Dulo Magia, oder Mägde Physicke. Das vierte hundert nenne ich mororum moralia, oder morologiam,[220] daß die Narragorisch Ethicke. Das fünffte hundert wird genant Salpatersche Disch-putationes. Das sechste hunder heisset eine Compagnie Jungfer-Grillen. Das siebende hundert nenne ich Knechtes Albertäten. Das achte hundert heisset mir / wunderliche Schnadrigacken der alten Müttergen. Das neunte hundert führet diesen Nahmen: kauderwelsche Köchins Possen. Das zehende hundert heisset die geheime Cantzley der Sechswöchrinnen. Das eilffte hundert nenne ich den Baurischen Qvacksalber Marckt. Das zwölffte hundert heisset mir: Die aberwitzige Kinder-Schule. Das dreyzehende hundert heisse ich: die Schnackische Nonnen-Universität. Das vierzehende hundert heisset: die Bummelwitzige Rumpeltasche. Das sechzehende hundert nenne ich die super kluge Tändel-Griethe. Das siebenzehende hundert titulire ich: den[221] unvernünfftigen Zauber-Maß. Das achtzehende hundert heisset: der Philologische Hexen-König. Das neunzehende hundert: heisset die wahrhafftigen Einbildungen / und eingebildete Warheit. Das zwantzigste hundert wird benahmet / Ambubajarum Astrologia, oder die alt-vetteliche Weiter-Pracktike. Das ein und zwantzigste hundert heisset die Layen-Bibel. Das zwey und zwantzigste hundert nenne ich das Pöblische Heiligthumb Ey / ey! was werden bis vor kützliche und schmackhaffte Sachen seyn? Ja freylich: Die Finger wird mancher darnach lecken. Ich selber gebe ein Pfennig drumb / daß sie gedrucket / und den Curiosen Gemüthern auffs eheste könnten communiciret werden. Eine Wurst ist es / wenn sie nur gebraten were / verschmauset solte sie bald werden. Doch / qvicqvid differtur, non aufertur: Ob ich schon mit der Herausgehung dürffte einen Verzug leiden;[222] so soll das herrlichen Werck dennoch endlich ans Tage Licht kommen / und die lüsterne ersättigen. Es wird zwar etwas langsam zugehen / wo ferne nicht die begierigen Hertzen bey dem Herrn Verleger werden Ansuchung thun / damit es allgemählig ins Werck gestellet / und vor die Hand genommen werde. Daß aber ein ieder zu dieser Anregung richtigen Anlaß haben kan; solches wird künfftige Michaelis Messe / geliebts GOtt / die erste Centuria erweisen: Drinnen sich ein lustiges Gemüthe gnugsam noch weiter delectiren; und / wie ich verhoffen will / starcke Anmuthligkeit ertappen wird / den folgenden centurien / nach einander / oder mit einander zu wünschen / da mit er endlich das gantze teutsche Egyptenland / oder Egyptisches Teutsches Land / das ist: Integrum Thesaurum superstitionum vetularum Teutonicarum / besitze /und seine Bibliothecke[223] damit versehe. Gewisse ist es /wenn diß vorhabende Werck gäntzlich wird absolviret und gedrucket seyn / daß ein begieriger Mensch sich verwundern werde über die greuliche Anzahl der Weiblichen Aberglauben / und abergläubischen Weiber: Wie sie so trefflich gewisse Gründe haben: drauff sie fussen / wenn sie eines und das andere folgen /und ins Gelack hinein urtheilē. Es ist aber zu mercken / daß in einer solchen gedachten Centurie / zwar hundert Capittel werden angetroffen werden; aber in solchen weit mehr als nur so viel Aberglauben. Nemlich ich habe offt in Capite, zwo oder drey Superstitionen exagitiret; nach deme sie Verwandnüß mit einander gehabt; so habe ich sie in einem Gemache eingestallet / und dermassen herdurch gekrabatschet / daß sie immer möchten wie die Schaffhunde geheulet / oder auffs wenigste viel ärger geschryen haben / als ein unbendiges Weib / wenn der Mann mit den[224] Prügel über sie herkömt; oder sie mit ungebrandter Asche einer Ellen lang / in die Qver und Länge den Buckel durchmissēt. Also habe ich das Taudelwerck der Weiber geschoren. Ich habe aber auch zugleich collarionem gemacht der gegenwärtigen eingebildeten Fratzen /mit den alten Aberglauben / daher die unserigen offtermahlen rühren und ihren Ursprung von etlichen hundert ja tausend Jahren / per continuam traditionem besitzen. Nebenst diesen Wercke habe ich auch schon allbereit andere Centurien verfertigt / und zwar von gleicher Materi. Als ist ein hundert verhanden /welches ich nenne Saturnalia oder hundert Weinachtslügen. Ein ander hundert passet auch schon auff; welches ich nenne Callendaria; oder hundert neue Jahrs Possen. Drinne pari passu gute und böse Sachen vorlauffen; welche man in gemein von solchen beyden Zeiten des Jahres schwatzet: Und so wohl für[225] einen Gelahrten als ungelahrten wird dienlich seyn: Sintemal ich mich lange umb diese und vorige Materie beworben habe / oder damit im Schwange gegangen / und schwanger gewesen bin / ehe ich sie mit Mühe zur Welt gebohren. Nebenst diesen Sachen ist auch ferner elaboriret eine andere Centurie von Lucien oder kürtzesten Jahres Tage / Brumalia genannt /da gleichesfalls schöne Sachen vorgehen / ex Neoteritate & Antiqvitate. Weiter hat auch der günstige Leser ein opusculum justum de cornibus Moysis zu erwarten. Item / elaboratissimum & locupletissimum volumen Historico-philologicum de Nomine JOHANNES. Item: Commentarium elegantem super Ænigm. Virgil. dic. qvibus in terris etc. Item ein lustigs Werck vom Blocksberge / das allbereit unter der Presse lieget / und wie ein Schweinsbraten schwitzet. Darzu wird auch mit ehesten her[226] ans gegeben werden ein außführlicher Bericht von des Storchs und Schwalben Winter-Qvartiere. Hieher gehöret mein kriegender Wanderer unter der Erden: Darinnen von den Unter-Irrdischen gnugsamb soll abgeredet werden. Darzu wird sich auch flugs gesellen eine noch kurtzweiligere Schnacke / geheissen der erste Aprill: Schertzweise und ernsthafftig vorgestellet in etlichen Bieren / nach welchen die durstigen Seelen geschickt werden. Hierneben (wie wohl diese folgende bald werden gedrucket und ins Kupffer zu sehen bekommen werden: Sintemahl sie alleweil zu Nürnberg drüber her gewesen und noch itzund seyn) wird der großgünstige Leser mit Lust und Nutzen von mir zu erwarten haben über den herausgegebenen Thesaurum Chiromanticum und Metoposcopum, eine Zigeuner Karte; Eine Chiromantische Glücks-Karte reimweise abgefasset / nebenst beygefügten[227] Büchelein; In welcher ersten der Methodus Synthetica oder Theoria zugegen ist / da ich von einer Linien zur andern gegangen bin / die gantze Chiromantische Kunst zu lehren: In der andern ist Methodus Analytica und Praxis; da ich von einer Sachen zur andern gegangen bin: Und auff einem Blate alle Signaturen zugleich in eine Hand gebracht habe / welche langes Leben andeuten; Wie ich denn also mit allen Verzeuchnüssen durch alle eventus vitæ humanæ gegangen bin / und Anlaß gegeben habe / wie ein iedweder selber ein thema Natalitium Chirosophicum erigieren könne. Darauff wird sich auch dermahleins finden Chirologia Philologica und Podoscopia hactenus ànemine visa cum innumeris figuris. Hierneben wird eine neue Astronomische Karte zu bekommen seyn / welche in lauter Circkeln bestehen / nebenst einen Büchelein;[228] und den Aristophilis stattlichen Nutzen schaffen wird: Darbey wird auch zuerfragen seyn eine grosse Tabelle von allen und ieden Asterismis drinnen der Gestirne Bildnüsse und è regione in unterschiedlichen und vielen areolis alle Prædicata, oder Sachen so man von den sideribus lieset / kürtzlich und nervosè aus citatis multiplicibus Auroribus, werden nach der Reyge mit einer künstlichen disposition und Eintheilung zu lesen seyn. Noch ferner soll auch hierbey gefunden werdē eine antiqvitätische Karte: Darinnen sehr viel imagines oder eigendliche Bildnüsse sehr vieler und fürnehmerer / rarer und alter Sachen werden zu schauen und in Büchlein zu lesen seyn. Noch weiter ist auch hiebey verfertigt ein schönes Buch: Welches ich nenne / das grosse und künstliche Handbuch: Darinnen etliche hundert ja tausend Kupffer-Händelein zu sehen /[229] und erkläret werden. Nemlich ich weise im gantzen Wercke aus vielen künstlichen Scriptorio wie die Menschliche Hand in allen Scientiis und Wissenschafften könne mnemonice gebrauchet werden; Wie nemlich die gantze Deutkunst damit zu verrichten; wie man damit des Nachtes am Gestirne könne die Uhr wissen / und des Tages an der Sonnen / etc. Und also viel hundert ander Dinges mehr. Noch weiter wird auch hierzu kommen eine grosse Tabelle; welche ich nenne Triumphum Chiromantiæ: Darinnen gleich funfftzig vornehmer Leute Gesichter nebenst ihren untergefügeten fürnembsten Wörtern / die sie von der Chiromantie rühmlich fällen. Rund umbher sind etliche viertzig Hände: drinne die besten arcana chiromantica verzeichnet und unten beschrieben seyn neben andren ingeniösischen Sachen ebenwerts mehr: Draus ein ieder / der[230] vorher von der Chiromanti nicht hat wollen halten / sich wird müssen schämen lernen: Daß er aus seiner ignorantia eine solche disciplinam verworffen / davon so viel fürnehme Herren / so wohl die gelehrtesten Professores und Doctores Theologiæ als andere sinnreiche Philosophi viel oder auffs wenigste mittelmässig gehalten haben. Nach diesen Sachen / will ich / mit Gottes Hülffe / auch heraus geben sehr viel Tabellen; Drinnen eines theils die gantze Astronomia mit eben diesem Worte durch und durch acrologicè soll verfasset seyn / und daraus könne füglich erlernet werden. Ein ander Theil soll die vollständige Geographiam tam Mathematicam qvam Historicam; mit eben diesem Worte (Geographia) verfasset præsentiren. Werden sich nun zu diesen letztern und sonderlich zu den allerersten (denn die mittelsten seynd fast[231] fertig /) Verleger finden / oder der günstige Leser hierzu welche verschaffen / so sollen alle erzehlete Sachen bald zu Nutzen seyn / oder auffs wenigste verwunderliche recreation erwecken können. Und hiemit Ade RÜBEZAHL!


ENDE.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Des Rübezahls Anderen, und ganz frischer historischer Theil. Leipzig, Arnstadt 1671, S. 218-232.
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