Rübezahl verwandelt sich zum Bileams Esel.

[50] Nachdem einsmals ein Schnackhafftiger gemeiner Bürger / der sonsten in Compagnien mit seinen possierlichen schertzen die Leute hüpsch lustig machen gekundt / im Wercke begriffen gewesen / über das Gebürge zu gehen / und zwar gar einsamb; Da hat es sich zugetragen / daß der Rübezahl unterwegens zu ihm genahet / in Gestalt eines andern schlechten Bürgermannes / bey sich habende einen hüpschen grossen Esel / darauff er geritten. Nachdem sie nun ein weilgen miteinander gewandert / da hat der Rübezahl von Mitgeferten erfraget /[50] wohin er gedächte? Wie jener nun ein gewissen Ort benant / darauff er anfänglich zukommen würde; hat der Rübezahl gesprochen: Ey das ist getroffen / und also kan ich vielleicht einen weitern Weg ersparen: Nemlich / so ihr / guter Freund / gebeten seyn wollet / und mir meinen Esel zugefallen damit hinnehmet / und diesen oder jenen / (er hatte aber einen gewissen benahmet /) Manne liefert: Ich will euch zu erst ein paar Groschen zum Trinckgelde geben: Zum andern will ich euch auch erlaubenn / daß ihr auff das Last-Thier reiten möget / und ewren Weg ohne sonderliche Müdigkeit / desto füglicher verrichten. Hierauff hat es jenen beliebet / und war nach dem der unvermerckte Rübezahl durch einen andern Weg abseits gegangen. Wie nun dieser Tropff / deme der Esel anvertrauet geworden / eine Ecke auff das Creutzthierigen geritten / und es sich etwas träg erzeiget; da hat ers mit[51] einer Spitzruthen / geschmissen und etwas weiter angereget: drüber der Esel auß Ungedult angehoben / und mit Menschlicher Stimme gesprochen: Schlag / Schelm schlag. Drüber hat sich der Bereiter entsetzet / und dennoch nach seiner gewöhnlichen kurtzweile besprochen; Du wirst so nicht gar der Teuffel seyn: Und hiermit war er noch etwas fürder gezucket: Biß der Esel abermal stutzig geworden /und auff dem Wege stehen geblieben: Da hat jene Schnacke sich wiederümb seiner Peitsche gebrauchet: Drauff der Esel dieses gesaget / halt inne Bruder /weissestu nicht / daß dich gleich jetzund in deiner Abwesenheit dein Nachbar zum Hahnrey machet? Hierüber hat sich der Reuter nunmehr recht entsetzet / und geschwinde gesprochen: Halt / halt! Nun höre ich erst recht / daß ich mit den Henger beschissen bin: Du magst deines Weges gehen / und ich will vor mich auch schon die Bahne zu finden[52] wissen; Und in deme wolte er von dem Esel hinnunter hutzschen. Aber /nein / sprach das Reformirte Bileams Pferd: So haben wir nicht gewettet: Du must mit mir / und ich mit dir: Wir müssen beyde vertrawet bey einander bleiben. Doch wie dem allen / so hatte jener zaghaffter Hase sich immer bemühet vom Esel herunter zu kommen; aber er war allezeit inne geworden / daß er gleichsam angebacken wehre / und sich durchaus nicht abzwingen möchte; wie viel gerüttelt / geschüttelt und gezopffet. Mittlerweile aber war der Esel mit dem Auffsitzer / wie das geflügelte Pferd Pegasus mit dem Bellerphontes oder Perseus, über Block / über Stock /gesprungen; also daß sie mit einander in einer Eyle eine halbe Meile verrichtet. Da es denn geschehen /daß sie an ein seichtes Bächlein gerathen / drüber der Weg gegangen: Da war der Esel zwar anfangs sichtlich mit hinein gegangen /[53] aber weiter hinwerts war er unter ihn verschwunden; und zum zimlichen Stücke schönes Leinwandes oder Schlesischen Schiers geworden: Drüber der Wanderer auffs neue theilß wieder erschrocken / theils auch erfrewet worden; Denn es war ihme nunmehr in Gedancken gekommen daß es Rübezahls gespüke und geschicke seyn möchte. Hat derohalben das unter sich befundene Pack Leinewand / getrost- als nunmehr sein eigenes genommen / und ist damit / nach der außgestandenen Angst getröstet worden / und hat seinen Weg vollends ohne Irrthum verrichtet. Ja / er hat auch bald darauff gesehen / daß die vormals geschanckten Groschen zu Ducaten waren geworden / drüber er noch mehr gejauchzet.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Des Rübezahls Dritter und gantz Nagel-neuer Historischer Theil. Leipzig, Arnstadt 1673, S. 50-54.
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