Rübezahl verstellet sich in Johannis-Würmer.

[74] Wie ich vergangen meine Sporen machen ließ / nachdem sie mir auf der alten Sau zerbrochen; Da hörte ich von Sporer-Gesellen / daß er vor 80. Jahren / wie er noch ein junger Mann gewesen / über das Gebürge gezottelt sey / und weil er irre geworden / auch auf demselben habe müssen ruhen / und durch die anbrechende Nacht verpausen / biß gegen den liechten Morgen. Immittelst er also an einem Felsen geschlummert / und für Furcht / dennoch nicht recht hatte schlaffen können; Da hatte er in der finstern Nacht ungefähr nicht weit von dannen an einem Orthe vermercket / wie ein sehr Hauffen gläntzende Johannis-Würmer geflimmert / die ihme gleichsam immer näher und näher gerathen: Dadurch er sich sehr gefürchtet und grausen hat lassen / in dem er bald gemeynet / es würden solche eingebildete Würmerigen[75] seyn: Bald es müste ein Betragniß seyn / das nach ihm trachtete /und seine Kehl abgurgeln wolle. In solcher Phantasey hat er die gantze Nacht zugebracht / biß er endlich am hellen Morgen verspüret / daß es eine Hallucinatio visus deceptio optica oder Augens-Verblendung gewesen / in dem er erkannt / daß es lauter gülden Sand / und gediegen Gold / groß und klein gewesen / daß er hernach an etliche Scheffel voll gesamlet / biß er viel reicher geworden als der König Salomo gewesen: Wiewol ihme der gantze Reichthum nunmehr mit sampt seinem Alter / von gegenwertigen Seculo ferreo benommen / und Aureum drauß geworden ist? ihme aber an statt / deß Goldes als eine Sporer das Eisen verlassen hat / welches er noch heutiges Tages schmiedet unn feilet: biß er für ein grosses Stück außgepollirtes Eisen / ein kleines Stücke Gold erlange? Alldieweil man zu unsern Zeiten wenig Gold vor ein Ey gibt / ich geschweige[76] für eine eiserne Kette etliche Rosenobel / welches dennoch / nach Thomam Morùm, in Utopiâ nicht gültig ist / noch sonsten in einer Indianischen Landschafft / nach dem Boëmum in libello de moribus & ritibus gentium: Alldieweil allda die Gefangenen mit güldenen Ketten gefesselt seyn: Verstehe die Physische oder vielmehr Historische Gefangene; Sonsten weiß man ohne das wohl /daß die Sache bey uns dennoch auch nicht zu sehr unwahr sey / was die Ethische Gefangene betrifft / welche moraliter obstricti und captivati seyn; das ist / in gülden Ketten so angebunden und geschlossen seyn /daß sie kein Mensch von ihrem Geitz / auch nicht der Tod einmahl lösen unn entledigen kan; da hingegen die Sclaven / so der Türck manchmal zu uns schicket /viel freyer seyn / als mancher gefesselter Mammons-Gesell: Qui non potest resistere tot armatis, seu qui se non expedire potest ex vinculis & catenis Pluti; ut Liber animô, & liberalis manu[77] viveret erga egenum, & ad tempus compedibus ferreis miseriarum inclusum, sed sapienti sat dictum! Doch wil ich mit diesen beygefügten Salibus und Schnackereyen / der erzehlten Sache Historischen Glauben nicht verstören noch aufheben / sondern sie richtig und unleichtbar hierbey passiren lassen / und außgegeben haben.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Des Rübezahls Dritter und gantz Nagel-neuer Historischer Theil. Leipzig, Arnstadt 1673, S. 74-78.
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