Rübezahls Nahmens Ursprung.

[117] Ich habe im ersten Theile mich weitläufftig herausgelassen / in Erkundigung der Derivation des Rübezahlischen Wortes: Aber es will mich solches dennoch nicht begnügen / und das weitere Angedencken stillen. Derentwegen habe ich mich auffs neue abermal erkühnet / eine besondere Muthmassung allhier an den Tag zu geben / von obgedachter Etymologia des Rübezahls. Nemlich es bleibet noch einmahl darbey /daß der wohlbekandte Berg-Geist den Nahmen Rübezahl durchaus nicht vertragen noch erleiden kan / derentwegen er denn gewisse eine üblere Außdeutung[117] muß hinter sich haben / und etwas heßlichers darff heissen / als wie oben etwan hat mögen erfunden und befunden werden: Sintemahl die Etyma allda noch ziemlich gut ablieffen / und keine greuliche Dolmetschung zu verstehen gaben. Und also bilde ich mir denn billig ein / daß das Wort Rübezahl unfehlbar einen garstigen Klang und Außlösung muß hinter sich her schleppen. Im Falle es der Geist so schimpfflich und übel empfindet / wenn er damit beleget wird. Was mag denn aber wohl eigendlich der Nahme Rübezahl ihme wollen? Ich vermeyne nunmehr / daß er einen verächterischen Igel / oder hertzhafftigen Schweiffer anmelde. Nemlich es kömt mir das Wort für / als sey es zusammen geflicket aus dem Alt-Fränckischen vocabulo, Rügen / das ist in bösen Geschrey bringen / verrathen / etc. Wie es Herr Doctor Luther seel, gebrauchet hat / Matth. 1. v. 19. Joseph aber ihr Mann war fromm / und[118] wolt sie nicht Rügen / gedacht aber heimlich sie zu verlassen. Oder solte es ein ander lieber wollen entborgen / von dem andern veralteten Worte Rünen oder Raunen / so gilt es mir gleich viel. Es bedeutet aber solches nicht allein etwas heimlich Murmeln / etc. wie es von Doctor Luthern in einem Psalme gebrauchet ist: sie raunen mit einander. Sondern es heisset auch einen Hexenmeister / etc. Wie erscheinet aus D. Olai Wormii Fastis Danicis, lib. 1. cap. 1. p.m. 2. Hieraus siehet nun leichte ein ieder /was es für eine Beschaffenheit mit dem ersten Stücke des componirten Rübezahlischen Wortes habe: Nemlich es läufft beyderseits zur Unträgligkeit hinaus; Denn welcher Kukkugk wil sich gerne für einen Hexer oder Verräther schelten lassen? Und eben desselben gleichen ist auch nichts Gutes verhanden aus dem letzten Theil gedachtes Wortes / nemlich Zahl oder Zagel. Sintemal solches nit minder schimpfflich[119] und scheltig adhibiret wird. Es ist bekant / daß in Thüringen / und sonderlich zu Saalfeld der gemeine Mann nichts häuffigers im Maule habe / wenn ein großer Krusel-Wind oder Zwirbel entstehet / der alles kunterbund in einander wehet; als der Schweinzahl fähret: Womit sie / ich weiß nicht was für einen Teuffelischen Geist meynen. Ebenmässig schreyen auch die Strassen-Räckel und Gaß-Jungen / wenn sie den Drachen fahren sehen / der den Hexen Geld und andere gestohlene Sachen zuschleppet /) Schweinzahl / Schweinzahl / Schweinzahl / etc. Da sie denn mit dergleichen Geschrey und Benennung das Teufflische Geschmeiß in der Lufft ein wenig auffhalten wollen /(denn man wil es erfahren haben / daß es den Hengker verdriesse / und dessentwegen verzögern / im Fortfliehen sich aufhalte / und gleichsam über denselben Orthe im Grimme stillestehend schwebe /) und mitlerweile ersehen[120] können / was der Drache trage: ob er Geld / Korn / oder sonsten was zuführe? Weiter ist auch dieses nicht unbewust / daß eben zu Salfeld von den muthwilligen Buben / am ersten Pfingsttage die jenigen Leute / so in den Häusern am längsten geschlaffen haben / nicht alleine Pfingstzahl nachgeschryen werden; sondern es machen auch die losen Knechtgen von den Mayen- oder Bircken-Sträuchen einen Krantz / oder sonsten ein zusammen geflochtenes Gewirre / daran ein langer Schwantz herunter henget / und werffen solches Zeug den Mägden oder andern Lange-Schläffern / wenn sie früh in die Kirche gehen wollen / unvermercklich hinterwerts an den Kleidern / also / daß es hengen bleibe: (sie nennen aber solches Ding auch einen Pfingstzahl:) Und schreyen hernach immer hinterwerts drauff loß; Pfingstzahl / Pfingstzahl / Pfingstzahl / etc. Darauff sich die Leutgen ingemein ümme sehen / und ihre Kleider rücklings betrachten / ob nicht etwan[121] ein schelmischer Junge ihnen aus possen was angehenget habe. Ja / es scheuet sich auch fast ein iedweder am vermeldeten ersten Pfingstage; daß er nicht der längste im Bette sey / und billich einen Pfingstzahls Namen verdiene. Aus diesen besagten vermeine ich /daß ein jeder leicht abnehmen werde / was es für eine Beschaffenheit umb das Wort Rübezahl habe: Welches auff besagten Schlage kein gutes Haar an sich hat; sondern überaus verächtlich und widerwärtig lautet. Was sonsten noch ferner belanget die Particul Zahl oder Zagel; so ist solche gantz lästerlich: Und wird ingemein an etlichen Orten / sonderlich in Schlesien / und vor diesem in Thüringen zu Salfeld zum Scheltworte oder Schimpffs Namen angewandt. Als habe ich mir auch sagen lassen / daß noch heutiges Tages in gedachter Stadt / ein Geschlechte soll übrig seyn / darinnen der Zuname ist Lemmerzahl: Dieser Nahme kan anfänglich einem Manne ungezweiffelt aus Possen und[122] Hohn / zugeleget seyn (wie denn der gemeine Mann und der unartige Pöbel an vielen Orten / und sonderlich daselbsten mit dergleichen Oeckel- oder Affter-Namen sehr auswürffig seyn; und einem ieden gar leichte / aus einer schlechten Begebnüsse /höhnisch tituliren kan / oder einen kauderwelschen Namen anhengen) confer Harstörffern im grossen Schauplatz lustreicher Geschichte / part. 2. c. 158. p.m. 221. Da die Jungen einem nachschreyen: Eselsschwantz / etc. der vorher fürwar viel anders mag geheissen haben. Was in übrigen (damit ich wiederhole / was oben gleichsam vergessen worden) dz Wort Rügen oder Rünen betrifft; Da Abrüncken oder Alraun von her kömpt: Davon besiehe künfftig / geliebtes GOtt / mit mehren meine Weynachts-Lügen / oder hundert / und drüber Abergläubische Fratzen vom selben Feste. Also / daß endlich nunmehr nach meinen Wahn / der Name Rübezahl mir nicht anders vorkömmet; als Rügezahl oder Rünezahl.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Des Rübezahls Dritter und gantz Nagel-neuer Historischer Theil. Leipzig, Arnstadt 1673, S. 117-123.
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