166. Sage vom alten Wernigeröder Waisenhause.

[65] Eine vornehme Dame zu Wernigerode hatte zwei uneheliche Kinder. Diese setzte sie aus und die Stadt Wernigerode nahm die Kinder in das Waisenhaus, welches dann abbrannte und an dessen Stelle jetzt das Haus des Kaufmanns Ludwig Meyer steht. Zu der Zeit aber war eine große Theuerung, den Waisenkindern wurde das Brod sehr knapp zugereicht. Da erhielten die beiden Kinder einst gemeinsam ein Brod und darum schlugen sie sich einander todt. Die Mutter hatte die Kinder immer beobachtet, aber, um sich nicht zu verrathen, trotz ihres Reichthums nicht gewagt, ihnen beizuspringen. Als sie den Mord erfuhr, grämte sie sich zu Tode, und soll noch immer in dem alten Waisenhause, das früher ein altes Kloster gewesen sein soll, gespukt haben. Auch das Blut der beiden Knaben soll in dem alten Waisenhause immer noch zu sehen gewesen sein.

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Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 65.
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