235. Von der Linde auf dem Stukenbergsanger zwischen Charlottenlust und Veckenstedt.

[99] Vor langen Jahren standen zwei feindliche Heere auf dem Stukenbergsanger sich einander gegenüber. Eines Tages lieferten beide Heere daselbst eine Schlacht, die zwar bei gegenseitiger Tapferkeit blutig war, aber ohne entscheidendes Ergebniß blieb. Am Abende dieses Tages, nach beendigter Schlacht, versammelte der Feldherr des westlich stehenden Heeres seine Anführer um sich, um Kriegsrath zu halten, und nach geschehener Berathung steckte er sein Schwerdt in die Erde und sprach zu seinem Volke: »So wahr ich jetzt mein Schwerdt in die Erde stecke und daraus ein Baum werden wird, der grünt und blühet, so wahr will ich morgen meinen Feind schlagen!« Am andern Morgen früh stand an der Stelle, wohin der Feldherr sein Schwerdt gesteckt hatte, eine grüne Linde, welche aus dem Schwerdte entstanden war und welche jetzt noch an derselben Stelle steht.

Durch dieses Wunder wurde das ganze Heer zum Kampfe ermuthigt und war sich des Sieges im Voraus bewußt. Es wurde also früh das östlich stehende Heer angegriffen und[99] bei der Teichmühle eine lange blutige Schlacht geschlagen (im langen Schlage), deren Ergebniß war, daß das östliche Heer gänzlich geschlagen wurde. Da ward (und zwar in der Gegend, wo jetzt das Dorf Reddeber steht) der Ruf gehört: Redde sek, wer sek redden kann! (Es rette sich, wer sich retten kann!) wovon Reddeber den Namen erhalten hat.

Das Westheer verfolgte die geschlagene Armee bis an den Ort, wo jetzt das Dorf Minsleben liegt. Hier blieben nur die wenigsten (minimi) noch am Leben, von welchem Umstande dieser Ort seinen Namen erhalten haben soll. Erst als der Rest des geschlagenen Heeres die Gegend von Silstedt erreicht hatte, stand der Sieger von der Verfolgung ab und die geschlagenen Truppen konnten still stehen. Von diesem Stillstehen oder Stillstand, stille Stidde, soll Silstedt seinen Namen führen.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 99-100.
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