Nr. 60. Verschiedene Zwergsagen.

[35] Auf dem Knickberge zwischen Veckenstedt und Wasserleben waren bis 1777 (wo überhaupt die drei sieben die Zwerge vertrieben) Quarge oder Pater und verliehen von ihrem Vorrat Silber- und Thongeschirr. Wenn die armen Leute (wie auch in Lüttchenrode) riefen: »Backet mek en kleinen Kauken midde!« so reichten sie einen kleinen Wasserkuchen hin. Auch holten die Zwerge herein, was ihnen vor ihre Löcher gesetzt wurde. Die Löcher sind jetzt nicht mehr zu sehen. Eine alte Frau, die von den Quargen erzählte, sagte: »damals war noch eine gute Zeit!« Sie waren sehr fleißig und machten besonders den Leuten den Flachs aufs schönste und beste zurecht. Die Zwerge hatten auch eine eigene Sprache, welche die Menschen nicht verstanden, sie verstanden aber die Menschen. Die Zwerge waren sehr gefällig, wenn sie aber Kinder vertauscht hatten und die Leute trugen die ausgetauschten Kinder wieder hin, so bekamen sie ihre Kinder nicht wieder. Ein Schäfer trieb mit dem geliehenen Geschirr Schabernack, da zogen die Zwerge nach Afrika.

Eine Frau hatte ein Kind, das war groß und klug, sprach aber nicht. Einst schlug sie Eier entzwei und warf den Dotter an die Erde und die Schale in den Napf. Da sagte das Kind mit grober Stimme: »Mutter, warum thust du das?« Sogleich nahm die Frau den Knüppel und prügelte das Kind vom Hofe, denn es war als Zwergkind erkannt.

In Silstedt hatten die Leute auf der Scheune Quarge, die würfelten das Korn und holten es in unsichtbaren Nebelkappen fort. Einst warf ein Mann aber mit der Schaufel, da fiel einem Zwerge die Nebelkappe ab und er war in des Mannes Gewalt.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 35.
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