Nr. 171. Steiger Calvör.

[170] In einer Grube auf Andreasberg wird das Rotgülden gegraben, das ist so kostbar, daß die Bergleute, die aus dem Schachte kommen, am ganzen Körper untersuchet werden. Dort kamen zu einer gewissen Zeit so viele Bergleute, die des nachts arbeiteten, zu Tode. Einst nahmen sich zwei Kameraden vor, die Ursache dieser Todesfälle zu untersuchen. Da kam um die Mitternachtsstunde ein furchtbares Brüllen und Getöse und so näherte sich ein furchtbarer Ochse. Als sie ihn aber mit dem Bohrfäustel und mit dem Zweimenschenbohrer angriffen, verstummete das Gebrüll und bald darauf bat es mit menschlicher Stimme aus der Ochsenhaut ums Leben. Die Bergleute rissen nun die Ochsenhaut herunter und da kam der Steiger der Grube, mit Namen Calvör, zum Vorschein. Er bot ihnen viel Geld, wenn sie schweigen wollten, denn er hatte die Ochsenhaut, die er im Schachte verborgen hielt, benutzt, die Bergleute zu schrecken und dann zu töten, um viel Rotgülden für sich aus dem Schachte zu bringen. Die Bergleute aber wollten sein Geld nicht und zeigten ihn an. Als er festgenommen werden sollte, hatte er sich in den Schacht gestürzet. Lange hat er da gespuket und überall den Bergleuten im Wege gestanden und oft haben die zueinander gesaget:[170] Da stehet der lange Calvör schon wieder mit seiner Ochsenhaut.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 170-171.
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