Sieben und Vierzigstes Kapitel.

[145] Wie Grandgoschier seine Schaaren versammelt' und Staarenstör Frühträubeln erschlug, dann auf Pikrocholus Befehl erschlagen ward.


Um eben die Zeit schickten auch die von Besse, von Bourg Saint Jacques, Riviere, Marché Vieulx, Trainneau, Parillé, Roches Sainct Pol, Vaubreton, Pautillé, Cravant, Brehemont, Bourdes, Grandmont, Pont de Clain, Lavillaumere, Huymes, Segré, Husse, Panzoust, Sainct Louant, Coldreaulx, Verron, Chose, Coulaines, Varenes, Bourgueil, von der Insel Bouchard, Croullay, Narsay, Cande, Montsoreau und noch mehr umliegenden Orten ihre Gesandten zum Grandgoschier, anzeigend wie sie die vom Pikrochol an ihm verübte Unbill erfahren und ihm an Volk und Geld und anderen Kriegsbedarf was nur in ihren Kräften stünd aus alter Bündniß zu Dienst entböten. Das Geld belief[145] sich laut mitfolgenden Katastern auf Einhundert vierunddreyssig Millionen, und dritthalb Goldgülden.

Des Volkes waren: funfzehntausend schwere Reiter, zweyunddreyssigtausend leichte Pferd, neunundachtzigtausend Hakenschützen, hundertvierzigtausend Ebentheurer, eilftausendzweyhundert Kanonen, Doppel-Kanonen, Basilisken, Spirolen. Schanzgräber vierzigsiebentausend, sämmtlich verproviantirt und besoldet auf sechs Monat und vier Tag. Welches Anerbieten Gargantua weder abschlug noch auch gänzlich annahm.

Sondern bedankt sich höchlich bey ihnen, fürgebend er wollt diesen Krieg mit guter Art schon dahin schlichten, daß so viele redliche Leut zu bemühen nicht Noth thun würde. Auch fertigt' er nur Einen ab, der ihm die Schaaren die er gewöhnlich in seinen Festen zur Devinier, zu Chavigny, Gravot und Quinqenais hielt, in guter Ordnung zuführen mußt, an Zahl zweytausendfünfhundert Küriser, sechsundsechzigtausend Fußknecht, sechsundzwanzigtausend Schützen, zweyhundert grobe Feldstuck, zweyundzwanzigtausend Schanzer, und sechstausend leichte Pferd, all in Banden und Fähnlein gemustert, so wohl versehen mit ihren Fourieren, Cassieren, Fahn- und Waffenschmieden und anderm nöthigen Heerestroß, so wohl erfahren in Kriegesübung, so wohl gewappnet, so ihren Fahnen gewärtig und folgsam, so flugs gehorchend auf Wort und Wink ihrer Hauptleut, so behend zum Anlauf, so strack zum Sturm, so klug im Treffen, daß sie mehr einer harmonischen Orgel und wohl gestelltem Uhrwerk glichen als einer Armee oder Heereszug.

Staarenstör, sobald er zurückkam, stellt' dem Pikrocholo sich vor, und erzählt' ihm nach der Läng was er gethan und gesehen hätt. Rieth ihm zuletzt nachdrücklichst an, mit Grandgoschieren sich zu vergleichen, welchen er als den treuesten Menschen von der Welt erfunden hätt, beyfügend daß es weder billig noch nützlich wär seine Nachbarsleut, von denen man lauter Liebes und Gutes genossen hätt, also zu kränken. Und, was die Hauptsach wär so würden sie aus diesem Handel nimmer ohn merklichen Schaden und Unglück entkommen, denn des Pikrochols Macht sey nicht von der Art, daß nicht Grandgoschier sie leichtlich möcht ins Bockshorn jagen. – Er hätt dieß Wort noch nicht ausgesprochen,[146] da fiel Frühträubel ihm überlaut in die Red und rief: Das ist fürwahr ein unglückseliger Fürst, der Diener hat die sich so leicht bestechen lassen, wie ichs am Staarenstör hie seh; denn sein Muth, merk ich, ist so umgewandelt, daß er sich lieber mit unsern Feinden verräterischerweis zum Krieg wider uns verbunden hätt, wenn sie ihn nur behalten wollten. Wie aber die Tugend von jedermann, so Freund als Feind, belobt und werth gehalten wird, also wird auch die Schelmerey gar bald erkannt und verdächtiget. Ja gesetzt, daß sich die Feind auch ihrer zu ihrem Vortheil gebrauchten, haben sie doch stets vor Schelmen und Verräthern Abscheu.

Auf solche Wort zog Staarenstör unwillig seinen Degen vom Leder, und durchstach damit Frühträubeln, ein wenig über der linken Brustwarz; daran er unverzüglich starb. Zog dann die Wehr aus dem Leib und sprach freymüthig: Also fahre hin, wer treue Diener verleumden will. Pikrocholus entbrannt darüber in jähen Zorn und sprach, als er den bunten Degen und schön verzierte Scheiden sah: Hat man dir darum die Kling gegeben, daß du in meiner Gegenwart mir böslich meinen so guten Freund Frühträubel solltest ums Leben bringen?

Darauf befahl er seinen Hatschieren ihn in Stücke zu hauen, welches auch auf der Stell so gräulich vollstreckt ward, daß das ganze Gemach mit Blute gepflastert war: und ließ darnach Frühträubels Leichnam ehrlich bestatten, aber den Körper des Staarenstör in den Graben über die Mauern werfen.

Die Zeitung dieser Frevel ward im ganzen Heer ruchbar, und Viele fingen wider Pikrochol zu murren an, bis endlich Einer Namens Rebenklau zu ihm sprach: Herr, ich weiß nicht, was noch zuletzt aus diesem Handel werden soll; ich seh wohl, euer Volk ist nicht besonders guten Muthes. Es ist ihnen kein Hehl daß wir hie schlecht mit Mundwerk versehen, auch schon an Zahl durch zwey bis drey Ausfäll um vieles vermindert sind.

Zudem stößt euern Feinden viel und mächtige Verstärkung zu: wenn wir erst einmal belägert würden, seh ich nicht ab wie unser aller Untergang zu vermeiden stünd. – Ey[147] Quark, Quark! sprach Pikrocholus, ihr seyd wie die Ael von Melun, schreyt eh man euch schindet. Laßts nur kommen.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 145-148.
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