Sieben und Zwanzigstes Kapitel.

[290] Wie Pantagruel ein Trophäum zu ihres Sieges Gedächtnis erhub, und Panurg eins zu der Hasen Gedächtniß. Und wie aus des Pantagruels Fürzen die kleinen Männlein, und aus seinen Fisten die kleinen Weiblein geboren wurden. Und wie Panurg einen dicken Stock auf zween Gläsern entzwey brach.


Doch ehe wir von hinnen gehen, fuhr Pantagruel weiter fort, will ich an diesem Orte noch, zum Gedächtniß des anitzt von euch erfochtenen Siegs, ein stattliches Trophäum erheben. – Alsobald, unter lautem Jubel und kleinen ländlichen Liedlein pflanzten sie all mitsamen ein grosses Holz auf, und hingen daran: einen Reitersattel, Pferdsstirn, Pumpen, Steigriemen, Sporen, eine Halsberg, ein stählern Panzerhemd, Wappenhandschuh, Ringkragen, Schienen, Armzeng, Axt, Streithammer, Stoßkling, und was sonst zu einem Trophäo und Siegesbogen an Wappengeschmeid erforderlich.[290] Darauf verfertigt Pantagruel zu ewigem Triumphgedächtniß dieß Dictum und schrieb:


Hie ward die hohe Heldenkraft erkannt

Von vier mannhaftig kühnen Rittersleuten,

Die nicht mit Schild und Schwert, nein durch Verstand,

Wie Fabius und Scipio vor Zeiten,

Sechshundertsechzig Lauseherrlichkeiten

Baumlanger Hansen aufgebrannt wie Haar;

Fürst, Herzog, Thurn und Bauer zu bedeuten,

Daß Schlauigkeit mehr werth als Stärke war.


Denn die Victoria,

Weiß man zuvor ja,

Ist Gnädigkeit

Der Consistoria,

Wo hoch in Gloria

Der Herr gebeut.


Dem starken Arm Er's nicht verleiht,

Ist dem nur den Er sich erkohr, nah;

Darum findt Siegesglück im Streit,

Wer mit Vertraun zu Ihm empor sah.


Während Pantagruel obigen Spruch schrieb, nahm Panurg einen grossen Pfahl und schlug daran: die Hörner, Haut und Vorderklaun vom Rehbock, dann die Ohren dreyer Hasen, den Bürzel eines Canikels, ein Hasen-Kinn, zween Pirkhahnflügel, vier Waldtaubenfüss, ein Essigfläschel, ein Hörnlein da sie ihr Salz drinn führten, den hölzernen Bratspieß, die Spickenadel, einen alten zerlöcherten Kessel, ein Brüh-Kännlein, ein irden Salzfaß und einen Becher von Beauvoys; dann schrieb er in Nachahmung der Reim und Trophäen Pantagruels wie folget:


Hie saßen mit den Aerßen auf dem Sand

Vier muntre Kerl und schmausten hoch vor Freuden.

Zu Bacchus Ehren ging aus Hand in Hand

Der Humpen; Jeder soff für zwanzig Heiden.

Und Meister Has, um den sich Alle streiten,[291]

Ward seines Leichnams bis zum Bürzel baar.

Von Salz und Essig hätt er viel zu leiden;

Sie nagten ihn wie Skorpionen gar.


Denn pro Memoria

Der Defensoria

In Kriegeszeit

Ist kein Gefahr da,

Wenn zur Historia

Man brav thut B'scheid.


Doch Hasen essen wär mir Leid

Wenn ihm nicht Essig netzt' die Coria:

Weinessig ist sein Seelen-G'schmeid!

Halt an der Tunk pro peremptoria.


Itzt, Kinder, kommt! sprach Pantagruel: wir gaffen hie schon zu lang beym Fleischtopf; und grosse Schlemmer sind selten viel nutz im Feld. Kein Schatten, als unter den Fahnen, kein Dampf als Roß-Dampf, kein Geklirr als Harnisch-Klirren! – Darauf fing Epistemon an zu schmunzeln und sprach: Kein Schatten als in der Küch, kein Dampf als Pasteten-Dampf, kein Geklirr als Humpen-Klirren! – Panurg fiel ein: Kein Schatten als hinterm Umhang, kein Dampf als Bietzel-Dampf, und kein Geklirr als mit den zwey Schellen! – Stund damit auf und ließ im Aufstehn einen Furz, thät einen Sprung und einen Pfiff und rief lustiglich mit heller Stimm: Es leb allzeit Pantagruel! – Als der dieß sah, wollt ers ihm nachthun; doch von dem Furz den Pantagruel ließ, erbebt' die Erd auf neun Meilen weit in die Rund, und heckt' aus der faulen Luft desselben über dreyundfunfzigtausend kleiner unförmlicher Zwergmännlein: deßgleichen auch mit einem Fist den er streichen ließ, eine eben so grosse Schaar kleiner holziger Weiblein, wie ihr an mehren Orten seht, denn sie wachsen nimmer, ausser nach unten, wie die Kühschwänz, oder auch in die Rund wie die Limousiner Rüben. – Wetter! rief Panurg, sind eure Fürz so fruchtbar? Nun seh mir eins dieß Krebsenvolk von schmucken Mannsen! Die artigen Weibsfist![292] Man muß sie zusamen copuliren, so giebts Kühfliegen. – Also thät Pantagruel und hieß sie Pygmäen, und setzet' sie auf eine Insel unweit davon, wo sie seitdem sich stark vermehret; nur über ziehen die Kranniche sie in einemfort mit Krieg; allein sie wehren sich tapferlich, denn diese Endekens von Männlein (in Schottland Striegel-Stiel geheissen) sind gar cholerischen Temperaments, wovon die physisch Ursach ist, daß ihnen das Herz nicht weit vom Mist liegt.

Mittlerweilen nahm Panurg zween Gläser von Einer Größ die ihm zu Handen waren, schenkt' sie voll Wasser so viel hinein wollt, und stellt' sie, ein jedes auf einen Schemmel, fünf Schuh weit auseinander; nahm darauf einen Lanzenschaft, fünf Schuh und einen halben lang, und legt' ihn auf die zween Gläser also, daß die zwo Enden des Schaftes just auf den Rand der Gläser zu liegen kamen. Nach diesem nahm er einen dicken Pfahl und sprach zum Pantagruel und den Andern; Jetzo, ihr Herren, merket auf, wie leicht wir über unsre Feind triumphiren werden! Denn, wie ich dieß Holz hie auf den Gläsern zerbrechen will, ohn daß ein Glas entzwey bricht noch zu Schaden kommt; ja, was noch mehr, ohn daß auch nur ein einig Tröpflein heraus soll fallen, so werden wir unsern Dipsoden die Köpf zerschellen, ohn daß nur einem Mann von uns ein Leids geschäh, noch er einen Schaden an seinem Zeug litt. Doch, daß ihr nicht meinet es wär etwann ein Zauber dabey, so nehmet (so sprach er zum Eusthenes) hie diesen Pfahl, und schlagt damit so stark ihr könnt, hart in die Mitten. Eusthenes thät also, und der Schaft zerbrach quer in zwey Stücken, und nicht ein Tropfen Wassers fiel aus den Gläsern zur Erden. Darauf sprach er: Ich weiß euch wohl noch andre Schwänk, nur frisch drauf los, und laßt uns wandern!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 290-293.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gargantua und Pantagruel
Gargantua. Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, 2 Bände
Gargantua und Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, in 2 Bdn.
Gargantua und Pantagruel

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Die Mappe meines Urgroßvaters

Die Mappe meines Urgroßvaters

Der Erzähler findet das Tagebuch seines Urgroßvaters, der sich als Arzt im böhmischen Hinterland niedergelassen hatte und nach einem gescheiterten Selbstmordversuch begann, dieses Tagebuch zu schreiben. Stifter arbeitete gut zwei Jahrzehnte an dieser Erzählung, die er sein »Lieblingskind« nannte.

156 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon