Achtes Kapitel.

[361] Wie der Hosenlatz des Kriegsknechts erstes Waffenstuck ist.


Wollt ihr behaupten, sprach Pantagruel, das erste Waffenstuck im Feld wär der Hosenlatz? Die Lehre ist fast paradox und neu: denn, bey den Sporen, sagen wir, fängt man die Rüstung an. – Ich behaupts, antwortet Panurg, und nicht ohn Grund behaupt ichs. Seht die Natur an. Als sie die Pflanzen, Bäum, Sträuch, Kräuter und Zoophyten einmal von ihr erzeuget, auch erhalten und ihnen auf alle Zeiten hin Bestand verleihen wollt', daß, wenn auch schon die Individua untergingen, doch ihre Species nimmer stürben: da hat sie derselbigen Keim' und Saamen, darinnen diese Erhaltung beruht, mit allem Fleisse wohl verschanzet und durch erstaunliche Kunst bedeckt und verteidiget mit Schoten, Scheiden, Bollen, Kernen, Kelchen, Schalen, Aehren, Rinden, Pappis und spitzigen Igelsstacheln, die ihnen statt schöner und starker natürlicher Hosenlätz dienen. Das Beyspiel habt ihr augenscheinlich an Erbsen, Bohnen, Faseln, Nüssen,[361] Pfirsichen, Baumwoll, Koloquinten, Korn, Mohn, Zitronen, Kastanien, lauter Gewächsen daran wir klärlich den Keim und Saamen mehr bedeckt, geborgen und verpanzert sehen, denn irgend ein ander Theil derselben.

Also besorgt war die Natur nicht für die Dauer des Menschengeschlechtes. Vielmehr schuf sie den Menschen nackend, zart, schwächlich, gebrechlich, ohn Schutz- noch Trutzwaffen, im Stand der Unschuld des ersten güldenen Alters, als Thier, und nicht als Pflanz; als Thier sag ich, zum Frieden, nicht zum Krieg gemacht; als Thier, geboren zum wunderwürdigen Genuß aller Frücht und Vegetabilien: als Thier, zu friedlicher Beherrschung alles Viehes auf Erden geboren.

Wie nun der Sterblichen Bosheit wuchs im Lauf des ehernen Alters und unter des Jovis Herrschaft, da fing die Erd Dorn, Disteln, Nesseln und mehr dergleichen Rebellion im Pflanzenreich dem Menschen zu erwecken an. Andrerseits auch fielen von ihm auf fatalischen Antrieb schier alle Thier ab, verschwuren sich heimlich ihm ihren Dienst und Gehorsam zu weigern so langs nur gehen wollt, ja ihm zu schaden nach Macht und Vermögen. Der Mensch nun, wenn er sein Erstgebrauchsrecht behaupten, sich beym Regiment, wie vor, erhalten und auch sonst nicht füglich des Diensts so vieler Thier entrathen wollt, sah sich aufs neu zu wappnen gemüssigt. – Nun helf mir Sanct Veltens heiliger Ganser! rief Pantagruel, seit letztem Regen bist du ein mächtiger Liffer-Loffer, wollt sagen Philosoph geworden. – Jetzo erwäget, sprach Panurg, wie die Natur ihn inspirirt' sich zu wappnen, welch Glied des Leibs er zuerst armirt'. Es war, Bock stoß mich! der Hodensack, es war der werthe Mann Sanct Priap – trumpft' sie und sprach: nu lauf und zieh ab. – Dieß zeugt uns auch der ebräische Philosoph und Feldhauptmann Moses, erhärtend wie er sich hab armirt mit einem stattlichen wackern Latz von schönster Erfindung, aus Feigenblättern, diesem kraft[362] seiner Derbheit, Glattheit, Plattheit, Incisur, Frisur, Farb, Läng, Ruch, Tugend und Eigenschaft zu Schutz und Schirm der Geilen gebornen, und überaus commoden Blatt. Nur nehmet mir allzeit davon die furchtbaren Lotharinger Säck aus, die spornstreichs mit verhängtem Zaum auf den Hosenboden hinunter schiessen, den hohen Stuhl im Prunklatz verschmähn, und aller Zucht und Method ermangeln. Beruf mich hie auf Viardiere den edeln Valentin; den traf ich einsmals am ersten Mayenmorgen zu Nancy, wie er euch seinen Sack, um desto schmucker einher zu treten, lang vor ihm hin auf den Tisch gelegt und wie einen spanischen Mantel thät bürsten.

Drum, wer hinfort will richtig reden wenn er den Freymäuser in den Krieg schickt, der muß nicht sagen: Wahr, Töffel, den Weinpott, das ist den Nüschel, sondern muß sagen: Wahr, Töffel, den Seimpott; das ist den Sack ins drey Teufels Namen! Denn mit dem Kopf stirbt nur der Mann; doch mit dem Sack, da ging die ganze Menschenrass unter. Dieß bracht den guten Galan Galen, lib. I. de spermate auf den wackern Schluß: daß besser wär, nämlich ein weit geringer Uebel, kein Herz als keine Geilen zu haben: denn da ist, gleichwie in heiligem Schrein, der Fruchtkern und conservativische Saft des menschlichen Stammbaums innen belegen: und glaub für noch nicht hundert Franken, daß dieß die wahren Stein sind gewesen, womit Deukalion und Pyrrha das in der poetischen Sündfluth ersoffne Menschenvolk wieder hergestellet. Derhalb setzt auch der tapfre Held Justinianus lib. IV. de Capuzis tollendis, summum bonum in Hosibus et Hosulaziis. Aus diesem und mehr[363] andern Gründen geschah es auch daß, als der Herr von Merville einsmals mit seinem König zu Feld ziehn wollt und einen neuen Harnisch anprobt' (denn mit dem alten schafft' er nix mehr, weil er fast rostig, auch ihm der Bauch über Jahr und Tag stark vors Gemächt gestiegen war) daß, sag ich, sein Weib beschaulichen Geistes fürerwog wie schlechte Sorg er für ihrer beyder Ehgeschirr trüg, hinsichtlich ers mit nichts verwahrt' als mit dem stählernen Maschenhemd; dabey auch dieser Meinung war, daß ers ja fleissigst wohl verschanzen und bestens verfortifiziren möcht mit einem großen Stech-Helm, der ihm in seinem Waffen-Spint müssig hing. Von ihr stehn diese Reim geschrieben im dritten Buch des Jungfern- Scherwenzels:


Zu einem Ehemann der ganz bewehrt

Bis auf den Latz, enteilete zum Strausse,

Sprach seine Frau: Kind, daß man dich nicht zause,

Bedeck auch dieß, darnach man sehr begehrt!

Was meint ihr? War der Rath wohl scheltenswerth?

Ich sage nein! denn was sie so erquicket,

Die gute Frucht, da er so hitzig fährt,

Besorgt sie nun die werd ihr abgepflücket.


Drum laßt nur ab euch zu verwundern ob dieser meiner neuen Tracht.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 1, S. 361-364.
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