Zweytes Kapitel.

[39] Wie Pantagruel auf dem Eiland Medamothi allerhand schöne Sachen kauft.


Diesen und die zween folgenden Tag sahen sie weder neues Land noch sonst was neues, denn sie waren des Wegs schon öfter kommen. Am vierten entdeckten sie ein Eiland namens Medamothi, gar schön und lustig anzusehen wegen der grossen Zahl Phari und hoher marmorner Thürn, womit der ganze Umkreis desselben, der nicht geringer als von Canada, verzieret war.

Pantagruel frug nach dem Landesherrn, und hört' daß es der König Philophanes wär, soeben verreist und auf[39] der Hochzeit seines Bruders Philotheamon mit der Infantin des Königreichs Engys. Landet' also im Hafen, und nahm derweil das Schiffsvolk Wasser lud, allerley Schildereyen, Tapeten, verschiedene Thier, Fisch, Vögel und andre ausländische fremde Kaufmannswaaren in Augenschein, die auf der Zeil des Molo und in den Hafen Hallen zu Kauf ausstunden. Denn es war just der dritte Tag des grossen und solennen Markts daselbst, wozu alljährlich die berühmtesten und reichsten Kaufleut aus Afrika und Asien kamen. Davon kauft' sich Bruder Jahn zwey auserlesene und rare Bilder: auf dem einen war eines Leichenbitters Gesicht natürlich nach dem Leben gemalt: das andere war das Conterfey eines Bedienten der einen Herrn sucht, nach allen benöthigten Qualitäten, Gang, Mienen, Handstellung, Gebährden, Affekten und Physionomi; durch Meister Charles Charmois, des Königs Megisti Maler erfunden und gemalt: und zahlt' sie mit Wartegeld.

Panurg kauft' ein groß Bild, gemalt und abgenommen nach dem weiland durch Philomelen verfertigten Stickwerk, darinn sie ihrer Schwester Prokne fürstellt' und schildert' wie ihr Schwäher Tereus sie entjungfert und der Zung beraubt hätt, daß sie den Frevel nicht klagen sollte. Ich schwör euch beym Keil dieses groben Klotzes, daß es ein trefflich und wundersam Stuck war. Und denkt nur nicht, ich bitt gar sehr, daß es etwann das Conterfey eines mit einer Dirn verschränkten Mannes gewesen. Dieß wär zu grob und allzu plump. Das Bild war ganz ein andres und weit verständlicher. Ihr könnts in Thelem sehen, es hängt im obern Gang links von der Thür.

Epistemon kauft' eins, darauf die Ideen des Plato und die Atomen Epikuri nach dem Leben geschildert stunden. Rhizotomus kauft' eins, welches die Echo getreulich fürstellt'.

Pantagruel ließ durch Gymnasten Achillens Leben und Thaten kaufen in achtundsiebzig vier Klafter langen, drey breiten Hauteliß-Tapeten sämmtlich von phrygischem Seidenstoff mit Gold- und Silberstickerey. Und fing die Tapet an mit der Hochzeit Peleus und Thetis, ging dann fort zu Achillens Geburth und dessen Jugend beschrieben durch Statius[40] Papinius, zu dessen Werken und Waffenthaten berühmt durch Homerum, dessen Tod und Leichenbegängniß erzählt von Ovid und Quintus Calaber, schloß zuletzt mit der Erscheinung seines Schattens und Opfrung der Polyxenä beschrieben durch Euripides. Auch drey schöne junge Einhörner ließ er kaufen, ein männliches von Schweißfuchs-Farben, und zween Weiblein, grauschäckig wie die Apfelschimmel. Nebst einem Taranden, den ihm ein Scyth aus dem Gelonen-Gau zu Kauf bot.

Tarandus ist ein Thier so groß wie ein junger Stier; es hat gleichsam ein Hirschhaupt, nicht viel grösser, mit schönen breitzackigen Hörnern: gespaltne Klauen: langes Haar, wie ein grosser Bär. Das Fell ist nicht viel dünner denn ein Brustharnisch, und sagt' der Gelon', daß man es in Scythien nicht häufig fänd, weil es die Farb verändert nach Verschiedenheit der Oerter wo es wohnt und weidet. Und bildet also die Farb der Kräuter, Bäum, Sträuch, Blumen, Oerter, Felsen und Weideplätz, kurz aller Ding ab, an die es kommt.

Es ist ihm solches auch mit dem See-Blackfisch gemein, (oder Polypen) mit den Thoën, mit den indischen Lykaonen, mit dem Chamäleon, welches eine so wunderbare Eydechs ist, daß Demokrit von ihrer Art, Anatomi, Figur und magischen Zauberkräften ein ganzes Buch verfertigt hat. Und nicht allein in der Näh von farbigen Dingen hab ich's die Farb verändern sehn, sondern von selbst, nach eigner Furcht oder Leidenschaft. Zwar hab ich es, auf grünem Teppich allerdings ergrünen sehen; doch nach und nach, wenn es ein Weilchen darauf gewesen, ward es gelb, blau, braun, violet, just wie ihr die Kämm der Puderhähn nach ihren Affekten changiren sehet. Was uns an dem Taranden aber vor allem wunderbar bedünkt', war, daß nicht nur Gesicht und Fell, sondern auch sein ganzes Haar die Farb der nächsten Ding annahm. Bey Panurgens härenem Kleid von Sacktuch ward sein Haar ganz grau, bey Pantagruels Scharlachmantel erröthet' ihm so Haar als Fell. Beym[41] Steuermann, der nach Aegyptischer Art der Isis- und Anubis-Priester gekleidet ging, erschien sein Haar schneeweiß. Als welche zwo letztere Farben dem Chamäleon versagt sind. Ohn alle Furcht und Leidenschaft, in seinem natürlichen Zustand war die Farb seines Haares wie ihr sie an denen Eseln zu Meung sehn könnt.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 39-42.
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