Zehntes Kapitel.

[62] Wie Pantagruel auf der Insel Cheli landet', wo Sanct Panigon König war.


Der Südwest blies uns in den Gransen; also liessen wir diese faden Sippner mit ihren Treff-Aß-Nasen, und stachen in die weite See: Mit sinkender Sonnen ankerten wir an der Insel Cheli, einem grossen, reichen, bevölkerten, fruchtbaren Eiland, wo Sanct Panigon König war. Welcher,[62] begleitet von seinen Kindern und Prinzen des Hofs, sich zum Empfang Pantagruels bis an den Hafen begeben hätt, und ihn in seine Burg einführte. Am Burg-Thor stand die Königinn mit ihren Töchtern und Ehrendamen. Panigon wollt daß sie nebst ihrer ganzen Suit den Pantagruel samt seinen Leuten küssen sollte; denn dieß war des Landes Courtesi und Brauch; geschah auch pünktlich, ausgenommen mit Bruder Jahnen, der sich drückt' und unter des Königs Gesind verlor. Panigon wollt inständiglich Pantagruelen diesen Tag und den folgenden bey ihm behalten. Pantagruel aber schob seine Ausflucht aufs heitere Wetter und Gunst des Windes, den sich der Schiffer öfter wünscht denn habhaft wird, und wann er kommt, benutzen muß, denn er nicht stets und jederzeit kommt wenn man ihn brauchet. Auf diese Fürstellung entließ uns Panigon, nachdem wir noch ein fünfundzwanzig bis dreyssig Mal uns männiglich die Kehlen genetzet.

Wie nun Pantagruel im Hafen den Bruder Jahn nicht sahe, frug er wo er wär, und warum er nicht mit den Andern käm. Panurg wußt nicht womit er ihn entschuldigen sollt, und wollt in's Schloß zurück, ihn holen, als Bruder Jahn ganz wohlgemuth gesprungen kam und voller Freuden Juchhe! rief: Vivat hoch! es lebe der edle König Panigon! Potz Sackerdamm, der hält auf Küch! Ich komm draus her, da gehts mit Scheffeln. Ich dacht ich wollt mir da einmal meinen Koller-Leisten recht pfäffisch polstern. – Ey, ey! mein Freund, stets in der Küch? ermahnet' ihn Pantagruel. – Potz Hahn und Henn! antwortet' Jahn, da weiß ich besser den Rummel von, als so mit diesen Weibsen zu dalen, Lirum Larum Löffelstiel, und hätschel tätschel und Reverenz und Scherliwenz, Ich küß Eur Gnaden, ich küß Eur Majestät die Hand, Geruhens! Ey Papperlapap, und Quark und Quat! (das ist in Rouen Kindsdreck.) So kackst und brünzelt mal aus, daß ein End wird. Hui, ich sag drum nicht daß ich nicht auch mal nach meiner bäurischen Manier ein Maulvoll mitnähm, wo man mich mein Vollmacht insinuiren ließ, allein der Kratzfuß-Schnickschnack ärgert mich mehr als ein Schuhmacher – ich wollt sagen, Jour mager. Darinn war Sanct Bendix fürwahr nicht dumm.[63]

Meint ihr ich soll die Fräuleins lang schnäbeln? Nein bey der werthen, heiligen Kutt die ich trag, tragt's einem Andern auf. Ich sorg es könnt mir etwann gehn wie dem Herrn von Guyercharois. – Nun? Wie gings dem? frug Pantagruel; ich kenn ihn wohl, er ist von meinen besten Freunden. – Er war, sprach Jahn, zu einem stolzen, festlichen Tractament geladen, das ein Vetter und Nachbar von ihm gab; zu welchem ebenfalls alle Baronen, Damen und Fräulein der ganzen Gegend geladen waren. Selbige nun, vor seiner Ankunft, verkleideten die Pagen des Hauses in wohlgeputzte galante Fräuleins. Die also verfräulichten Pagen traten ihm an der Zugbrück züchtig entgegen. Er küßt' sie all aufs höflichste mit unterthänigen Reverenzen. Zuletzt erhuben die Damen, die seiner auf dem Altan harrten, ein helles Gelächter und winkten den Pagen den Mummschanz abzuthun. Als dieß der gute Herr sah, mocht er vor Schaam und Aerger nun auch nicht mehr die wahren Damen und Fräulein küssen; anführend, da man ihm die Pagen also vermummt hätt, möchten dieß zum Himmelmorenelement! wohl gar die noch besser vermummten Knecht seyn.

Potz Chrysam! da jurandi, warum verfügen wir unsre Humanitäten nicht lieber zur edeln Gottes-Küch, und betrachten allda den Schwung der Bratspieß, die Harmoni der Bratenwender, Position der Specklein, Temperatur der Tunken, Rüstung zum Nachtisch und Ordnung des Pottesdienstes? Beati immaculati in via! Dieß sind mein Seel Brevier-Materien.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 62-64.
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