Siebzehntes Kapitel.

[82] Wie Pantagruel die Inseln Tohu und Bohu passirt', und von seltsamer Todesart des Windmühlenfressers Schnautzhahn.


Denselben Tag nach passirt' Pantagruel die zwey Inseln Tohu und Bohu, woselbst wir nichts zu schmoren fanden. Schnautzhahn, der ungeheuere Ries, hätt alle Pfannen, Pfännlein, Kessel, Kacheln, Kastrollen und Töpf des Landes aus Mangel an Windmühlen aufgefressen, das sein gewöhnlich Futter war. Daher sich dann begeben hätt daß er, nicht lang vor Tages Anbruch um die Verdauungsstund, auf einmal todsterbenskrank geworden an einer Art von Crudität des Magens, nach der Aerzt Ermessen dadurch verursacht, daß desselben von Natur auf Verarbeitung scharf sausender Windmühlen gestellte Dauungskraft die Pfannen und Kacheln nicht sattsam hätt zersetzen mögen: die Kessel und Töpf hergegen hätt er ganz wohl verdaut, wie sie aus denen Hypostasen und Eneoremen von vier Ankern Harns, so er den Morgen auf zweymal ausgelaugt, erkannt zu haben behaupteten.

Ihm aufzuhelfen probierten sie diverse Mittel nach ihrer Kunst, aber das Uebel war mächtiger denn alle Kunst, und war demnach der edle Schnautzhahn selbigen Morgen eines so seltsamen Todes verfahren, daß euch der Tod des Aeschylus hinfüro nicht mehr befremden darf, der, weil ihn die Wahrsager fatalisch vorausverwarnt daß er auf einen gewissen Tag an einem Sturz von etwas auf ihn Fallenden umkommen würd, an diesem Tag sich von der Stadt, von allen Häusern, Bäumen, Felsen und allen Dingen die fallen und durch ihren Einsturz ihm schaden könnten, ferne hielt, mitten auf einer grossen Wies, im Schutz des offnen, freyen Himmels, nach seiner Meinung ganz wohl geborgen; es wär dann daß der Himmel einfiel; was ihm unmöglich däucht'. Obwohl man von den Lerchen sagt, daß ihnen vor des Himmels Einfall mächtig bang wär, denn fiel Er ein, müßten sie all gefangen seyn.[83]

Auch den Celten am Rhein war weiland gar bang hiefür: das sind die edeln, braven, biderben, ritterlichen, mannhaften und sieggewohnten Franzosen: die einstmals Alexandern dem Grossen auf seine Frag, was sie zumeist auf Erden fürchteten (verhoffend daß sie Ihn, in Erwägung seiner grossen Thaten, Sieg, Triumph, Victorien und Eroberungen doch wohl allein ausnehmen würden,) zur Antwort gaben: Weiter nichts als Himmels Einfäll; wären jedoch mit einem so grossen tapfer König in Freundschaft und Verbündniß zu treten nicht abgeneigt: wofern ihr anders dem Strabo in seinem siebenten Buch, und Arriano in dem Ersten wollt Glauben schenken.

Auch Plutarchus führt in dem Buch das er vom Antlitz so in dem Monden-Körper erscheint, geschrieben hat, einen Menschen an, namens Phenaces, dem sehr bang war daß der Mond auf die Erd möcht fallen und mit den unter ihm Wohnenden, als Aethiopen und Taprobanern, groß Mitleid und Erbarmen trug, wenn solch ein Klumpen auf sie fiele. Wegen des Himmels und der Erden schwebt' er in gleicher Furcht, wenn sie auf denen Säulen des Atlas nicht sattsam gestützt und fulcirt wären. Wie solchs der Alten Meinung war, nach Aristotelis Zeugniß lib. 6. Metaphys.

Aeschylus starb demohnerachtet an einem Sturz, und Niederfall einer Schildkrot-Schaal die aus den Klauen eines Adlers hoch in Lüften, ihn auf das Haupt traf, und ins Hirn drang.

Noch des Poeten Anakreon, dem ein Traubenkern die Luft versetzt', daß er dran starb: noch des Römischen Prätors Fabius, der an einem Geiß-Haar erstickt', als er eine Schaal frische Milch aß; noch jenes Verschämten der, weil er sich die Wind verhielt und keinen Stänker wollt fahren lassen, im Beyseyn des Römischen Kaisers Claudius plötzlich starb: noch des Menschen, der zu Rom am Flaminischen Heerweg begraben liegt, der sich in seiner Grabschrift beklagt daß er an einem Katzenbiß in den kleinen Finger, in's Grab müßt beissen: noch des Quintus Lecanius Bassus, der plötzlich an einem Nadelstich am Daumen der linken Hand, so klein daß man ihn kaum gewahret', starb: noch Quenelault's des Normandischen Arztes, Erzspielers und grossen[84] Erbsenfressers, der plötzlich zu Monspellier verschied, weil er das Schuldenbezahlen vergessen und sich mit einem Federmesser eine Reitlaus verkehrter Weis aus der hohlen Hand geschnitten hätt.

Noch des Philomenes, dem sein Knecht zur Vorkost neue Feigen gerüstet. Derweil der Knecht nach Wein aus war, kam ein verlaufner Eselshengst ins Haus gestiegen, und verzehrt' die aufgetragnen Feigen mit Andacht. Philomenes kam dazu, betrachtet' des sykophagischen Esels Gebährden sehr aufmerksam, sprach dann zum Knecht, der eben heim kam; es ist billig daß du, der diesem frommen Esel die Feigen preisgegeben hast, ihm auch von diesem guten Wein, den du da bringst, zu trinken reichest. Auf diese Wort befiel ihn eine so überschwengliche Lustigkeit und brach in ein so unermeßlich unendliches Gelächter aus, daß ihm die Anstrengung der Milz allen Othem raubt', und plötzlich starb.

Noch auch des Spurius Saufejus der, als er aus dem Baade steigend ein weiches Ey trank, starb: noch Dessen, von dem Boccaz schreibt daß er jählings gestorben sey als er die Zähn sich mit einem Salbeystengel gestört hätt.

Noch Philipp Placut's, den frisch wie ein Fisch, es fehlt' ihm nischt, der Tod erwischt' als er eine alte Schuld bezahlt'. Noch des Malers Zeuxis, der plötzlich vor Lachen starb als er das Bild und Antlitz einer alten Frau die er geschildert, betrachten thät. Noch hundert Andrer, die man euch hernennen möcht, sey's aus Verrius, aus Plinius, aus Valerius, Baptist Fulgosen, ja meinthalben aus Bacabery dem Aelteren.

Der gute Schnautzhahn, leider! erstickt' an einem frischen Butterwecken, den er auf Fürschrift seiner Aerzt an einem heissen Ofenloch aß.

Auch sagt' man uns dort noch daß König Cüllan von Bohu die Satrapen König Mechloths aufs Haupt geschlagen, und die Festen von Belima geschleift hätt. Dann passirten wir die beyden Eiland Tachteln und Wachteln,[85] wie auch die Eiland Teneliabin und Geneliabin, gar gut von Ansehn und fruchtbar an Klystir-Materi: auch die Eiland Enig und Ewig, darinn der Landgraf von Hessen das Haar fand.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 82-86.
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