Sechs und Dreyssigstes Kapitel.

[130] Wie die schwer ergrimmten Würst dem Pantagruel einen Hinterhalt legen.


Während Xenomanes noch so sprach, sah Bruder Jahn an fünfundzwanzig bis dreyssig junge schlanke Würst am Hafen, die mit scharfem Schritt nach ihrer Stadt, Burg, Citadell oder Rauchfang-Thürnlein sich salvirten; und sprach zu dem Pantagruel: Hie setzts Krakeel, das seh ich noch. Diese sehr respektabeln Würst sehn euch wohl gar für Fastnacht an, wennschon ihr in keinem Stück ihm gleichet. Kommt, lassen wir dieß Tafeln hie, und setzen uns in Positur, damit sie uns gerüstet finden. – Der Vorschlag, sprach Xenomanes, ist nicht so übel. Würst sind Würst, allzeit verkappte Bösewichter und Munker. Da erhub sich dann Pantagruel sofort von Tafel, vor dem Dickigt sich umzuthun; kam bald zurück, und zeigt' uns an, wie er links einen Hinterhalt sehr quapplicher Würst erspähet hätt, und rechter Hand eine halbe Meil von da, ein grosses Bataillon noch andrer starker Giganten-Würst, die in geschloßnen Reihen wüthend an einem kleinen Holm entlang auf uns an marschirten nach dem Schall von Duten und Schwegeln, Blasen und Därmen, lustigen Pfeifen, Trommeln, Zinken und Trommeten. Nach Ueberschlag von achtundsiebzig Fähnlein die er gezählet, konnten wir sie für nicht viel schwächer als zweyundvierzigtausend schätzen.

Aus ihrer Ordnung, stolzem Marsch und dreisten Mienen schlossen wir, daß es nicht etwann junge Nestling, sondern alte Kriegswürst waren. Die Vorderreihn bis an die Fähnlein, gingen sämmtlich schwer gewappnet in ganzer Rüstung, mit kleinen Piken, wie uns von weitem schien, jedoch sehr wohl gestählt und scharf gespitzet. Die Flanken deckt' eine grosse Schar sylvatischer Schlackwürst, mastiger Schübling, und Salsuzen zu Roß: das waren euch lauter Leut von schöner Statur, grimmbärtig Insulanervolk und Bandolirer.[131]

Pantagruel war ganz bestürzt, und nicht ohn Ursach: obschon ihm Epistemon fürstellt' daß es im Wurstland wohl die Sitt und Brauch seyn möcht, also gewappnet ihre fremden Freund zu empfangen und liebzukosen, wie denn auch die edeln Franzen-Könige von ihren guten Städten des Reichs bey ihrem ersten Einzug nach der Salbung und Krönung eingehohlt und bewillkommt würden. Vielleicht, sprach er, ists nur die ordinaire Leibwach der Landesfürstinn, der die jungen Signalwürst auf den Bäumen dort gemeldet haben wie im Hafen das schöne stattliche Geschwader eurer Schiff gelandet sey, und die, vermuthend daß daselbst ein reicher und mächtiger Prinz seyn müß, euch in Person besuchen kommt? – Gleichwohl hiemit noch nicht zufrieden, berief Pantagruel seinen Kriegsrath, summarischen Bedenkens halber, was sie in dieser bangen Klemm unsichrer Hoffnung und offenbarer Besorgniß anzugeben hätten.

Stellt' ihnen demnach kürzlich für, wie solche gewappnete Willkomms-Arten oft unterm Mantel der Lieb und Freundschaft Tod und Verderben getragen hätten. So, sprach er, mordet' einmal Kaiser Antoninus Caracalla die Alexandriner: ein andres Mal erschlug er den Anhang des Perserkönigs Artabanus, unter dem Fürwand als wenn er seine Tochter freyn wollt. Was ihm nicht ungenossen ausging, denn kurz darauf kam er dabey ums Leben. So erwürgten einst die Söhne Jakobs die Sichemiter, ihrer Schwester Dinä Schwächung zu rächen. Durch solche Verstellung ward vom Römischen Kaiser Gallienus das Kriegsvolk in Konstantinopel ermordet. Also lockt' Antonius den Armenischen König Artavasdes unter dem Schein der Freundschaft an sich, ließ ihn dann in schwere eiserne Ketten legen, zuletzt erschlagen. Tausend andre solche Geschichten liest man in alten Chroniken mehr. Und mit Recht wird noch bis diesen Tag die Klugheit König Karls von Frankreich, Sechsten des Namens, hoch gepriesen, der, als er siegreich aus Flandern und Gent in seine gute Stadt Paris kehrt', und zu Bourget in Frankreich erfuhr daß die Pariser mit ihren Schlägeln (wovon sie nachmals die Schlägler hiessen) an zwanzigtausend Streiter stark in Schlachtordnung aus[132] ihrer Stadt gezogen wären, nicht einziehn wollt', trotz des Betheuerns daß sie ohn Trug noch übeln Willen, nur um ihn stattlicher einzuhohlen sich so gerüstet: wenn sie nicht zuvor sich still in ihre Häuser verfügten und entwaffneten.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 130-133.
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