Ein und Vierzigstes Kapitel.

[143] Wie Pantagruel die Würst übers Knie brach.


Schon ruckten die Würst so nah heran, daß Pantagruel sehen konnt wie sie die Arm auseinander spreizten und Holz[143] einlegten: schickt' also Gymnasten an sie ab, zu hören was ihr Begehr wär, und welcher Groll sie so ohn alle Kriegserklärung zu Angriff ihrer alten Freund, die weder mit Worten noch mit Werken ihnen ichtes zu Leid gethan, bewogen hätt. Gymnastes macht' an der vordersten Front eine mächtig tiefe Verneigung und schrie so laut er konnt: Ganz, ganz, ganz Euer! zu Befehl, und ganz gehorsamst! Lauter Lehnsleut eures alten Bundsgenossen Karneval! – Wiewohl mir nachmals von Einigen ist versichert worden daß er nicht Karneval, sondern Narlevak gesagt hätt. Wie dem nun auch sey, kurz, auf dieß Wort schoß eine wilde quappliche Hirnwurst vor die Front des Bataillons, und wollt ihn bey der Gurgel packen. – Ey, schrie Gymnast; so wahr mich Gott! da sollt du mir erst schnittlings drein, denn ganz gings doch nit. – Ruckt' damit seinen guten Degen Baisecul, (wie er ihn hieß) mit beyden Händen aus der Scheid, und hieb die Hirnwurst mitten durch. Hilf heiliger Gott! wie feist die war! Mich gemahnt's an den dicken Stier von Bern, der in der Schwytzer Schlapp bey Marignan ums Leben kam. Deß seyd gewiß, daß sie nicht minder denn vier Finger dick Schmeer auf dem Leib hätt.

Nach so enthirnter Hirnwurst fielen die Würst Gymnasten an, und draschen ihn elend darnieder, als ihm Pantagruel mit seinen Leuten in starkem Schritt zu Hülf eilt'. Jetzo ging holterpolter die blutige Schlacht los. Spaltendarm spaltet' Därm. Worstmüffel müffelt' Wurst. Pantagruel brach die Würst gar übers Knie. Bruder Jahn in seiner Sau hielt sich ganz still, und sah und merkt' sich alles wohl. Da plötzlich stürzten die Schübling aus ihrem Hinterhalt mit grossem Geschrey auf Pantagruel.

Wie Bruder Jahn itzt den Tumult und Wirrwar sah, thät er die Pförtlein seiner Sau auf, und brach herfür mit seinen Helden. Die Einen schwangen eiserne Bratspieß, Andre Feuerböck, Ofengabeln, Brandruthen, Pfannen, Pfännlein, Kacheln, Bratröst, Zangen, Kastrollen, Besen, Häfen, Mörsel, Mörselkeulen, brüllten und heulten aus Einem Hals wie ein Mordbrennerhaufen: Nabusardan, Nabusardan, Nabusardan! Mit solchem Zeter-Mordjo fuhren sie unter die[144] Schübling und Salsuzen. Sobald die Würst den frischen Succurs erblickten, stoben sie davon, gestreckten Laufs, als wenn sie alle Teufel der Höll gesehen hätten. Bruder Jahn schoß sie mit Schussern wie Mucken um; und seine Schaar war auch nicht faul; es war ein Anblick zum Erbarmen. Das Feld lag ganz voll todter und zerfetzter Würst: und sagt die Geschicht daß, wenn nicht Gott für sie gewacht, die ganze Wurst-Raß von dieser Kuchel-Soldateska exterminiret worden wär. Aber da begab sich ein Wunder; itzt glaubt davon soviel ihr wollt.

Von Norden her kam ein groß, kraß, grau, grunzig Schwein mit langen, breiten Flügeln, gleich Windmühlflügeln: sein' Federn waren karmesinroth wie an einem Phönikopter, (den man in Languedok Flamant nennt). Die Augen funkelroth, wie Pyropen; die Ohren grün wie Prasem-Stein; die Zähn Topas-gelb, der Schwanz sehr lang und schwarz wie Lucullianischer Marmel; die Füß durchsichtig klar und weiß wie Demant, und mit breiten Pfoten wie Gänsfüß, oder wie vordem die Königinn Pedauca zu Toulous führt'. Um den Hals hing ihm ein gülden Halsband rings beziffert mit allerley Jonischen Lettern, davon ich mehr nicht als zwey Wort: ΥΣ ἈΘΗΝΑΝ (Hys Athenan) lesen konnt; das Schwein, so die Minerva lehret.

Das Wetter war klar und sonnenhell; doch als dieß Ungethüm erschien, da donnert' es zur Linken so laut, daß wir uns alle entsatzten. Plötzlich, so wie die Würst es sahen, warfen sie ihre Wehr und Waffen hin, knieeten nieder, falteten die Händ und hielten sie stumm empor, als wenn sie es verehren wollten. Bruder Jahn mit seinen Leuten schlug immer zu, und spießten Würst an. Auf Befehl Pantagruels ward aber gleich Retrait' geblasen und aller Fehd ein End gemacht. Nachdem das Thier zwischen beyden Heeren verschiedene Mal hin und wieder geflogen, warf es über siebenundzwanzig[145] Faß Senf zur Erden, und verschwand sofort in Lüften; dabey schrie es unablässig: Karneval! Karneval! Karneval!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 143-146.
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