Achtes Kapitel.

[246] Wie uns Papling mit genauer Noth gezeigt ward.


Am dritten Tag, der eben so mit Schmäusen und Banketten verstrich wie die zween vorigen, begehrt' Pantagruel inständiglich den Papling zu sehen; Aedituus meint' aber daß er sich so leicht nicht sehen ließ. Wie so? wie so? frug Pantagruel, trägt er etwann den Helm des Pluto auf dem Kopf, oder Gyges Ring an den Klauen, oder ein Chamäleon auf der Brust, daß ihn die Welt nicht schauen kann? – Mit nichten, sprach Aedituus, er ist nur von Natur ein wenig schwer zu sehen: ich werd indessen dafür sorgen daß ihr, wo möglich, ihn zu sehn kriegt. Mit diesen Worten ging er weg, und ließ uns weiter knuspern.

Kam nach einer Viertelstund zurück, anzeigend Papling wär itzt sichtbar, und führt' uns dann ganz still und ducklings grad auf den Vogelbauer los, worinn er in Gesellschaft zweyer kleiner Cardinling und sechs schmerbäuchiger Bischling kautzt'. Panurg betrachtet' sich seine Gestalt, Gebährden, Mienen sehr aufmerksam; dann schrie er laut: Der Henker hohl das Beest! er sieht aus wie ein Widhopf. – Um Gottes Willen, redet leise! sprach der Aedituus, er hat Ohren! (wie Michael de Matiscone sehr weislich anmerkt.) – Nun, hat die nicht auch ein Widhopf? sprach Panurg. – Wo er euch nur ein einzig Mal so blasphemiren und lästern hört, seyd ihr verloren, lieben Leut. Seht ihr den Napf in seinem Bauer? Daraus fährt Blitz und[247] Donnerwetter und tausend Teufel; die schlagen euch in einem Umsehn hundert Schuh tief unter die Erd. – Da wär's doch besser, sprach Bruder Jahn, wir tränken und bankettirten weiter. – Panurg beharrt' in unverwandter Betrachtung Paplings und seiner Gesellen; da erblickt' er eine Kircheul unter seinem Bauer, schrie laut auf und sprach: Hilf heiliger Gott! da sind wir schön ins Vogelstellers Garn gefoppt mit vollen Schoppen, und beschuppt! Finten, Quinten und Leuteschinden und sonst bey Gott! nichts steckt in dem Nest. Da schaut die Kircheul, schaut das Lockaas! Bey Gott! Wir sind gemeuchelt. – Sacht! Um Gottes Willen, redet leise! sprach der Aedituus, es ist mit nichten eine Kircheul, er ist männlichen Geschlechts, und ist ein edler Kirchner.

Aber, sprach Pantagruel, laßt doch den Papling uns etwas singen, daß wir auch hören wie er pfeift. – Er singt und ißt nur, antwortet' ihm Aedituus, zu seinen gewissen Tagen und Stunden. – Da halt ichs anders, sprach Panurg, mir ist eine jede Stunde recht. Also marsch dann zum Humpen! – Jetzt sprecht ihr untadlich, sprach Aedituus; mit solchen Reden wird man nimmer zum Ketzer. Kommt, ich mein's auch so.

Auf dem Rückweg zum Schoppen sahn wir einen alten grünköpfigen Bischling dort neben einem Sufflian und drey lustigen Onokrotalis, die kautzten da in einer Laub, und schnarchten in die Wett. Auch war ein niedliches Aebtinlein bei ihm, das sang gar munter; welches uns so angenehm zu hören schien, daß wir all unsre Glieder in Ohren verwandelt wünschten, denn wir hätten um alles, nichts von ihrem Sang einbüssen, einzig unverwandt ihm nur allein gern lauschen mögen. Da sprach Panurg: dieß artige Aebtinlein singt sich schier die Seel aus dem Leib, und dieses grobe Pferd von Bischling schnarcht all die Weil. Ich will ihn ins drey Teufels Namen bald singen lehren. – Zog sofort an einer Glock über seinem Bauer. Doch er mocht läuten soviel er wollt, der Bischling schnarcht nur desto lauter, und sang nicht eine Not. – Na wart, du alter Luley, sprach[248] Panurg, dich will ich wohl auf andre Art zum Singen kriegen! – Damit nahm er einen grossen Stein, und wollt ihn grad auf den Magen werfen. Aber der Aedituus schrie: Ach werther Mann! schlag, schmeiß, wirf, mord und fochtle du doch alle König und Fürsten der Welt, meuchlings, mit Gift, wie, wann du wilt, ja nimm die himmlischen Engelein aus ihren Nestern; alles dieß verzeiht dir Papling. Nur an diese geheiligten Vögel rühre nicht, so lieb dir Leib und Leben, Hab und Gut und Wohlfahrt deiner selbst, wie deiner Freund und Anverwandten so lebender als todter sind. Ja ihrer Leiber ungeborne Erben brächt es noch künftig ins Unglück. Hüth, o hüthe dich vor jenem Napf! – Es wird demnach wohl besser seyn, wir bankettiren und zechen weiter, sprach Panurg. – Er hat auch recht, sprach Bruder Jahn; ich lob ihn drum, Herr Eseldumm: denn bei den Teufelsvögeln hie thun wir doch nichts als blasphemiren; hingegen bey euern Humpen und Flaschen, so lang wir uns die Gurgeln waschen, ist es ein ewiger Gottesdienst. Fort dann zum Humpen! O edles Wort!

Am dritten Tag (nach dem Wein, versteht sich) gab der Aedituus uns Urlaub. Zum Präsent verehrten wir ihm ein artigs Prager Messerlein, darob er eine größere Freude hätt als Artaxerxes über das Glas kalt Wasser, das ihm der Bauer bracht. Bedankt' sich höflich, schickt' Erfrischungen aller Art auf unsre Schiff, wünscht' uns eine glückliche Reis, daß wir gesund zum Ziel gelangen und unsre Zweck erreichen möchten; und ließ uns beym Jupiter Peter schwören und angeloben, rückwärts wieder in seinem Ländlein einzusprechen. Zu guter Letzt noch sprach er zu uns: Ihr werdet finden, lieben Freund, daß es auf Erden weit mehr Schellen als Männer giebt. Hieran gedenket.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 246-249.
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