Dreizehnter Auftritt


[350] Voriger. Sophie.


SOPHIE gelassen. Was willst du denn, lieber Mann?

RAPPELKOPF. Dich will ich, aus der gesamten Menschheit dich! und von dir mein Fleisch und Blut, mein Kind! Wo ist sie?

SOPHIE verlegen. Sie ist nicht zu Hause –

RAPPELKOPF sehr heftig. Nun also, wo ist sie –? Wo? –

SOPHIE. So sei nur nicht so heftig.

RAPPELKOPF. Jetzt bin ich heftig, und ich bin ganz erstaunt über meine Gelassenheit. Im Wald ist sie draußen. Also auch mein Kind ist verloren für mich?

SOPHIE. Nu, nu, in dem Wald ist ja kein Bär.

RAPPELKOPF. Aber ein junger Herr – Also die Gschicht ist noch nicht aus, mit diesem Maler?

SOPHIE. Und darf nicht aus sein, denn das Glück und die Ruhe deiner Tochter stehen auf dem Spiele. Sie wird ihn ewig lieben.

RAPPELKOPF. Und ich werd ihn ewig hassen.

SOPHIE. Was hast du als Mensch an ihm auszusetzen?

RAPPELKOPF. Nichts, als daß er einer ist.

SOPHIE. Was hast du gegen seine Kunst einzuwenden?

RAPPELKOPF. Alles! Ich hasse die Malerei, sie ist eine Verleumderin der Natur, weil sie s' verkleinert. Die Natur ist unerreichbar. Sie ist ein ewig blühender Jüngling, doch Gemälde sind geschminkte Leichen.

SOPHIE. Ich kann deine Ansichten nicht billigen und darf es nicht. Meine Pflicht verbietet es.

RAPPELKOPF. Weil du dir die Pflicht aufgelegt hast, mich zu hassen, zu betrügen, zu belügen et caetera. Wendet sich von ihr ab.

SOPHIE. So laß dir doch nur sagen –

RAPPELKOPF. Ist nicht wahr.

SOPHIE. Ich habe ja nichts gesagt noch –

RAPPELKOPF. Du darfst nur das Maul aufmachen, so ist es schon erlogen.[350]

SOPHIE. So blick mich doch nur an –

RAPPELKOPF. Nein, ich hab meinen Augen jedes Rendezvous mit den deinigen untersagt. Lieber Kronäugeln als Liebäugeln. Aus meinem Zimmer!


Setzt sich und dreht ihr den Rücken zu.


SOPHIE empört. Du wendest mir den Rücken zu?

RAPPELKOPF. In jeder Hinsicht. Weil du alles hinter meinem Rücken tust, so red auch mit mir hinter meinem Rücken. Ich bin kein Janushaupt, ich hab nur ein Antlitz, und da ist nicht viel daran, aber wenn ich hundert hätt, so würd ich sie alle von euch abwenden. Darum befrei mich von deiner Gegenwart! Hinaus, Ungeheuer!

SOPHIE. Mann, ich warne dich zum letzten Male. Diese Behandlung hab ich weder verdient, noch darf ich sie länger erdulden, wenn ich nicht die Achtung vor mir selbst verlieren soll. Niemand ist deines Hasses würdiger als dein Betragen. Es ist ein Feind, der sich in seinem eignen Haus bekriegt. Und es ist wirklich hohe Zeit, daß ich mich entferne, damit ich mich nicht durch den Wunsch versündige, der Himmel möchte dich von einer Welt befreien, die deinem liebeleeren Herzen zur Last geworden ist und in der du keine Freude mehr kennst als die Qual deiner Angehörigen.


Geht erzürnt ab.


RAPPELKOPF allein. Das ist eine schreckliche Person. Alles ist gegen mich, und ich tu niemand etwas. Wenn ich auch manchmal in die Hitz komm, es ist eine seltene Sach, wenn ich ausgeredt hab, ich weiß kein Wort mehr, was ich gsagt hab. Aber die Menschen sind boshaft, sie könnten mich vergiften. Und dieses Weib, gegen die ich eine so auspeitschenswerte Liebe ghabt hab, ist imstande, mich so zu hintergehen. Und doch fordert sie Vertrauen. Woher nehmen? Wenn ich nur einen wüßt, der mir eines leihte! Ich wollte ihm dafür den ganzen Reichtum meiner Erfahrung einsetzen. Stellt sich an die Gartentür. Dieser Garten ist noch meine einzige Freud. Die Natur ist doch etwas Herrliches. Es ist alles so gut eingerichtet. Aber wie diese Raupen dort wieder den Baum abfressen. Dieses kriechende Schmarotzergesindel. Sich höhnisch freuend. Freßts nur zu.[351] Nur zu. Bis nichts mehr da ist, nachher wieder weiter um ein Haus. O bravissimo! Bleibt in den Anblick versunken mit verschlungenen Armen stehen.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 350-352.
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