Fünfter Auftritt


[385] Vorige. August. Malchen.


MALCHEN. Ist es wahr, ist der Onkel angekommen? Sieht ihn. Ach liebster, bester Onkel! mit welcher Sehnsucht haben wir Sie erwartet.

RAPPELKOPF. Die ist so falsch wie ihre Mutter.

MALCHEN. August, komm doch her.

RAPPELKOPF erschrickt. Wer?

AUGUST hervortretend. Bester Herr von Silberkern – Will auf ihn zu.

RAPPELKOPF fährt zurück. Himmel, wer bringt dies Bild vor meine Augen?[385]

SOPHIE. Was ist dir, lieber Bruder?

MALCHEN. Aber Onkel!

RAPPELKOPF beiseite. Ich muß mich fassen, damit ich allen auf den Grund komme. Laut, mit Zwang. Verzeihen Sie mir, mein Herr, sein Sie mir willkommen.

AUGUST. Erlauben Sie, Herr von Silberkern –


Tritt näher.


RAPPELKOPF fährt wieder auf. Nein, es ist nicht möglich – Drei Schritt vom Leib! Beiseite. Vergiften könnt ich den Verführer!

AUGUST. Was soll ich davon denken?

MALCHEN. Onkel!

SOPHIE zugleich. Bruder!

RAPPELKOPF faßt sich wieder. Verzeihen Sie, aber Sie haben eine Ähnlichkeit, eine Ähnlichkeit –

AUGUST. Mit wem?

RAPPELKOPF. Mit – mit einem Menschen –

AUGUST. Mit was für einem?

RAPPELKOPF. Der mich bestohlen hat.

SOPHIE. Aber Bruder!

AUGUST lacht. Herr von Silberkern –

MALCHEN. Ach Onkel, er hat nichts gestohlen als mein Herz.

RAPPELKOPF auffahrend. Das ist es eben – Faßt sich. was mich nichts angeht. Sehr freundlich. Sind Sie nur nicht so kindisch, ich hab nur einen Spaß gemacht. Für sich. Verstellung, steh mir bei! Laut. Endlich sind wir alle recht froh beieinander, meine lieben Kinder. Lacht boshaft. Das ist ein freudiger Tag heute. Für sich. Ich möcht zur Decke hinauffahren.

SOPHIE. Wir wollen dich jetzt allein lassen, lieber Bruder. Damit du eine Stunde ausruhen kannst. Du bist zu angegriffen. In diesem Zimmer findest du ein Ruhebett, unterdessen werden wir die Nachforschungen nach meinem armen Mann verdoppeln, denn es gibt keinen ruhigen Augenblick für mich, solange ich in Ungewißheit über sein Schicksal leben muß.


Geht ab.


RAPPELKOPF. Da werd ein anderer klug, ich nicht.[386]

AUGUST. Herr von Silberkern, ich weiß, daß Sie alles über Herrn von Rappelkopf vermögen.

RAPPELKOPF. Da haben Sie recht, wenn ich nichts über ihn vermag, dann richtet niemand etwas mit ihm aus.

AUGUST. Oh, dann werden Sie mir Ihren Beistand nicht versagen.

RAPPELKOPF. Ihnen? hahaha! Nun, das will ich hoffen.

AUGUST. Wenn meines Malchens Vater sein Haus wieder betritt und es Ihnen gelingt, ihm mildere Gesinnungen gegen die Welt einzuflößen, so vergessen Sie auch meiner nicht! Versichern Sie ihm, daß es keinen jungen Mann auf Erde gäbe, der mit einer so unwandelbaren Treue an seiner liebenswürdigen Tochter und mit einer so innigen Dankbarkeit an ihrem edlen, aber unglücklichen Vater hinge als der von ihm so ungerecht verfolgte August Dorn.


Verbeugt sich und geht ab.


RAPPELKOPF. Das ist mir unbegreiflich.

MALCHEN weinend. Lieber Onkel, wenn Sie mei nen Vater sprechen, was ich gewiß nicht darf, so sagen Sie ihm, daß er seine Amalie unendlich gekränkt hat, daß ihn niemand so sehr liebt wie seine Tochter, aber daß ihr auch gewiß das Herz brechen wird, wenn sie ihren August verlieren müßte.


Weint heftig.


RAPPELKOPF sein Vatergefühl bricht los, er schließt Malchen heftig in seine Arme. Du bist halt doch mein Kind, wenn ich auch jetzt nicht dein Vater bin. Nimmt sie am Kopf. Was nützt denn das, das läßt sich nicht verleugnen. Ich muß dich küssen, Malchen.

MALCHEN. Ach guter Onkel!

RAPPELKOPF. Sag du mir, ist das wahr, liebst du deinen Vater?

MALCHEN. Unendlich, lieber Onkel!

RAPPELKOPF. Und du lügst nicht?

MALCHEN. Bei Gott nicht.

RAPPELKOPF freudig überrascht. Das ist schön von dir, das freut mich. Legt ihren Kopf an seine Brust. Sie hat mich lieb! So hab ich doch eine Seele auf der Welt, die mich liebt.[387] Aber jetzt geh hinaus, ich bitt dich um alles in der Welt, geh hinaus.

MALCHEN. Sie verstoßen mich doch nicht, lieber Onkel?

RAPPELKOPF. Nein, ich verstoß dich nicht, ich will dich noch einmal küssen sogar, aber geh hinaus, sonst muß ich mich vor mir selber schämen, geh hinaus.

MALCHEN. So ruhen Sie sanft, bester Onkel. Ab.

RAPPELKOPF allein. O Schande! ich bin ein Menschenfeind und komm da in eine Küsserei hinein, die gar kein End nimmt. Das war der einzige vergnügte Augenblick, den ich seit fünf Jahren erlebt hab. Aber wie ist mir denn? bin ich betrunken? Das ist ja keine Möglichkeit. Wenn das alles wahr wäre, was die Leute zusammenreden, so wären sie ja völlige Engel. Das ist Betrug, da muß etwas dahinterstecken. Das ist ein Einverständnis. Mein Weib ist eine Schlange. Zu was braucht sie einen Zichori? wenn so viel Kaffee aufgeht. Aber meine Tochter ist brav. Über die laß ich jetzt nichts mehr kommen. Auch den jungen Menschen trau ich nicht, den haben sies einstudiert. Er wär ohnehin bald steckengeblieben. Ha, da kommt der Habakuk, der große Bandit. Der soll mir Licht geben.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 385-388.
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