Der pfaff im messgewant

[120] In dem reuterton Cunz Fülsack.


11. merz 1541.


1.

In die stat Prag

ein dorfpfaff kam gelaufen

auf ein marktag

und wolt ein messgwant kaufen,

der funt er schlecht und gut ein großen haufen

bei eim reichen kaufman.

Da der pfaff fant

von guter roter seiden

ein schon messgwant,

darum kauft er bescheiden;

des kaufs wurden sie eins zwischen in beiden;

er wolts versuchen an,

Und leget von im seinen rock;

im beutel het er zweinzig schock,

den er auch von im legt.

weil in dem kram

der pfaff ins messgwant schlofe,

stal ein Beham

den beutel und entlofe;

als in der pfaff sach laufen aus dem hofe,

wurt er in grim bewegt.
[120]

2.

Der pfaff zuhant

dem diebe wart nachlaufen

in dem messgwant

mit blasen und mit schnaufen.

der kaufman weßt nicht um des diebes kaufen

und lof dem pfaffen nach.

Schrier: »dibio!«

hieß den pfaffen aufhalten.

lofen also

all, dieb einander schalten;

do lofen zu die jungen und die alten.

hört wunder, was geschach:

Als sich der rechte dieb verlief,

der kaufman den pfaffen ergrief

bei seinem messgwant rot.

der pfaff, der bließ,

kunt im kein antwort geben,

sich von im rieß

und was dem dieb nachstreben.

der kaufman warf und traf den pfaffen eben

mit einem stein zu tot.


3.

Den andern tag

wurt der recht dieb gefangen

und an der frag

öfnet all ding vergangen,

darum wart er an den galgen gehangen,

das war verdienter lon.

Zweihundert schock

behemisch must auch geben

zu straf Hans Bock,

welcher im nam das leben

und het vor nit all ding erforschet eben,

e er hant leget on.

Ein weiser man bedenk hiebei,

das er stets wol besinnet sei[121]

und sich nit übereil,

denk, wie und wan

ist er mit angst beladen,

das im alsdan

schad bring nit größern schaden

und entlich in angst schwitzen muß und baden.

drum laß er im der weil.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 120-122.
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