Christ, ein Schäfer

[236] Nach einem alten Bilde.


1814.


Seht ihr auf den grünen Fluren

Jenen holden Schäfer ziehn?

Seht ihr auch auf seinen Spuren

Schöner alle Felder blühn?


Kennt ihr nicht die frohen Heerden?

Schauet an den Schäferstab,

Den der Himmel wie der Erden

Vater seinen Händen gab.


Schaut, ein Lamm hat sich verlaufen,

Und er eilet schnellen Lauf,

Läßt den ganzen andern Haufen,

Suchet sein verlornes auf.


Auf den Schultern heimgetragen,

Bringt es der getreue Hirt;

Keines darf nun ängstlich zagen,

Sei es noch so weit verirrt.


Möchtet ihr auf dieser Erden

Fühlen solche treue Hut,

Müßt ihr Schäflein Christi werden,

Denen gibt er selbst sein Blut.


Herr, mein Gott, auf deine Weiden,

An dein Brünnlein leite mich,

So durch Freuden, als durch Leiden,

Führe du mich seliglich!

Quelle:
Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 236.
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