Freiheit

[398] 1807


Freiheit, so die Flügel

Schwingt zur Felsenkluft,

Wenn um grüne Hügel

Weht des Frühlings Luft;

Sprich aus dem Gesange,

Rausch' in deutschem Klange,

Atme Waldes Duft![398]


Was mit Lust und Beben

In die Seele bricht,

Dies geheime Leben,

Ist es Freiheit nicht?

Diese Wunderfülle,

Die in Liebeshülle

An die Sinne spricht?


Frei sich regt und froher

Ahndung in der Brust,

Und des Waldes hoher

Geist wird uns bewußt.

Linde Blütenwellen

Schlagen an und schwellen

Höher stets die Lust.


Höher noch entzündet

Flammt der Geist empor,

Wessen Herz verbündet,

Sich den Freund erkor.

Für die Freiheit sterben

Sah man, Ruhm erwerben

Oft der Freunde Chor.


Brüderlich verbunden

Für der Ehre Wort,

Reißt in Todes Wunden

Sturm die Edlen fort.

Auf in Ruhmes Flammen

Schlägt ihr Herz zusammen

Zu der Sonne dort.


Ach dem Vaterlande

Wird der Geist nie fern,

Ehrt in treuem Bande

Es als seinen Herrn.

Kühnen Stolzes schlagen

Freie Herzen, wagen

Dafür alles gern.


Wo nach altem Rechte

Fromme Sitte gilt,[399]

Da sind edle Mächte

Noch der Freiheit Schild.

Jeder stark alleine,

Stärker im Vereine,

Ist des Ganzen Bild.


Doch die höchste Liebe

Nimmt wohl andern Lauf;

Daß ihr eines bliebe,

Gibt sie alles auf.

Irdisch hier in Tränen

Steigt ihr sanftes Sehnen

Dann zum Licht hinauf.


Jeder mag es finden,

Wer in sich versenkt,

Wie ihn Leiden binden,

An den Himmel denkt.

Ledig aller Sorgen,

Ist der ew'ge Morgen

Seinem Geist geschenkt.


Eins sind diese dreie,

Eine Freiheit ganz;

Einer Sehnsucht Weihe

Flicht zu einem Kranz

Frühlings Waldesblühen,

Heldenherzens Glühen,

Und des Himmels Glanz.


Freiheit, ja ich fühle

Deine Liebesglut;

Du bist der Gefühle

Herz und Lebensblut!

Sprich aus dem Gesange

Rausch' in Adlers Klange,

Atme deutschen Mut.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 398-400.
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