Das 69. Capitel.
Ein Hund / der in der Christ-Nacht heulet / der wird selbiges Jahr thöricht.

[111] Was haben doch die Hunde mit der Christ-Nacht, oder diese mit denen Hunden zu schaffen, daß diese Nacht eine Würckung in solchen Bestien haben solte? Denn diese heil. Zeit gehet die Hunde gantz nichts an / und gesetzt / es habe iemand wahrgenommen, daß ein Hund in der Christ-Nacht geheulet habe, welcher hernach thöricht worden sey, so ists deßwegen noch lange keine ohnfehlbare Folge, daß er darum sey thöricht worden, weil er in der Christ-Nacht geheulet hat, oder daß er mit solchen Heulen seine künfftige Tollheit gleichsam habe verkündigen wollen. Ja wenn es auch gleich bey denen Hunden natürlicher Weise pflegte zu gescehen, daß sie eine Zeit zuvor heuleten, ehe sie thöricht würden / so würde es eben nicht die Christ-Nacht seyn dörffen, sintemahl ohne dem auf solche Zeit gantz im geringsten nicht zu bauen ist / ja wir können selbst nicht recht sagen, ob dieser Tag, den wir als den Christ-Tag feyern, ohnstreitig der rechte sey. Denn wenn wir der Sache so gantz gewiß gewesen wären, warum haben wir denn so viele Secula her 10. biß 11. Tage mit dem ietzt angenommenen neuen Calender wissendlich differiret, und haben nunmehr auf einmahl mit allen Tagen durchs gantze Jahre eine solche merckliche Aenderung treffen können? Dahero hiermit klar erwiesen wird, daß ratione solcher Aberglauben[112] und Gauckel Possen auf keinen eintzigen solcher heiligen Fest-Tage zu bauen sey. Ich setze aber den Fall, daß die Zeiten sich niemahl verändert hätten, so ist doch noch lange nicht ausgemacht, daß die Hunde, welche in der Christ-Nacht heulen, dieses Jahr thöricht würden. Denn gleich wie nicht folget, der und der Hund hat in der Neu-Jahrs Nacht gebellet, und ist im selbigen Jahre vom Hunde Schläger erschlagen worden, daß darum alle die Hunde, welche in der Neu Jahrs-Nacht bellen, ohnfehlbar vom Schinder erschlagen würden: Also kan von dem Heulen in der Christ-Nacht auch nicht geschlossen werden, daß ohnfehlbar ein solcher Hund das Jahr werde thöricht werden. Das ist zwar wahr, daß durch hefftigen Frost und Kälte die Hunde taub und thöricht werden, aber dieses geschiehet zu einer andern kalten Zeit so wohl, als in der Christ-Nacht. Denn wenn einen Hund sehr frieret, so heulet er gemeiniglich, und wenn er den Kopff zu sehr erfröret hat, folget hernach die Taubheit, und weil um die Weyhnacht Zeit gemeiniglich die Kälte hefftig ist, so ist kein Zweifel, daß in der Christ-Nacht ehemahls einige Hunde in das Ubel gerathen sind; daran ist aber nicht die heilige Zeit, sondern die zu solcher Zeit eingefallene hefftige Kälte schuld. Womit also zur Gnüge erwiesen seyn wird, daß auf diesen Punct nichts zu bauen ist.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 111-113.
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