Der glückliche Ehemann

[58] Ich bin so glücklich, bin so froh;

Ein Weiblein darf ich lieben,

Ganz, wie einst König Salomo

Sein liebstes Weib beschrieben.


Wie rüstig ist sie spät und früh!

In goldner Morgenstunde

Weckt sie mich mit der Melodie:

Aus meines Herzens Grunde.


Ich hab' den Engel dann und wann

Im Stillen knieen sehen.

Da hört' ich sie für ihren Mann

Und ihre Kinder flehen.


Im Bibelbuche liest sie gern,

Bei jeder schönen Stelle

Wird meines Weibchens Augenstern

Von frommen Zähren helle.


Dann rennt so frisch das gute Kind

Im Hause hin und wieder,

Befiehlt; und hält doch das Gesind'

Für Schwestern und für Brüder.


Dem Vieh gebricht sein Futter nie,

Wie flattert ihr entgegen

Im Hof das bunte Federvieh

Und pickt den goldnen Regen.[58]


Als Mutter erst – da solltet ihr

Dies Herzensweiblein kennen.

Schwör' euch, ihr würdet sie mit mir

Der Mütter Muster nennen.


Wie lehrt die treue Mutter nicht

Den Töchtern und den Söhnen,

Zur Fertigkeit in jeder Pflicht

Sich zeitig zu gewöhnen!


Dann setzt sie, wie das Bild der Ruh',

Sich still an meine Seite.

Ich hör' dem Tanz der Spindel zu

Mit inniglicher Freude.


Wie wird die Arbeit mir so leicht!

Es streichelt mich die Liebe,

Sieht sie oft meine Stirne feucht

Und meine Augen trübe.


Ihr Frühlingslächeln im Gesicht

Lehrt mich des Lebens Plagen,

Lehrt Zentner, wie ein Lothgewicht,

Mich Glücklichen ertragen.


Sie sorgt für mein gesundes Mahl;

Und reicht mir, will ich trinken,

Mit Lächeln selber den Pokal,

Drin goldne Tropfen blinken.


Des Himmels Pracht, der Auen Zier,

Das spiegelnde Gewässer,

Du holdes Weib, gefallen mir

An deiner Seite besser.


Drum steigt mein Dank zum Himmel hin,

Daß Thränen mir entbeben,

Weil Gott zur Lebensführerin

Mir solch ein Weib gegeben.[59]


Mit ihr laß mich durchs Erdenthal,

Du Gott der Liebe, wallen;

Mit ihr in deines Thrones Strahl

Einst dankend niederfallen.


Du ließest uns der Häuslichkeit

So süßes Glück genießen;


O sei dafür in Ewigkeit,

Allmächtiger, gepriesen!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 58-60.
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