Carls Name gefeiert von der deutschen Schaubühne zu Stuttgart

[102] Am 4. November 1784.


Weilt, ihr Musen! steht stille, Zöglinge,

Vor diesem heiligen Bilde!

Im Drange hohes Gefühls

Springt mir der Busen!

Zu schwach ist die Mimik

Aufzuhalten des Gefühls

Donnernden Wogenschlag.

Ich muß sagen, laut muß ich sagen,

Was ihr verschweigt.

Carls Name flammte heut

Mit Sternengold geschrieben

Am Olymp – der Name Carls!

Ha! mit welcher Wonne sprech' ich ihn aus,

Deinen Namen, Carl!


(Pause.)


Zwar wird schon dein Name

An beiden Polen genennt:

Catharina's weltenstürzender Name

Schlingt sich um ihn!

Josephs Name, das Erstaunen der Völker,

Schlingt sich um ihn!

Wodan Friederichs Name, des Einzigen! des Unerreichten!

Schlingt sich um ihn!

Vor ihm bücken sich Teutoniens Fürsten,

Und durch ihn hebt Würtemberg

In ihrer Schwestern Versammlung

Ihr Riesenhaupt stolz zum Olympos!

Aber wiegt Bewunderung Liebe auf?

Leg' auf die Schale, die Menschen wägt,

Starre Bewunderung der Größe

Und blinzende Ehrfurcht vor Fürstenglanz

In die eine Schale;

Und in die andre laß

Einen Tropfen Herzblut thauen.[103]

Aufdonnern wird die erste Schale,

Niedergezogen vom Gewicht der andern:

O Carl! Carl!

Was wir dir geben, ist viel,

Ist alles, ist alles,


(Pause.)


Ist Liebe!

Selbst der Himmel verlangt

Für all' seine Gnaden nur Liebe.

So nimm denn hin der Künste Thränendank

Für deinen Schutz!

Nicht dir, Apoll, nein, deinem Lieblinge Carl,

Donnert der Päan des Dichters!

Schon blickt mit weitem Auge

Des Auslands Bewundrung

Auf Carls Söhne, unter denen

Shakspeare, Ossiane, und Dichter

Der sanftern Muse knospen.

Es taucht der Maler den Pinsel

In Morgensonnenglut,

Und Thränen des Danks

Träufen ins Farbengemisch!

Und so malt er Carls Bild!

Auch am Neckar reifen Mengse,

So denkt er weissagend.

Die Tonkunst bildet einen Sternenchor,

Und Ton und Strich und Hauch

Fei'rt den Namen Carls,

Polyhymnia's Liebling!

Was sinnst du, junger Künstler,

Mit der geniusschwangern Wolk' auf der Stirne?

Du sinnst auf Werke des Meißels

Wie Phidias, Praxiteles, Lysipp,

Und dich schützt Carl!

Der Tanz mit beflügelter Sohle

Hüpft auf vor Wonne,

Dreht sich in wirbelnden Kreisen

Und feiert des Künsteschützers,

Carls erhabenen Namen![104]

Ja, freue dich, freue dich,

Chor der Musen!

Nie wird der Neid mehr

Dein Gebilde zertrümmern!

Nie mehr die Mordfackel

In deinen Werkstätten schwingen;

Nie wird Verleumdung, die Hyder mehr

Deinen Lorbeer benagen;

Denn Carl hält Pallas Aegide

Den Höllenungeheuern vor:

Sie starren und stehen vor ihm

Wie Felsen der Mitternacht.


(Pause.)


So nimm denn unsern Dank,

Erhabner Carl,

Eine Opferschale voll Freudenthränen!


Mit der Künste Wonnezähren

Mischten sich Thränen des Waisen,

Thränen der Witwe,

Thränen des Armen,

Des Elenden Thräne

Im schluchzenden Danke geweint;

Die Opferschale steht

Am Feste Carls, von Gott gesehn,

An diesem Bilde.


(Lange Pause.)


Ich schweige – ich schweige

Im Drange mächt'ger Empfindung.

Carl, dich segnen die Musen!

Dich segnen ihre Zöglinge!

Dich segnen all' Deine Kinder!

Dich segnet

– mein Verstummen!


(Singbar.)


Apoll.


Schweigt nicht, ihr Musen,

Euer Gefühl entsteige dem Busen!

Und brause im schwellenden Chor

Zum Olympos empor.


[105] Chor der Musen und Künstler.


Wir singen in jauchzenden Tönen

Dem Kenner des Großen und Schönen

Den schallenden hohen Päan,

Dem Wäger großer Verdienste,

Dem Schutzgott schüchterner Künste

Tönt unser Chor himmelan!


Zwei oder drei Musen allein.


Noch lang' soll Ton und Farbenspiel

Und Gutgefühl und Großgefühl

Und Schauspiel, Kunst und Tanz,

Bestrahlt von seinem Glanz,

Am Neckar weilen!

Und unter Deutschlands Ehrensäulen,

In Wodans Eichenhain,

Steh' unser Carl in Marmorstein!

Geschmückt mit vielen Wonnetagen

Sei Carls erhabner Lebenslauf!

Bis ihn einst unsre Schultern tragen

Zum strahlenden Olymp hinauf!


Chor der Musen und Künstler.


Wir singen in jauchzenden Tönen

Dem Kenner des Großen und Schönen

Den schallenden hohen Päan,

Dem Wäger großer Verdienste,

Dem Schutzgott schüchterner Künste

Tönt unser Chor himmelan!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 102-106.
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