|
[142] Gelesen zu Heidelberg am 11. April 1844
Erfinderin, Bewegung,
Du dringst herein mit Macht;
Auch diese Bergumhegung
Ist dein willkommner Schacht.
Du läßt, wo schaumdurchflogen
Die Flut aus Steinen droht,
Im freien Waldstrom wogen
Dein dampfbeschwingtes Boot:
Und wo er, Fluren theilend,
Entflieht wie ein Geschoß,
Da überholen eilend
Ihn Wagen ohne Roß. –
Erfinderin, Bewegung,
Versammelt sind wir auch
Zu preisen deine Regung,
Nicht die von Rad und Rauch:
Die Regung in den Geistern,
Die einst in diesem Thal
Ausging von jungen Meistern
Als neuer Strom und Stral.
[142]
Entdeckungslust und Ahnung
Erprobte da die Kraft
Und unternahm die Bahnung
Erneuter Wissenschaft.
Vor einem weiten Meere
Lag dieses Thales Bucht,
Und Fähre ward um Fähre
Gezimmert in der Schlucht.
Die kühnsten Schiffe sandte
Der Geist als Kreuzer aus,
Und ohne Beute wandte
Kein Segel sich nach Haus.
Die Alten ruhn, sie schlafen
Auf ihrem Lorbeerkranz,
Sie sind im andern Hafen,
Sie, dieses Werftes Glanz:
Doch Einer blieb dem Lande,
Ein Creuzer ist noch hier,
Er ankert fest am Strande
Mit stolzer Flagge Zier.
Tiefsinn in tausend Bildern
War seine Siegesfracht;
Man liest auf blanken Schildern
Das Zeichen seiner Jacht:
Symbolik stralt's in Lettern,
In goldnen, von dem Schiff.
Das flog, umrollt von Wettern,
Vorbei an manchem Riff.
Es glänzt in lautrem Ruhme
Sein schimmerndes Verdeck,
Und unsres Festes Blume
Versteckt nicht Einen Leck.
[143]
Noch funkl' es lang am Ufer,
Ein Leuchtthurm in der Nacht,
Ein Mahner und ein Rufer
Zum Kampf in edler Schlacht!
Denn wie viel Seglerscharen
Hat dieser Golf entsandt;
Wie oft, seit vierzig Jahren,
Stieß Forschung hier vom Strand! –
Erfinderin, Bewegung,
Durchathme diesen Port!
Wie seit der Grundsteinlegung
Des Hafens, wirke fort!
Nicht blos aus Boot und Wagen
Steig' auf, in Dampf und Rauch;
Der Geist sei stets getragen
Von deinem Lebenshauch!
Buchempfehlung
Robert ist krank und hält seinen gesunden Bruder für wahnsinnig. Die tragische Geschichte um Geisteskrankheit und Tod entstand 1917 unter dem Titel »Wahn« und trägt autobiografische Züge, die das schwierige Verhältnis Schnitzlers zu seinem Bruder Julius reflektieren. »Einer von uns beiden mußte ins Dunkel.«
74 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro