Das Mahl zu Heidelberg

[198] Von Wirtemberg und Baden

Die Herren zogen aus,

Von Metz des Bischofs Gnaden

Vergaß das Gotteshaus;

Sie zogen aus zu kriegen

Wohl in die Pfalz am Rhein,

Sie sahen da sie liegen

Im Sommersonnenschein.
[198]

Umsonst die Rebenblüte

Sie tränkt mit mildem Duft,

Umsonst des Himmels Güte

Aus Aehrenfeldern ruft:

Sie brannten Hof und Scheuer,

Daß heulte groß und klein;

Da leuchtete vom Feuer

Der Neckar und der Rhein.


Mit Gram von seinem Schlosse

Sieht es der Pfälzer Fritz;

Heißt springen auf die Rosse

Zwei Mann auf einen Sitz.

Mit enggedrängtem Volke

Sprengt er durch Feld und Wald,

Doch ward die kleine Wolke

Zum Wetterhimmel bald.


Sie wollen seiner spotten,

Da sind sie schon umringt,

Und über ihren Rotten

Sein Schwert der Sieger schwingt.

Vom Hügel sieht man prangen

Das Heidelberger Schloß,

Dorthin führt er gefangen

Die Fürsten samt dem Troß.


Zu hinterst an der Mauer,

Da ragt ein Thurm so fest,

Das ist ein Sitz der Trauer,

Der Schlang' und Eule Nest:

Dort sollen sie ihm büßen

Im Kerker trüb und kalt,

Es gähnt zu ihren Füßen

Ein Schlund und finstrer Wald.


Hier lernt vom Grimme rasten

Der Wirtemberger Utz,

Der Bischof hält ein Fasten,

Der Markgraf läßt vom Trutz.[199]

Sie mochten schon in Sorgen

Um Leib und Leben sein,

Da trat am andern Morgen

Der stolze Pfälzer ein.


»Herauf, ihr Herrn, gestiegen

In meinen hellen Saal!

Ihr sollt nicht fürder liegen

In Finsterniß und Qual.

Ein Mahl ist euch gerüstet,

Die Tafel ist gedeckt,

Drum, wenn es euch gelüstet,

Versucht ob es euch schmeckt!«


Sie lauschen mit Gefallen,

Wie er so lächelnd spricht,

Sie wandeln durch die Hallen

An's goldne Tageslicht.

Und in dem Saale winket

Ein herrliches Gelag,

Es dampfet und es blinket,

Was nur das Land vermag.


Es satzten sich die Fürsten;

Da mocht' es seltsam sein!

Sie hungern und sie dürsten

Beim Braten und beim Wein;

»Nun, will's euch nicht behagen?

Es fehlt doch, deucht mir, nichts?

Worüber ist zu klagen?

An was, ihr Herrn, gebricht's?


Es schickt zu meinem Tische

Der Odenwald das Schwein,

Der Neckar seine Fische,

Den frommen Trank der Rhein!

Ihr habt ja sonst erfahren,

Was meine Pfalz bescheert!

Was wollt ihr heute sparen,

Wo Keiner es euch wehrt?«
[200]

Die Fürsten sahn verlegen

Den Andern Jeder an,

Am Ende doch verwegen

Der Ulrich da begann:

»Herr, fürstlich ist dein Bissen,

Doch Eines thut ihm Not,

Das mag kein Knecht vermissen:

Wo ließest du das Brod?«


»Wo ich das Brod gelassen?«

Sprach da der Pfälzer Fritz,

Er traf, die bei ihm sassen,

Mit seiner Augen Blitz;

Er that die Fensterpforten

Weit auf im hohen Saal,

Da sah man aller Orten

In's offne Neckarthal.


Sie sprangen von den Stühlen

Und blickten in das Land,

Da rauchten alle Mühlen

Rings von des Krieges Brand;

Kein Hof ist da zu schauen,

Wo nicht die Scheune dampft,

Von Rosses Huf und Klauen

Ist alles Feld zerstampft.


»Nun sprecht, von wessen Schulden

Ist so mein Mahl bestellt?

Ihr müßt euch wohl gedulden,

Bis ihr besät mein Feld,

Bis in des Sommers Schwüle

Mir reifet eure Saat,

Und bis mir in der Mühle

Sich wieder dreht ein Rad.


Ihr seht, der Westwind fächelt

In Stoppeln und Gesträuch;

Ihr seht, die Sonne lächelt,

Sie wartet nur auf euch![201]

Drum sendet flugs die Schlüssel

Und öffnet euren Schatz,

So findet bei der Schüssel

Das Brod den rechten Platz!«

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 198-202.
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