IV, 6.

[86] Faustine mit Praktinski treten in Reisekleidern auf.


FAUSTINE.

Der Winkel hier ist der Verjüngungsort!? –

O schaffe mehr mir als die Jahre fort,

Die noch nicht sonderlich mich drücken![86]

Schaff' Luft mir in dem Busen, daß ich frei

Nun endlich athmen kann, wo ich auch sei!

Schaff' mir die Lust am Lebensgang,

Die nie noch durch die dichten Poren drang,

Die ich von innen mir nicht bringe bei!

Schaff' mir zum Menschenanschluß Hang,

Damit mir im umdüsterten Gehirne

Begierd' erwache wie der jungen Dirne

Im Arm des Tänzers, der sie feu'rig schwingt!

Wenn dir dies Kunststück nicht gelingt,

So laß mich aus der Körperschraube.

PRAKTINSKI.

Verdient mein Höllenwort nicht Glaube?

Du prangest bald unter der Haube,

Sollst deinen Freund Musarion haben

Und von ihm einen stolzen Knaben.

FAUSTINE.

Doch ist hier keine weibliche Bedienung?

Drei Höllenkerle seh' ich vor mir steh'n.

Ich hielt es sicher für Erkühnung,

Wenn die mich wollten abwärtsdreh'n.

PRAKTINSKI.

Nur keine Furcht! Die haben nicht Empfindung;

Denn Handlanger hier sind es bloß.

Fuhrst du dann erst durch jene weite Mündung,

So geht das neue Leben in dir los. –

Da kommt der Weibermüller ahnungsvoll.

FAUSTINE.

Die Sache wird mir gar zu toll.

Fürwahr, ich bin doch keine Puppe,

Die nach Belieben man zusammenstruppe![87]


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 86-88.
Lizenz:
Kategorien: