246. Bischof und Marschall.

[240] Von F.J.Freiholz. – Johann Gottfried II. von Gutenberg Bischof und Herzog in Franken 1684-1698.


Nicht immer wohnet Tapferkeit

Im blankgeschliffnen Schwerte,

Es gibt auch sonst noch tapfre Leut

Auf Gottes weiter Erde,

Und mancher unterm Pfaffenhut

Zeigt in Gefahren großen Muth.


Zu Würzburg in dem Frankenland

Saß auf dem Bischofstuhle

Ein edler Herr; an seiner Hand

Saß immer seine Buhle;

Die liebt er heiß, die liebt er sehr,

Sie war auch schön, hieß – Fürstenehr'!


Da kam Türenne, der große Held

Ließ nirgends was als – Asche,

Und steckte gern die ganze Welt

In Frankreichs weite Tasche.

Kam auch nach Würzburg, klopfte an,

Doch ward ihm hier nicht aufgethan.


Da lacht der Marschall: »Ha bei Gott!

Die sollens noch beklagen!«

Und läßt dem Bischof wie zum Spott

Die kurze Rede sagen:

»Komm' morgen selbst zum Bischof Hans,

Und eß mit ihm die Martinsgans!«


Doch Hans Gottfried, der tapfre Mann

Versammelt seine Franken:

»So lang ich auf euch bauen kann,

Soll auch mein Muth nicht wanken.

Den Kelch vertausch' ich mit dem Schwert,

Und schütze euch und euren Herd!«


Da schlägt aus jeder Frankenbrust

Ein Jubel gegen Himmel;

Das ist ein Leben, eine Lust

Ein kriegerisch Gewimmel;

Und Jeder nimmt das Schwert zur Hand

Zum Schutze für das Vaterland.


Der Bischof spricht zum Feldmarschall

Durch seinen Abgesandten:

»Es ist zu einem Mittagsmahl

Viel Gänsefleisch vorhanden.

Dieweil in Franken Gastrecht gilt

Sind ihn zu füttern wir gewillt.


Doch käme er zu uns als Feind,

Soll dies Brandschatzung heißen,

Dann haben wir's nicht so gemeint,

Dann gibt es Gäns von Eisen;

Und biss' er sich an unsrem Trumpf

Auch alle seine Zähne stumpf.


Und alldieweil die Gänse sind

Sehr schwierig zu vertragen,

So sind wir freundlich ihm gesinnt,

Und füllen ihm den Magen

Mit heißem, blutigrothem Wein,

Den schenken Kanoniere ein!«


Es stutzt der Marschall, staunt und schaut,

Als dieses er vernommen;

Auch ist ihm eine Gänsehaut

Gar plötzlich überkommen.

Hat reiflich drüber nachgedacht,

Und klüglich sich davon gemacht.
[241]

Drum noch einmal, nicht immer steckt

Die Tapferkeit im Schwerte

Und manches Pfaffenkleid verdeckt

Wie diese Sage lehrte,

Zu seiner Unterthanen Glück

Ein muth'ges Herz im Mißgeschick.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 240-242.
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