252. Das Teufelsthor zu Würzburg.

[246] Von J. Ruttor.


In mitternächt'ger Stunde,

Im Arme das Gewehr,

So schreitet dort am Thore

Die Wache hin und her.


Da kommt ein schwarzer Pudel,

Und grinst den Krieger an,

Und droht ihn zu zerreißen,

Die Wache sieht ihn nah'n.


Da tönt es aus dem Pudel

Wie eines Menschen Laut;

Dem Krieger scheint's nicht richtig,

Als er ihn näher schaut.


»Zurück!« ruft nun die Wache, –

Der Pudel weichet nicht.

»Zurück!« so schallt es nochmals,

Der Spukgeist weichet nicht.


Es schallt zum dritten Male:

»Zurück!« – es wirket nicht;

Da legt er an und schießet

Dem Pudel in's Gesicht.


Und gut hat er getroffen,

Der Spukgeist liegt im Blut,

Und röchelt vor dem Tode

In letzter Lebensglut.


Und als am andern Morgen

Den Pudel man beschaut,

Ist's eines Studio Leiche

In eines Pudels Haut.


Der wollt' die Wache schrecken,

Und büßt' den Frevel schwer.

Es schrecket wohl kein Studio

Vermummt die Wache mehr.


Und kommt die eilfte Stunde,

So spukt sein Geist am Thor;

Als schwarzer Pudel rennt er

Mit weißem Schweif und Ohr.


Und seit die Wache nimmer

Am Thore dorten steht,

So hält der Teufel selber

Dort Wache – ha nun seht!


Was trägt er auf der Schulter?

Das ist doch kein Gewehr?

Er schultert die Kanone,

Ihm ist sie nicht zu schwer.


Noch jetzt spukts dort am Thore

In stiller Mitternacht,

Wenn Alles rings im Schlummer

Und noch der Träumer wacht.


Ich sah den Spuck auch schleichen

Jüngst dort entlang der Wand.

Das Thor es wird noch heute

Das Teufelsthor genannt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 246-247.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Hannibal

Hannibal

Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon