737. Friedrich Barbarossa.

[261] Von F. J. Freiholz.


In Würzburg's alten Straßen

Da steht ein stolz' Gebäud',

Das prangt als ein Gedächtniß

An Deutschlands Ritterzeit.


Die Fenster sind verfallen,

Die Zimmer stehen öd

Und durch die alten Gänge

Der kalte Sturmwind weht.
[261]

Die Raben auf dem Dache

Die krächzen hohl ein Lied,

Von einem alten Kaiser

Der todt durch Deutschland zieht.


Er zieht durch alle Reiche

Die ihm einst unterthan

Und fängt ob Deutschland's Trennung

Stets neu zu weinen an.


Doch kommt er hin nach Würzburg

Und schaut das stolze Haus

Dann hört er auf zu weinen

Dann sieht er freudig aus.


Und schönere Gefühle

Durchströmen seine Brust

Er sieht des Hauses Zinnen

Von ferne schon mit Lust.


Und um die Geisterstunde

Kommt er d'rum jeden Mond

Durchschreitet all' die Zimmer,

Die einstmal er bewohnt.


Und in dem großen Saale

Da sitzt er stundenlang,

Da klingt's in seinen Ohren

Wie himmlischer Gesang.


Er denkt vergangner Freuden,

Er denkt vergangner Lust

Und unter seinem Panzer

Schlägt höher ihm die Brust.


Hier ward vor vielen Jahren

Sein Weib ihm angetraut,

Drum wird er da so fröhlich

Und seine Freud' so laut.


Er möchte nimmer scheiden,

Da möcht er immer sein,

Doch mit dem Hahnenrufe

Muß er in's Grab hinein.


Das ist der alte Kaiser,

Das ist der alte Held,

Friederich Barbarossa

So nannte ihn die Welt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 261-262.
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