796. Woher Neidenfels seinen Namen hat.

[319] Träume und Schäume vom Rhein I., 107.


Neidenfels liegt auch im Neustadter Thal, wie Wolfsberg, und die Eisenbahn geht daran vorüber. Es ist ein kleines Dörflein, und über demselben liegt eine stattliche Burgruine, von der es seinen Namen hat. Schloß und Dörfchen sollen vor Zeiten nicht Neidenfels, sondern Lichtenstein geheißen haben, gerade wie die andere Burg gegenüber auf einer waldigen Höhe, von der kaum mehr eine Grundmauer übrig ist. Zwei Brüder bewohnten die einander so nahe gelegenen Burgen, ihr Sinn aber war nichts weniger als brüderlich. Der, welchem der jetzige Neidenfels gehörte, war der Schlimmere von beiden und der Ursächer des Haders. Er hätte gern das ganze Besitzthum der Familie allein gehabt und ging ernstlich darauf aus, seinen Bruder aus der Welt zu schaffen. Wie er nun so Tag und Nacht mit neidischen Augen nach dem andern Lichtenstein hinüber schaute, entdeckte er, daß jeden Abend ein bestimmtes Fensterlein auf kurze Zeit beleuchtet war. Auch erfuhr er von einem Knechte seines Bruders, daß dieser jedesmal Abends den geheimen Ort besuche. Darauf legte er sich auf die Lauer und schoß von seiner Burg aus mit einem Standrohr eines Abends seinen Bruder hinter jenem kleinen Fenster nieder. Von der Zeit an wurde sein Schloß der Neidenfels geheißen und heißt sammt dem Dörfchen heute noch so.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 319.
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