1208. Vom schönen Thurm zu München.

[224] Mündlich.


Da wo sich heutzutage die Augustiner- und Kaufingergasse schneiden, zunächst dem Gasthofe Maulick, ist vormals der sogenannte schöne Thurm gestanden. Die Verschönerungssucht, die zuweilen schneeweiße Wände altem Gemäuer vorzieht, hat auch diesen ehrwürdigen Bau, an welchem Kaiser und Reich, Ritter und Trompeter schön gemalt zu sehen waren, weggeschafft. Nicht lange, bevor dies geschah, ging eines Abends ein gewisser Herr G. –, zur Zeit nicht mehr unter den Lebenden, bei dem Thurme vorüber nach Hause, als auf einmal ein furchtbares Hallo ertönt und von den Zinnen des Thurmes ein Geschmetter wie aus hundert Trompeten zumal nach allen Weltgegenden hinausfährt. Zugleich hörte man in der Luft ein Gebraus wie das Gerassel zusammengeschlagener Harnische. Das Ganze währte nur einen Augenblick. Dem Herrn G. – standen die Haare zu Berg. Er hat die Geschichte gar oft erzählt und stets dabei betheuert, daß er am selben Abende, weil am Husten leidend, weder Wein noch Bier getrunken hatte.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 224.
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