Erste Szene

[589] [Leonatos Garten.]


Es treten auf Hero, Margareta, Ursula.


HERO.

Lauf', Margarete, in den Saal hinauf,

Dort find'st du meine Muhme Beatrice

Mit Claudio und dem Prinzen im Gespräch:

Raun' ihr ins Ohr, daß ich und Ursula

Im Garten sind und unsre Unterhaltung

Nur sie betrifft; sag, daß du uns behorcht.

Dann heiß' sie schleichen in die dichte Laube,

Wo Geißblattranken, an der Sonn' erblüht,

Der Sonne Zutritt wehren: – wie Günstlinge,

Von Fürstenstolz gemacht, mit Stolz verschatten

Die Kraft, die sie erschaffen. – Dort versteckt,

Soll sie uns reden hören: dies besorge,

Mach' deine Sachen gut und laß uns jetzt!

MARGARETA.

Ich schaffe gleich sie her, verlaßt Euch drauf.


Ab.


HERO.

Nun, Ursula, wenn Beatrice kommt

Und wir im Baumgang auf und nieder wandeln,

Sei einzig nur von Benedikt die Rede.

Wenn ich ihn nenne, stimme gleich mir bei,

Und preis' ihn, mehr als je ein Mann verdient.

Darauf erzähl' ich dir, wie Benedikt

In Beatricen sterblich sei verliebt.

So schnitzt der kleine Gott die schlauen Pfeile,

Die schon durch Hören treffen. Jetzt fang' an:

Denn sieh nur, Beatrice, wie ein Kiebitz,

Schlüpft dicht am Boden hin, uns zu belauschen.


Beatrice schleicht in die Laube.[589]


URSULA.

Die Lust beim Angeln ist, sehn, wie der Fisch

Den Silberstrom mit goldnen Rudern teilt,

Den tück'schen Haken gierig zu verschlingen.

So angeln wir nach jener, die sich eben

Geduckt dort in die Geißblatthülle birgt.

Sorgt nicht um meinen Anteil am Gespräch!

HERO.

Komm näher nun, daß nichts ihr Ohr verliere

Vom süßen Köder, den wir trüglich legen.


Sie nähern sich der Laube.


Nein, wahrlich, Ursula, sie ist zu stolz.

Ich kenn' ihr Herz, es ist so spröd' und wild

Wie ungezähmte Falken.

URSULA.

Ist's denn wahr?

Liebt Benedikt so einzig Beatricen?

HERO.

So sagt der Prinz und auch mein Bräutigam.

URSULA.

Und trugen sie Euch auf, es ihr zu sagen?

HERO.

Sie baten mich, ich mög' es ihr entdecken:

Ich sprach, da Benedikt ihr Freund, sie möchten

Ihm raten, diese Neigung zu besiegen,

Daß Beatrice nie davon erfahre.

URSULA.

Warum, mein Fräulein? Sagt, verdienet er

So reiche, vollbeglückte Ehe nicht,

Als Beatrice je gewähren kann?

HERO.

Beim Liebesgott! Ich weiß es, er verdient

So viel, als man dem Manne nur vergönnt.

Doch schuf Natur noch nie ein weiblich Herz

Von spröderm Stoff, als das der Beatrice;

Hohn und Verachtung sprüht ihr funkelnd Auge

Und schmäht, worauf sie blickt: so hoch im Preise

Stellt sie den eignen Witz, daß alles andre

Ihr nur gering erscheint: sie kann nicht lieben,

Noch Bild und Form der Neigung in sich prägen,

So ist sie in sich selbst vergafft.

URSULA.

Gewiß,

Und darum wär's nicht gut, erführe sie's,

Wie er sie liebt; sie würd' ihn nur verspotten.

HERO.

Da sagst du wahr. Ich sah noch keinen Mann,[590]

So klug, so jung und brav, so schön gebildet,

Sie münzt ihn um ins Gegenteil. Wenn blond,

So schwur sie, sollt' er ihre Schwester heißen.

Wenn schwarz, hatt' einen Harlekin Natur

Sich zeichnend, einen Tintenfleck gemacht:

Schlank, war's ein Lanzenschaft mit schlechtem Kopf,

Klein, ein Agatbild, ungeschickt geschnitzt:

Sprach er, ein Wetterhahn für alle Winde,

Schwieg er, ein Block, den keiner je bewegt.

So kehrt sie stets die falsche Seit' hervor,

Und gibt der Tugend und der Wahrheit nie,

Was Einfalt und Verdienst erwarten dürfen.

URSULA.

Gewiß, so scharfer Witz macht nicht beliebt.

HERO.

O nein! So schroff, so außer aller Form,

Wie's Beatrice liebt, empfiehlt wohl nie.

Wer aber darf ihr's sagen? Wollt' ich reden,

Ich müßt' an ihrem Spott vergehn: sie lachte

Mich aus mir selbst, erdrückte mich mit Witz.

Mag Benedikt drum wie verdecktes Feuer

In Seufzern sterben, innen sich verzehren:

Das ist ein beßrer Tod, als tot gespottet,

Was schlimmer ist, als totgekitzelt werden.

URSULA.

Erzählt's ihr doch: hört, was sie dazu sagt!

HERO.

Nein, lieber geh' ich selbst zu Benedikt

Und rat' ihm, seine Leidenschaft zu zähmen.

Und wahrlich, ein'ge ehrliche Verleumdung

Auf meine Muhm' ersinn' ich. Niemand glaubt,

Wie leicht ein böses Wort die Gunst vergiftet.

URSULA.

Tut Eurer Muhme nicht so großes Unrecht!

Sie kann nicht alles Urteil so verleugnen,

Mit so viel schnellem, scharfem Witz begabt

(Als man sie dessen rühmt), zurück zu weisen

Solch seltnen Kavalier als Signor Benedikt.

HERO.

In ganz Italien sucht er seines Gleichen:

Versteht sich, meinen Claudio ausgenommen.

URSULA.

Ich bitt' Euch, zürnt mir deshalb nicht, mein Fräulein:

Nach meiner Ansicht glaub' ich, Signor Benedikt[591]

Zählt an Gestalt und Haltung, Geist und Mut

In unserm Welschland zu den ersten Männern.

HERO.

Gewiß, er ist von hochbewährtem Ruf.

URSULA.

Den ihm sein Wert verdient, eh' er ihn hatte.

Wann macht Ihr Hochzeit, Fräulein?

HERO.

Nun, allernächstens; morgen wohl. Jetzt komm,

Ich will dir Kleider zeigen; rate mir,

Was morgen mich am besten schmücken wird.

URSULA.

Die klebt am Leim: Ihr fingt sie, dafür steh' ich.

[

HERO.

] So bringt ein Zufall Amorn oft Gelingen:

Den trifft sein Pfeil, den fängt er sich mit Schlingen.


Beide ab.


BEATRICE kommt hervor.

Welch Feu'r durchströmt mein Ohr. Ist's wirklich wahr?

Wollt ihr mir Spott und Hohn so scharf verweisen?

Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar,

Mich lüstet nimmermehr nach solchem Preisen.

Und, Benedikt, lieb' immer: so gewöhn' ich

Mein wildes Herz an deine teure Hand:

Sei treu, und, Liebster, deine Treue krön' ich,

Und unsre Herzen bind' ein heil'ges Band!

Man sagt, du bist es wert, und ich kann schwören,

Ich wußt' es schon, und besser, als vom Hören.


Ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 589-592.
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