Vierte Szene

[601] [Zimmer in Leonatos Hause.]


Hero, Margareta, Ursula.


HERO. Liebe Ursula, wecke doch meine Muhme Beatrice und bitte sie, aufzustehn!

URSULA. Sogleich, mein Fräulein.

HERO. Und hieher zu kommen!

URSULA. Sehr wohl. Ab.

MARGARETA. Ich dächte doch, Eure andre Palatine sei noch schöner.

HERO. Nein, liebes Gretchen, ich werde diese tragen.

MARGARETA. Sie ist wahrhaftig nicht so hübsch, und ich stehe Euch dafür, Eure Muhme wird Euch dasselbe sagen.

HERO. Meine Muhme ist eine Närrin, und du bist die zweite; ich werde keine andre als diese nehmen.

MARGARETA. Euren neuen Aufsatz finde ich allerliebst, wenn das Haar nur um einen Gedanken brauner wäre; und Euer Kleid ist nach der geschmackvollsten Mode, das ist gewiß.[601] Ich habe das Kleid der Herzogin von Mailand gesehn, von dem man so viel Wesens macht.

HERO. Das soll ja über alles gehn, sagt man.

MARGARETA. Auf meine Ehre, es ist nur ein Nachtkleid im Vergleich mit dem Eurigen. Das Zeug von Goldstoff, und die Aufschnitte mit Silber garniert und mit Perlen gestickt; niederhängende und Seitenärmel, und Garnierungen unten herum, die mit einem bläulichen Lahn unterlegt sind. Was aber die schöne, ausgesuchte, gefällige und ganz besondere Mode betrifft, da ist Eures zehnmal mehr wert.

HERO. Gott gebe, daß ich's mit Freuden tragen möge, denn mein Herz ist erstaunlich schwer.

MARGARETA. Es wird bald noch schwerer werden, wenn es erst das Gewicht eines Mannes tragen soll.

HERO. Pfui doch, schämst du dich denn nicht? –

MARGARETA. Warum denn, mein Fräulein? Daß ich von Dingen in Ehrenrede? Ist nicht eine Heirat ein Ding in Ehren, auch bei Bettlern? Ist nicht Euer Herr ein Ehrenmann auch ohne Heirat? Ich hätte wohl sagen sollen, – haltet mir's zu Gnaden, – das Gewicht eines Gemahls? Wenn nicht schlimme Gedanken gute Redenverdrehen, so werde ich niemanden Ärgernis geben. Ist wohl irgendein Anstoß darin, wenn ich sage: schwerer durch das Gewicht eines Gemahls? Nein, gewiß nicht, wenn es nur der rechte Mann und die rechte Frau sind; sonst freilich hieße das die Sache leicht nehmen und nicht schwer. Fragt nur Fräulein Beatrice, hier kommt sie.


Beatrice kommt.


HERO. Guten Morgen, Muhme!

BEATRICE. Guten Morgen, liebe Hero!

HERO. Nun, was ist dir? Du sprichst ja in einem so kranken Ton?

BEATRICE. Mich dünkt, aus allen andern Tonarten bin ich heraus. – Es ist gleich fünf Uhr, Muhme, es ist Zeit, daß du dich fertigmachst. – Mir ist ganz krank zu Mut, wahrhaftig! – Ach!

MARGARETA. Nun, wenn Ihr nicht eine Renegatin geworden seid, so kann man nicht mehr nach den Sternensegeln.[602]

BEATRICE. Was meint die Närrin damit?

MARGARETA. Ich? O gar nichts, aber Gott schenke jedem, was sein Herz wünscht.

HERO. Diese Handschuhe schickte mir der Graf, es ist der lieblichste Wohlgeruch.

BEATRICE. Der Sinn ist mir benommen; ich rieche nichts.

MARGARETA. Benommen? Oder eingenommen? Je nun, man erkältet sich wohl.

BEATRICE. O Gott steh' uns bei, Gott steh' uns bei! Wie lange ist's denn, daß du Jagd auf Witz machst?

MARGARETA. Seitdem Ihr es aufgegeben habt, mein Fräulein. Steht mein Witz mir nicht vortrefflich?

BEATRICE. Er scheint noch nicht genug ins Feld, du solltest ihn an deiner Kappe tragen. – Aber auf mein Wort, ich bin recht krank.

MARGARETA. Euer Gnaden sollten sich abgezogenen Kardobenedikt holen lassen und ihn aufs Herz legen: es gibt kein beß'res Mittel für Beklemmungen.

HERO. Da stichst du sie mit einer Distel.

BEATRICE. Benedikt? Warum Benedikt? Soll vielleicht eine Moral in dem Benedikt stecken?

MARGARETA. Moral? Nein, mein' Treu', ich meinte nichts Moralisches damit, ich meinte natürliche Kardobenedikten-Distel. Ihr denkt vielleicht, ich halte Euch für verliebt. Nein, beim Himmel, ich bin nicht solch eine Närrin, daß ich alles denken sollte, was mir einfällt, und es fällt mir auch nicht ein, zu denken, was ich könnte. Denn wenn ich mir auch den Kopf ausdächte, so kann ich mir's nicht denken, daß Ihr, mein Fräulein, verliebt seid, oder jemals sein werdet, oder jemals sein könnt. Und doch war Benedikt auch so einer, und ist jetzt ein Mensch wie andre. Er schwur, er wolle nie heiraten, und jetzt, trotz seinem hohen Sinn, verzehrt er sein Essen ohne Murren. Ob Ihr noch zu bekehren seid, weiß ich nicht; aber mir scheint, Ihr seht auch schon aus den Augen wie andre Mädchen.

BEATRICE. Was ist das für eine Art von Gang, den deine Zunge nimmt?

MARGARETA. Kein falscher Galopp.[603]

URSULA kommt zurück. Gnädiges Fräulein, macht Euch fertig: der Fürst, der Graf, Signor Benedikt, Don Juan und alle jungen Kavaliere aus der Stadt sind da, um Euch zur Kirche zu führen.

HERO. Helft mir mich ankleiden, liebe Muhme, liebes Gretchen, liebe Ursula!


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 601-604.
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