[171] Florenz. Ein Zimmer im Hause der Witwe.
Helena und die Witwe treten auf.
HELENA.
Wenn Ihr's bezweifelt, ich sei Helena,
Kann ich Euch nicht noch mehr Beweise geben,
Will ich nicht selbst die Hülfe mir zerstören.
WITWE.
Obgleich verarmt, bin ich aus gutem Haus;
Ich wußte nie von solcherlei Geschäft;
Ich möchte jetzt nicht meinen Namen leihn
Zweideut'gem Tun.
HELENA.
Das war auch nie mein Wunsch.
Vornehmlich glaubt, der Graf sei mein Gemahl,
Und was ich insgeheim Euch anvertraut,
Sei wahr von Wort zu Wort: dann irrt Ihr nicht,
Wenn Ihr mir, so wie ich gebeten, helft,
Und bleibt von Tadel frei.
WITWE.
Ich sollt' Euch glauben;
Denn was Ihr mir geboten, macht es klar,
Ihr seid sehr reich! –
HELENA.
Nehmt diese Börse Gold;
Und laßt mich Euren güt'gen Dienst erkaufen,
Den ich noch einmal, zweimal will bezahlen,
Wenn's mir gelang. – Der Graf bestürmt Eu'r Kind,
Sein üpp'ger Sinn belagert ihre Schönheit,
Und strebt nach Sieg: – sie geb' ihm endlich nach;
Wir zeigen ihr, wie sich's am besten fügt.
Sein ungestümes Blut wird nichts verweigern,[171]
Was sie begehrt. Der Graf trägt einen Ring.
Seit alter Zeit vererbt in seinem Stamm
Von Sohn zu Sohn, vier, fünf Geschlechter durch,
Seit ihn der erste trug: er hält dies Kleinod
In höchstem Preis; doch in der heft'gen Glut
Nach seinem Ziele scheint's ihm wohl nicht teuer,
Bereut er's auch hernach.
WITWE.
Nun seh' ich schon
Das Ziel, wonach Ihr strebt.
HELENA.
Ihr seht, es ist erlaubt. Nicht mehr verlang'ich,
Als daß Eu'r Kind, eh' sie gewonnen scheint,
Den Ring verlangt, ihm eine Zeit bestimmt,
Und endlich mir das Weitre überläßt, –
Sie selbst in zücht'ger Ferne. Dann versprech' ich
Zum Brautschatz außer dem, was ich gelobt,
Dreitausend Kronen noch.
WITWE.
Ich bin gewonnen:
Lehrt meine Tochter, wie sie sich verhalte,
Daß Zeit und Stunde dem erlaubten Trug
Behülflich sei'n. Er kommt an jedem Abend
Mit aller Art Musik und Sang, gedichtet
Auf ihren Unwert; und es hilft uns nichts,
Vom Haus ihn schelten, denn er bleibt beharrlich,
Als gölt' es ihm sein Leben.
HELENA.
Wohl, heut nacht
Beginnen wir das Spiel, das, wenn's gelungen,
Durch bösen Vorsatz frommen Zweck errungen,
Erlaubte Absicht in erlaubter Tat,
Schuldlosen Wandel auf des Lasters Pfad.
Kommt denn, es auszuführen! –
Sie gehn ab.[172]
Ausgewählte Ausgaben von
Ende gut, alles gut
|
Buchempfehlung
Nachdem Christian Reuter 1694 von seiner Vermieterin auf die Straße gesetzt wird weil er die Miete nicht bezahlt hat, schreibt er eine Karikatur über den kleinbürgerlichen Lebensstil der Wirtin vom »Göldenen Maulaffen«, die einen Studenten vor die Tür setzt, der seine Miete nicht bezahlt.
40 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro